2. Prozesstag im Prozess gegen Nazi-Zelle in Nauen

2. Prozesstag im Prozess gegen Nazi-Zelle in Nauen

Ich hatte hier im Blog bereits vom 1. Prozesstag gegen die Nazi-Zelle in Nauen berichtet. Hier nun folgt mit einigen Tagen Verspätung der Bericht vom 2. Prozesstag. Leider konnte ich wegen eines Abendtermins nicht bis zum Ende bleiben.

Der Prozess findet weiterhin unter großen Sicherheitsauflagen statt. Auch der 2. Prozesstag begann deshalb mit einiger Versprätung. Zu Beginn wurde bekannt, dass es einen Befangenheitsantrag der Angeklagten Dennis W. und Maik Schneider gegen einen Schöffen gibt, dieser soll jedoch später entschieden werden, weshalb der Prozess ganz normal weier ging. Er begann mit der Befragung von Maik Schneider, der am Ende des 1. Prozesstages eine umfangreiche Aussage gemacht hatte.

Schneider vesuchte seine – sehr unglaubwürdige Geschichte – weiter zu untermauern. Es wird sich zeigen, ob er diese Story bis zum Ende des Przesses durchhält. Er betonte bspw., dass er der festen Überzeugung gewesen sei, dass sein Tun beherrschbar sei, da die Halle vor allem aus Beton besteht. Er habe die Halle nicht unbrauchbar machen sondern nur ein Zeichen setzen wollen.

Zur Person befragt wurde deutlich, dass er seine Ausbildung als Erzieher aufgrund eines fehlenden Praktikums nicht abgeschlossen hat. Er schiebt es auf seine politische Einstellung, dass er immer kurz vor Arbeitsantritt Absagen für bereits vereinbarte Praktika bekommen habe. Interessant war, dass Schneider nicht nur eine Zeit lang in Jüterbog gelebt, sondern dort auch in einem Heim für schwer erziehbare Jugendliche gearbeitet hat. Es gab ja Gerüchte, dass die Gruppe um Schneider eventuell auch für den Sprengstoffanschlag auf einen kirchlichen Club in Jüterbog verantwortlich sein könnte, zumindest mir war bisher die Verbindung Schneiders nach Jüterbog so nicht klar.

Nach Abbruch der Erzieherausbildung habe er begonnen das Abitur nachzumachen. Durch die Festnahme sei er jedoch noch ncht zum Abschluss gekommen, es fehlten wohl nur 2 bis 3 Klausuren und die Prüfung.

Er gab an, dass er seit dem 18. Lebensjahr politisch aktiv sei, er sei da in die NPD eingetreten und habe ab dem 19. Lebensjahr auch Ämter in de Partei übernommen. Als Gründe für den Parteieintritt gab er an, dass alle anderen Parteien bereits etabliert seien und auch eine kleine Partei eine Chance brauche, außerdem sei das Parteiprogramm gut und es gäbe nur wenige Sachen, mit denen er Probleme habe. Dabei geblieben sei er vor allem wegen der Ausgrenzung, die er nach seinem Parteieintritt erfahren habe. Die NPD sei aus seiner Sicht linksnational und sozial, was seiner Einstellung entspräche, deshalb sei für ihn auch nur DIE LINKE oder die NPD in Frage gekommen und schlussendlich habe er sich dann für die NPD entschieden. Politisch lehne er „unkontrollierte Massenzuwanderung“ und „Scheinasylanten“ ab, das habe jedoch nichts mit Ausländerfeindlichkeit zu tun.

Als 19- bis 23jähriger habe er ein Mandat in der SVV Nauen und im Kreistag Havelland inne gehabt. In der kommenden Wahlperiode sei er Nachrücker gewesen. Das Engagement im Kreistag habe sich jedoch auf ein Minimum beschränkt (was ich aus eigenem Erleben bestätigen kann!), da ihm nach dem Einreichen eines Antrags in der ersten Kreistagssitzung bekannt geworden sei, dass die Mitglieder der LINKEN im Kreistag sich verpflichten mussten, keinem Antrag der NPD zuzustimmen. (Auch hier aus eigenem Erleben: Wir waren uns damals in der Fraktion einig, dass wir Anträgen einer rechtsextremen Partei nicht zustimmen. Da brauchte es keine Verpflichtung!)

 

Dennis W.

Danach ging es weiter mit der Aussage von Dennis W.  Er hatte beim 1. Prozesstag nicht ausgesagt und so fehlte zur Vervollständigung des Bildes, das die Angeklagten von sich selbst zeigen, sein Auftritt.

