3. Prozesstag gegen die Nazi-Zelle in Nauen

3. Prozesstag gegen die Nazi-Zelle in Nauen

Heute fand der 3. Prozesstag wegen des rechten Terrors in Nauen statt. Ich habe hier im Blog bereits über den Prozessauftakt und den 2. Prozesstag berichtet. Im Vorfeld des Prozesses war bekannt geworden, dass der Prozess fortgeführt wird und alle vorliegenden Befangenheitsanträge abgelehnt wurden.

Zu Beginn gab es eine neuliche Wende. Der Angeklagte Christian B., der im 2. Prozesstag seine ursprüngliche Aussage wiederrufen hatte, ließ durch seinen Verteidiger eine Erklärung verlesen. In dieser teilte er mit, er habe nach dem 1. Prozesstag einen Zettel am Auto vorgefunde, auf dem das Wort „Verräter“ stand. Dadurch sei er so verunsichert gewesen, dass er in seiner Aussage beim 2. Prozesstag sowohl die Darstellung bei der Polizei,beim Haftrichter und beim Prozesstag widerrief. Diese haben jedoch der Wahrheit entsprochen. Es folgte eine Darstellung der Ereignisse, wie er sie beim 1. Prozesstag ausgesagt hatte. Stellt man in Rechnung, dass er dort auch mitgeteilt hatte, dass er Angst vor Maik Schneider habe, weil dieser auch aus dem Knast heraus seine Truppen in Bewegung setzen könne, scheint dies glaubwürdig. Dieser Vorgang zeigt ein weiteres Mal, dass es einen Kampf zwischen den Angeklagten um die Deutungshoheit der Ereignisse gibt, wobei Dennis W. an der Seite von Maik Schneider steht, die anderen Angeklagten deren Sicht jedoch nicht stützen, wobei man hier nicht davon ausgehen kann, dass diese vier untereinander einig sind. Vielmehr scheint es so, dass diese alle für sich allein kämpfen, jedoch passen ihre Darstellungen weitgehend zueinander.

Nach der Erklärung von B. antwortete Dennis W. auf diese Einlassung. Auch heute war der Vortrag sehr wirr, wirklich Neues war jedoch nicht enthalten. Im Wesentlichen entsprach dies seiner Aussage vom 2. Prozesstag, allerdings bemühte er sich, die Aussage von Chrstian B. unglaubwürdig zu machen. Das hatte teilweise groteske Züge, bspw. teilte er mit, B. habe am Tatabend garantiert nicht bei W. zu Hause einen Film geschaut. Als W. nach Hause kam habe B. gerade Gummibärchen nach Farben geordnet in Sektgläser gesteckt und dies mache man ja nun nicht, wenn man einen Film schaue.

W. teilte außerdem mit, er sei von Schneider am Tatabend weggeschickt worden, da W. auf Drogen gewesen sei und Schneider immer sehr darauf geachtet habe, dass man bei Aktionen weder Drogen noch Alkohol konsumiert habe. Lediglich wenn man ein Lagerfeuer gemacht habe, wo man auch „kämpfen gewesen sei“, wären max. 3 Bier erlaubt gewesen. Mich hätte ja sehr interessiert, wie das mit dem „kämpfen“ gemeint war bzw. was da genau gemacht wurde, leider fürhte er das nicht näher aus.

Auch Schneider lies sich zur Aussage von B. aus. Auch sein Auftreten passte in das Bild, dass er von sich zu zeichnen sucht. Bspw. fragte er, ob sichhier einer der Angeklagten durch seine Blicke eingeschüchtert fühle, und als niemand sich meldete, verlangte er im Protokoll festzuhalten, dass dem also nicht so sei. Substanziell Neues teilte er nicht mit.

 

Es folgte die Zeugenbefragung, wobei ich nur bis Mittags beim Prozess bleiben konnte (ich musste danach zur Innenausschussitzung in den Landta), weshalb ich nur die ersten beiden Zeugen des heutigen Tages erlebte.

 

Zeuge H.

Der erste Zeuge war der 19-jährige M. aus Ketzin. Im Gerichtssaal befanden sich während seiner Aussage zwei Aktivisten der freien Kräfte, die ihn wohl begleitet haben. M. sagte aus, dass er rechts sei, sich jedoch von Straftaten distanziere. Er sei Mitglied der WhatsApp-Gruppe, an deren Namen er sich jedoch nicht erinnere, gewesen und er sei auch bei Zusammenkünften der Gruppe gewesen. Allerdings habe er sich nach Bekanntwerden der Farbbeutelanschläge (wovon ja nur einer angeklagt ist) auf das LINKEN-Büro von der Gruppe los gesagt, da er mit Straftaten nichts zu tun haben wolle.Die Gruppe um Schneider habe aus ca. 15 Personen bestanden. Schneider sei derjenige gewesen, der die Initiative ergriffen und bspw. Demonstrationen organisiert und Aktionen koordiniert habe. Fünf bis sechs Personen seien der Kern der Gruppe gewesen. Man traf sich regelmäßig sonntags einmal im Monat in verschiedenen Lokalen in Nauen.

