Rede zum Antrag "Zugang zum gesundheitlichen Versorgungssystem und zu Angeboten der psychosozialen Unterstützung für Flüchtlinge im Land Brandenburg"

Rede zum Antrag „Zugang zum gesundheitlichen Versorgungssystem und zu Angeboten der psychosozialen Unterstützung für Flüchtlinge im Land Brandenburg“

Im Landtag wurde heute ein Antrag „Zugang zum gesundheitlichen Versorgungssystem und zu Angeboten der psychosozialen Unterstützung für Flüchtlinge im Land Brandenburg“, beantragt von den Fraktionen der LINKEN, SPD und Bündnis 90/ Die Grünen, behandelt und beschlossen. Meine Rede zur Einbringung dokumentiere ich unten. Die zweite Rede war nicht vorbereitet und deshalb frei gehalten, um auf die Debatte zu reagieren und kann deshalb hier nicht dokumentiert werden.

„Anrede
zur Fluchterfahrung der bei uns Hilfe suchenden Menschen gehören Verfolgung, Gewalt, Folter und Krieg, Trennung oder Verlust von Familienangehörigen, das Überleben in lebensbedrohlichen Situationen. Am Ende der Flucht-Odyssee kommen bis zu 30 Prozent der Geflüchteten traumatisiert und mit psychischen Störungen oder Erkrankungen bei uns an. Für sie ist es wichtig, dass angemessene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Mit diesem Antrag wollen wir den Zugang zum gesundheitlichen Versorgungssystem und zu Angeboten der psychosozialen Unterstützung für Flüchtlinge und Asylsuchende im Land Brandenburg weiter verbessern.

Weiter verbessern, denn mit der Novellierung des Landesaufnahmegesetzes haben wir mit der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte bereits einen wichtigen ersten Schritt dafür getan.  Und es spricht für sich, dass sich mittlerweile 14 Landkreise und kreisfreie Städte entschlossen haben, die Gesundheitskarte einzuführen, bzw. das bereits getan haben. Einzig Märkisch-Oderland, Elbe-Elster und Ostprignitz-Ruppin haben offensichtlich den Zeitpunkt verpasst, gesichtswahrend ihre Verweigerungshaltung aufzugeben und bleiben nun wie Trotzköpfchen in der Ecke stehen. Es bleibt dabei, die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte sichert Geflüchteten einen diskriminierungsfreien Zugang zu gesundheitlichen Leistungen und wir werden weiter dafür kämpfen, dass sie flächendeckend zum Einsatz kommt.

Das Asylbewerberleistungsgesetz stellt die minimale medizinische Versorgung bei Bedarf sicher. Als gesetzliche Pflichtleistung ist die Behandlung bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen festgeschrieben. Das reicht uns nicht aus. Deshalb setzen wir uns auf Bundesebene weiter für die Abschaffung des diskriminierenden Asylbewerberleistungsgesetzes ein. Wir sagen ganz klar: Flüchtlinge und Asylsuchende sollen gleichberechtigten Zugang zum Gesundheitssystem haben. Zugangshindernisse wie sprachliche Barrieren, kulturspezifische Barrieren und Diskriminierung müssen weiter abgebaut werden.

Das Landesintegrationskonzept von 2014 und das 2013 veröffentlichte Material „Konzept und Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der psychosozialen Versorgung von Flüchtlingen im Land Brandenburg“ beinhalten grundsätzliche Maßnahmen und Empfehlungen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Menschen mit Migrationshintergrund -einschließlich psychisch kranker und traumatisierter Flüchtlinge. Wir halten es für notwendig, das Landesintegrationskonzept weiterzuentwickeln und an die derzeitige Situation anzupassen, dazu haben wir uns bereits bekannt. Gleichzeitig sehen wir auch Nachbesserungsbedarf bei der gesundheitlichen Versorgung, einschließlich der psychotherapeutischen/psychiatrischen und psychosozialen Beratung und Betreuung von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Ich betone das, denn Frau Nonnemacher wird uns nachher sicher daran erinnern, dass die GRÜNEN bereits im Juni2015 einen Antrag  “Die psychische Versorgung von Flüchtlingen im Land Brandenburg verbessern“ eingebracht haben, den wir damals mit Verweis auf die anstehende Novellierung des Landesaufnahmegesetzes abgelehnt hatten. Wir wollten erst einmal die neuen Regelungen im Landesaufnahmegesetz u.a. zur elektronischen Gesundheitskarte und zur Migrationssozialarbeit abwarten und ein Großteil der damaligen Punkte wurde tatsächlich beim Landesaufnahmegesetz berücksichtigt. Liebe Frau Nonnemacher, wir ziehen beim Thema Integration und Migration  an einem Strang, deshalb freue ich mich, dass die GRÜNEN Miteinbringer unseres Antrags sind.