Dennis W. ist 29 Jahre alt, hat nach dem Abbruch der Schule eine Ausbildung zum Maler und Lackierer gemacht und danach diverse Jobs in verschiedenen Branchen und bei einer Zeitarbeitsfirma gehabt. Schneider kennt er aus der gemeinsamen Schulzeit in Elstal, wobei man sich damals und auch später zwar kannte, aber wneig miteinander zu tun hatte. Man lief sich immer mal wieder über den Weg, engerer Kontakt entstand jedoch erst Ende 2014/Anfang 2015.

Der gesamten Aussage von Dennis W. war nur scher zu folgen. Er spricht sehr schnell, in Teilen recht wirr, ist bemüht sich gewählt auszudrücken, was teilweise schief geht und macht insgesamt einen psychisch nicht wirklich stabilen Eindruck. Da davon auszugehen ist, dass W. durch die Untersuchungshaft auf Drogenentzug ist, kann ein Teil des Erscheinungsbildes damit zusammen hängen.

Dennis W. gibt an, immer mal Flyer verteilt und auch bei drei bis vier Demonstrationen gewesen zu sein, einmal davon als Helfer/Ordner, sonst habe es aber kaum politisches Engagement gegeben. Auch bei der abgebrochenen SVV-Sitzung in Nauen sei er dabei gewesen. Er sei im Saal gewesen und sei enttäuscht gewesen, dass es keine offene Diskussion gegeben habe, durch den Einlassstopp sei die Situation eskaliert, da nicht alle Interessierten an der Sitzung haben teilnehmen können.

Zu den einzelnen ihm vorgeworfenen Taten gab er das Verkleben der Schlösser am LINKEN-Büro sowie den Brandanschlag auf das Auto eines polnischen Bürgers zu. Zum Verkleben der Schlösser gab er an, dass dies nicht aus politischen Gründen sondern aus Wut auf seine Vermieterin (er hat tatsächlich vor sechs Jahren in einer von meinem Ex-Mann und mir vermieteten Wohnung gewohnt, die wurde ihm gekündigt wegen nachhaltiger Nichtzahlung der Miete). Er stellte dies als Zufallstat dar, er sei in der Nähe gewesen und habe sich mit seiner Freundin gestritten und dann den Klebstoff in seiner Tasche gefunden und dann habe er diesen „12-Jährigen-Streich“ begangen.

Der Brandanschlag auf das Auto des polnischen Staatsbürgers sei auch aus der Situation entstanden. Es habe das Gerücht gegeben, dass diese Mann im Wohngebiet Kinder angesprochen habe und nachdem die Polizei alarmiert wurde, habe diesen den Man mitgenommen. Jedoch sei er später im Beisein der Polizei zurück gekehrt und man habe in seinem Auto Kinderspielzeug gefunden. Irgendjemand habe dann im Laufe des Tages die Scheiben des Autos eingeschlagen und die Anwohner seien empört gewesen, dass keine Festnahme erfolgt sei. Es folgte eine recht plastische Schilderung der aufgeheizten Stimmung der Anwohner, wo deutlich wurde, dass Dennis W. sich faktisch als Vollziehender des Volkswillens gefühlt haben muss, als er, nachdem eine Bekannte eine Flasche Spiritus herbei geschafft hatte, nach Haus fuhr, um sich umzuziehen und nach seiner Rückkehr den Spiritus in das Auto zu schütten und diesen mit einem Papiertaschentuch in Brand zu setzen. Vorher hatte noch Anwohnern gesagt: „Wenn ich hier wohnen würde, würde ich mein Auto in Sicherheit bringen.“ Die Anwohner taten das auch, so dass in der näheren Umgebung des angezündeten Autos kein weiteres in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Den ihm vorgeworfenen Anschlag auf den LIDL-Markt bestreitet er hingegen. Er sei in dem Moment, als man den Knall hörte, mit seiner Freundin und dem Hund in einiger Entfernung gewesen und sei dann, nachdem die Polizei in Richtung des LIDL gefahren sei, hinterher gegangen. Dort habe er dann ein Video gedreht. Später habe es das Gerücht in Nauen gegeben, dass er das gewesen sei, aber das sei nur von einer einzigen Frau ausgegangen, die bereits mehr als 40 Strafanzeigen gegen ihn gestellt habe.

Zum Turnhallenbrand stützte er im Wesentlichen die Geschichte von Maik Schneider aus dem 1. Prozesstag. Im Vorfeld sei nur die Rede davon gewesen, ein Zeichen zu setzen, niemals sei beabsichtigt gewesen, die Halle in Brand zu setzen.