Er habe sofort vermutet, dass der Anschlag auf die Turnhalle aus der rechten Szene in Nauen heraus verübt worden wäre und dass dies unter Anfürherschaft von Schneider geschehen sei. Er selbst habe an drei Demonstrationen in Nauen teilgenommen und auch mal Flyer verteilt. Auch bei der SVV-Sitzung sei er dabei gewesen. Das sei keine organisierte Aktion gewesen.

Er gab an, Schneider und L. zu kennen. Schneider sei aus seiner Sicht der „Stammtischanführer“ gewesen. Er hatte bei der Polizei ausgesagt, dass er zu dem LIDL-Anschlag von Schneider eine WhatsApp-Nachricht bekommen habe, dass einer aus dessen  Gruppe das gewesen sei, im Prozess heute wollte er sich daran jedoch nicht mehr erinnern.

Im Prozess wurde bekannt, dass M. einen Tag nach seiner Aussage bei der Polizei noch einmal dort gewesen ist, um seine Aussage zurück zu nehmen.

Mein Eindruck von dem Zeugen war, dass er sehr genau wusste, was er da tut und sehr gut vorbereitet war. Er mochte nichts Konkretes bestätigen und im Zweifel konnte er sich nicht genau erinnern. Zuvor bei der Polizei getätigte Aussagen hat er dadurch teilweise relativiert.

 

Zeuge H.

Der 18-jährige Zeuge aus Nauen legte einen doch recht interessanten Auftritt hin. Er geriet scheinbar in den Blick der Polizei, da er sich bei WhatsApp gebrüstet hatte, dass er die Turnhalle angezündet hat. Bei der Vernehmung duch die Polizei scheint er dies jedoch schnell zurück genommen und stattdessen mitgeteilt zu haben, dass er die Gruppe um Schneider für die Täter hält. Dies sei jedoch nur eine Vermutung ohne konkrete Anhaltspunkte gewesen zu sein. Er gab ansonsten an, nur mal bei drei Demonstrationen gewesen zu sein, ansonsten habe er mal Zeitungen ausgeragen. Zum Tatabend beim Turnhallenbrand hatte er nicts beizutragen, jedoch war recht interessant, was er zum Tag danach zu sagen hatte.

Er war an diesem Abend wohl in der scheinbar allseits beliebten Kneipe „Karpfen“. Dort seien auch Schneider und W. gewesen. W. habe eine Tasche mit Baseball- und Golfschlägern dabei gehabt, da die Sorge bestanden habe, es könne zu Angriffen von Linken auf den „Karpfen“ kommen. (An diesem Abend hat es tatsächlich eine Demonstration gegeben, die von der Protestkundgebung anlässlich des Turnhallenbrands ausging. Ich war die ganze Zeit dabei und kann hier deutlich sagen, dass weder von der Kundgebung noch von der Demonstration zu irgendeinem Zeitpunkt Gewalt ausging…) Zu diesem Abend und vor allem den Themen im Gespräch mit Schneider und W. befragt, gab der Zeuge an, „ein bisschen getrunken“ zu haben, weshalb er dazu nichts sagen könne. Allerdings sei inNauen „keiner traurig“ gewesen über den Turnhallenbrand. Auf Nachfrage sagte er, niemand wäre euphorisch aber es sei auch niemand entetzt gewesen.

 

Nach dieser Aussage musste ich leider gehen. Es folgten weitere Zeugenaussagen. Der Märkischen Allgemeinen ist zu entnehmen, dass es weitere Aussagen gegeben haben muss, in der Schneider schwer belastet wurde. Eine Zeugin soll mitgeteilt haben, dass Schneider ihr gegenüber im Vorfeld gesat habe: „Das Ding wird brennen.“ Und einem Bericht des rbb ist zu entnehmen, dass ein weiterer Zeuge ausgesagt hat, dass zwischenzeitlich einmal Handschuhe in seinem Briekasten auftauchten, die „verschwinden mussten“ und er Schneider, nach dessen Ankündigung, dass mit der Halle etwas passieren werde, um ein Bild gebeten habe, „wenn es brennt“. Nach der Tat habe er tatsächlich ein Video der brennenden Halle von einer ihm unbekannten Nummer zugesandt bekommen.

Der Prozess lässt insofern sehr tief in die rechte Szene in Nauen blicken, er beleuchtet jedoch auch die zu dieser Zeit tatsächlich sehr aufgeheizte Stimmung in der Stadt. Es spricht viel dafür, dass die Angeklagten sich tatsächlich als die „Vollstrecker des Volkswillens“ fühlten. Es entspricht auch meiner Erfahrung, dass es nach dem Turnhallenbrand viele BürgerInnen in Nauen gab, die Verständnis für diese Tat hatten. Und es gibt in Nauen eine recht große Szene, die mit Sicherheit Bestätigung und Zustimmung signalisiert hat.

Insofern ist das Agieren der Zelle nicht völlig losgelöst von der allgemeinen Stimmung in Nauen zu betrachten, wenn man verstehen will, was da eigentlich passiert ist. Ich gehe davon aus, dass diese Eindrücke bei den kommenden Prozesstagen noch vertieft werden.