Besuch in Damsdorf - 600 Plätze in Gemeinschaftsunterkunft?

Besuch in Damsdorf – 600 Plätze in Gemeinschaftsunterkunft?

Ich bin ein visueller Mensch und kann Dinge am besten einschätzen, wenn ich sie selbst gesehen habe. Deshalb habe ich mich spontan bereit erklärt, meinen Fraktionskollegen, Andreas Bernig, und den Fraktionsvorsitzenden der LINKEN im Kreistag Potsdam.Mittelmark, Thomas Singer, nach Damsdorf zu begleiten, damit wir uns gemeinsam ein Bild machen können von dem Objekt, in dem der Landkreis Potsdam-Mittelmark plant, 600 Flüchtlinge unterzubringen.

Leider ist es uns nicht gelungen, für diesen Kurzbesuch eine Begleitung durch den Landkreis zur Erörterung der Pläne zu gewinnen. Allerdings haben wir uns mit einem vor Ort ansässigen Gewerbetreibenden über Objekt und rundumliegendes Gebiet intensiv ausgetauscht.

Kurz gesagt: Ich bin nicht mehr nur skeptisch, sondern ich denke, das wird keine gute Lösung zur Unterbringung von Flüchtlingen. Aus mehreren Gründen:

  1. Das Gelände gehört dem Bund – vielleicht. Im Gespräch haben wir erfahren, dass ein Rechtsstreit mit einem Investor anhängig ist, wem das Gelände nun gehört, da bereits ein Teil des Kaufpreises durch den Investor gezahlt wurde und es für die Nichtzahlung der Restsumme ggf. gute Gründe gegeben hat. Dieser Streit kann sich über Jahre hinziehen, mit ungewissem Ausgang. Eine Investition in einer solchen Größenordnung  bei ungeklärten Eigentumsverhältnissen scheint mir ein sehr heikles Unterfangen zu sein.
  2. Das Gelände ist völlig ungepflegt und es gibt eine ganze Reihe von Problemen bspw. hinsichtlich der Heizungsanlage, die seit Jahren außer Betrieb ist.
  3. Aktuell besteht möglicherweise kein Baurecht. Eine Sondergenehmigung der Beubehörde ist wahrscheinlich ausgelaufen, eine Verlängerung ungewiss.
  4. Es ist geplant, das Gebiet als Gewerbegebiet auszuweisen. Dadurch entsteht ein Risiko, dass die Ausnahmegenehmigung des Bundes nicht fortgeführt wird, nach der Flüchtlingsunterkünfte in Gewerbegebieten nur für eine gewisse Zeit zulässig sind.
  5. Es ist unwahrscheinlich, dass eine Ertüchtigung der beiden Blöcke auf dem Gelände, die zur Flüchtlingsunterbringung geplant sind, bis August möglich ist. Aktuell sehen sie – soweit von außen zu beurteilen – nicht so aus, als wäre eine Ertüchtigung schnell möglich. Gleichzeitig besteht der Verdacht auf Schwammbefall, was für sehr hohen Aufwand bei der Sanierung bzw. Ertüchtigung spricht.
  6. Das Umfeld ist nicht ideal. Da es sich um eine Ansammlung von unterschiedlichen Unternehmen handelt, wobei sich gerade einige Firmen verabschieden und neue Nutzer nicht in Sicht sind, gibt es auf dem Gelände zahlreiche Gefahrenquellen, die zumindest für die Kinder kaum verantwortbar scheinen.
  7. Weitere Standortnachteile sind: Kleiner Ort mit 1500 EinwohnerInnen, ein ganz kleiner Einkaufsladen, sonst keine Einkaufsmöglichkeiten, 600 Flüchtlinge werden hier nicht zu integrieren sein, zumal Schulen und Kita – wenngleich fußläufig erreichbar – zumindest aktuell keine zusätzlichen Kpazitäten haben.
  8. Das Gelände ist schlecht einsehbar und unübersichtlich und ein Stück von der Wohnbebauung entfernt. Hier scheint mir ein gewisses Sicherheitsrisiko, vor allem nachts und am Wochende vorhanden zu sein.
  9. Und, nicht zuletzt: Es geht das Gerücht, dass der Bund gerade einen Teil des Geländes an eine Gruppe, die dem rechtsextremistischen Spekturm zugeordnet wird, vermietet hat.

Alles in Allem keine Indikatoren, die für diesen Standort sprechen. Zumal ich nach wie vor eine Gemeinschaftsunterkunft mit 600 Plätzen für zu groß halte. Es drängt sich zumindest bei mir de Verdacht auf, dass Kostenargumente eine sehr große Rolle spielen. Ja, kleinere Einrichtungen sind vor allem im laufenden Betrieb teurer als eine große. Eine menschenwürdige Unterbringung mit Zugang zu Bildung, Mobilität und (sozialer) Infrastruktur sind aber wichtig, wenn es nicht nur um Aufbewahrung sondern um Integration geht.

Es wird extrem schwer, die Unterkunft bis August zu ertüchtigen. Gleichzeitig ist das aber nötig, um die vorübergehend genutzte Turnhalle in Michendorf wieder ihrer Aufgabe, der Sicherung des Schulsports, gerecht zu werden. Wir werden sehen, ob die Zusage des Landkreises eingehalten werden kann, dass am Schulbeginn alles gut ist und die Turnhalle  in Michendorf wirklich zum Schuljahresbeginn wieder zur Verfügung steht.

Insofern wäre de Landkreis zu raten, diese Entscheidung zu überdenken und stattdessen über die Ertüchtigung von möglichen Plätzen im Landkreis, bspw. in Kloster Lehnin, wo die Gemeinde ein Objekt mit 60 Plätzen angeboten hat, oder auch in der Gemeinschaftunterkunft in Bad Belzig, wo Ausbaupotenzial besteht, nachzudenken.