Am Tag des Brandes sei er bereits mehrere Tage wach gewesen, aufgrund seiner Drogensucht sei er oftmals bis zu 7 Tage wach gewesen um in der Folge 4 bis 5 Tage zu schlafen. Er habe sich, weil er sich mit seiner Freundin gestritten habe, in der Stadt rum getrieben, sei dann zum „Karpfen“ gegangen, sei abgehauen, als seine Freundin dort auftauchte. Er sei dan nach Hause gefahren, wo Schneider, F. und B. auftauchten, um bei ihm gelagerte Dinge (Reifen, Palletten, Gasflasche usw.) einzuladen, sein Schlüssel sei jedoch noch in der Kneipe gewesen, B. habe diesen dann geholt, woraufhin die Sachen in Schneiders Transporter geladen worden seien. Schneider und F. seien dann weg gefahren, und er habe sich mit dem Fahrrad auf den Weg gemacht, um zu schauen, wo diese seien. Man habe dan an der Turnhalle noch gemeinsam mit dem Fahrrad von einem anliegenden Gelände einen Ölkanister geholt und danach habe Schneider ihn aufgefordert abzuhauen. Dem sei er erst nachgekommen, als Schneider weg fuhr und ein anderes Auto kam, da sei er schnellstmöglich nach Hause gefahren. Im Torbogen habe er sich, nachdem seine Freundin ihm Sachen raus gereicht habe, umgezogen, da er durch den Ölkanister dreckig gewesen sei. Später sei er dann mit B. zur Tankstelle gefahren und hätten sich dann von Bredow udn Zeestow aus den Brand der Halle angeschaut.

Bei dem Nachbereitungstreffen bei B. will er nicht dabei gewesen sein. Bei zwei Treffen im Vorfeld des Brandes sei er gewesen, einmal sei es nur um Urlaubsvorbereitungen gegangen, bei dem anderen sei es schon um Politik gegangen, die Vorbereitung von Aktionen bspw., jedoch sei nicht die Rede davon gewesen, die Halle in Brand zu setzen. In Nauen seien viele Menschen nicht einverstanden gewesen, die Halle als Flüchtlingsunterkunft zu nutzen, deshalb hätten sie ein Zeichen setzen wollen.

 

Christian B.

Nach dieser Aussage folgte eine etwas verstörende Wende des Prozesses. Der Angeklagte B. widerrief faktisch seine Aussage vom 1. Prozesstag. Bei der Polizei habe er nur ausgesagt, was diese habe hören wollen und auch hier im Prozess habe er nur das wiedergegeben, was von ihm erwartet wurde. Er habe keinen Auftrag gehabt, während der Tat die Augen offen zu halten und Streife zu fahren und auch ansonsten habe er keine Aufgaben gehabt. Zwar sei er zwei Mal unterwegs gewesen an dem Abend (einmal zum Bier holen und einmal um bei sich zu Hause auf Toilette zu gehen, weil er nicht gerne woanders auf Toilette gehen würde), da habe er schon auch geguckt, ob Polizei unterwegs ist, aber dazu habe er keinen Auftrag gehabt. Auch das Nachbereitungsreffen habe nicht stattgefunden.

Diese Kehrtwende ist sehr verwunderlich, war die Geschichte von B. vom Ablauf des Tages im 1. Prozesstag doch insgesamt recht schlüssig. Bei Beobachtern ist e Eindruck entstanden, dass der Angeklagte unter Druck gesetzt wurde. Er hatte am 1. Verhandlungstag gesagt, er habe Angst vor Schneider, weil dieser auch aus dem Knast heraus seine Truppen unter Kontrolle habe. Möglicherweise hat sich dieses Gefühl bestätigt und es kam im Nachgang zu einer Drucksituation, die ihn nun zu der Änderung der Aussage gebracht hat. Sen Verteidiger war sichtlich unglücklich damit.

Es folgten an diesem Tag noch mehrere Zeugenaussagen, denen ich aber nicht mehr beiwohnen konnte, da ich abends in Bad Saarow zu einer Veranstaltung als Referentin eingeladen war.

Im Laufe des Tages wurden durch die Anwälte der Angeklagten Maik Schneider und Dennis W. Befangenheitsanträge gegen die gesame Kammer des Gerichts gestellt. Möglicherweise muss – wenn diese, ebenso wie der noch nicht beschiedene Antrag gegen den Schöffen positiv beschieden werden – der Prozess neu aufgerollt werden. Es ist deshalb schwer abschätzbar, wie es weiter geht.