Das Land Brandenburg hat in den vergangenen Jahren die mit der Aufnahme, Unterbringung und Versorgung und auch der Integration der Geflüchteten verbundenen Aufgaben gut bewältigt. Das war nur möglich Dank des großen Engagements der Brandenburgerinnen und Brandenburger, der Verantwortlichen in den Kommunen und der zuständigen Landesbehörden. Vor allem die zahlreichen Willkommensinitiativen leisten einen aktiven Beitrag für die Integration vor Ort. Vielen Dank dafür.

Gleichzeitig braucht es Schnittstellen und Vernetzung: Bei unseren Treffen mit Vertretern von Willkommensinitiativen wurde immer wieder deutlich,  dass diejenigen, die sich mit dem Asylrecht auskennen, oft keine spezifischen Kenntnisse zu Fragen der medizinischen und psychosozialen Versorgung haben. Medizinisches Fachpersonal wiederum kennt sich oft nicht mit dem Asylrecht aus.

Hier soll das neue Konzept der Landesregierung mit konkreten Maßnahmen und Handlungsempfehlungen aufklären und praktische Hilfe geben. Wir wollen, dass es Zuständigkeit und Ansprechpartner klar benennt,  Informationen über Infektionskrankheiten und Impfschutz, Möglichkeiten zur Selbsthilfeaktivierung und gute Beispiele der Praxis enthält. Darüber hinaus soll es Impulse für die in der Migrationssozialarbeit tätigen für einen angemessenen Umgang mit Geflüchteten in besonderen psychosozialen Lagen geben. Dabei bekennen wir uns ausdrücklich zu dezentralen Lösungen. Es sollen keine neuen medizinischen Strukturen geschaffen werden, sondern die vorhandenen stärker als bisher unterstützt und auf die spezielle Zielgruppe ausgerichtet werden.  Dabei soll insbesondere der spezifische Bedarf von besonders Schutzbedürftigen, von Kindern, Jugendlichen, Frauen und Familien berücksichtigt werden.

Und, ich möchte auf einen weiteren Punkt hinweisen, der mir sehr wichtig ist: Auch das Gesundheitssystem ist ein lernendes System. Der Umgang mit Geflüchteten, mit Personen mit fluchtspezifischen Traumata und Belastungen, mit Menschen anderer Herkunft und verschiedener Religionen, erfordert von allen Akteuren im Gesundheitswesen ein hohes Maß an Professionalität und interkultureller Kompetenz. Die Vermittlung dieser Kompetenzen und die Schaffung von Angeboten in diesem Bereich, sind aus unserer Sicht eine wichtige anstehende Aufgabe und auch dieser Komplex soll Eingang in die Konzeption finden.

Wichtig ist uns auch, dass die Angebote zur Sprachmittlung und Dolmetscherleistungen besonders beleuchtet werden. Wir wissen, dass es hier noch Nachholbedarf gibt. Zwar gibt es erste Projekte mit Sprachmittlerpools oder die Zuschaltung von Dolmetschern per Videotechnik, vor allem im ambulanten Versorgungsbereich gibt es hier aber noch Probleme, auch was die Übernahme der Kosten nach dem Rechtskreiswechsel betrifft.

Und damit bin ich bei einem weiteren Problem. Wir als Land können wir nicht alle Bereiche der Gesundheitsversorgung von Geflüchteten und Migranten regeln. Hier gibt es verschiedene Akteure und Verantwortlichkeiten.  Von dem neuen Konzept erhoffen wir uns eine Sensibilisierung und einen Impuls für eine bessere Vernetzung der verschiedenen Akteure vor Ort. Flüchtlinge und Asylbewerber sollen einen besseren Zugang zum medizinischen Versorgungssystem und zu Angeboten der Gesundheitsförderung und Prävention erhalten.

Die Gesundheit eines Menschen ist laut Weltgesundheitsorganisation „ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“  Lassen Sie uns in diesem umfassenden Sinne alles dafür tun, um die Gesundheit Flüchtlingen und Asylbewerbern in Brandenburg weiter verbessern.“