Betriebsbesuch bei Amazon in Brieselang

Betriebsbesuch bei Amazon in Brieselang

„Tag der offenen Tür bei Amazon“ war vor einigen Tagen die Nachricht in der Lokalpresse. Man müsse sich nur anmelden und dann könne man das Werk in Brieselang besichtigen. Eingedenk der Tatsache, dass ich mich vor zwei Jahren bereits intensiv um einen Besichtigungstermin als Landtagsabgeordnete bemüht hatte und genau so intensiv abgeblitzt bin, war das also „meine“ Chance.

Gesagt, getan, angemeldet mit dem Wunsch, auch mit dem Betriebsrat sprechen zu können. Wenige Minuten später ein freundlicher Anruf eines Mitarbeiters, ich könne natürlich auch mit Mitgliedern des Betriebsrats sprechen und man freue sich über meiner Besuch. Ein wenig skeptisch bin ich, aber versuchen kann man es ja. Dass bei einem solchen „Tag der offenen Tür“ wahrscheinlich die kritischen Themen wie befristete Beschäftigungen, Tarifstreitigkeiten usw. nicht zur Sprache kommen oder zumindest umschifft werden, war mir weitgehend klar. Aber vielleicht ergeben sich ja weitere Kontakte?

Gestern war es dann soweit, Samstag, 12 Uhr. „Bitte melden Sie sich spätestens 10 Minuten vor Ihrem registrierten Termin am Anmeldepunkt vor Ort an.“ Ich war pünktlich. Mit mir warteten ca. 20 andere Besucher*innen vor dem „Bananen-Tower“. Namentlich aufgerufen durften wir dann eintreten. Bei Kaffee und Kuchen wurden wir im Versammlungsraum „Berlin“ begrüßt. Veranstaltet wurde dieser Tag durch die „Über uns“-Gruppe – einem Zusammenschluss von Mitarbeiter*innen, die sich zu Ziel gesetzt haben, die öffentliche Wahrnehmung des Unternehmens zu verbessern. Es seien auch einige Mitglieder des Betriebsrats anwesend.

Nach der Begrüßung wurden Gruppen gebildet und alle musste sämtliche Mitbringsel in Schließfächern verstauen. „Rein kommen ist leicht. Aber beim wieder raus kommen, gehts durch die Sicherheitsschleuse. Also nehmen Sie wirklich nichts mit rein.“ sagte der Sicherheitsmitarbeiter. Schade, also keine Fotos, aber das hatte ja vermutlich eh niemand wirklich erwartet.

Eine freundliche, ältere Mitarbeiterin, die seit 2012 im Unternehmen ist, führte „meine“ Gruppe an. Sie zeigte uns alles detailliert und schilderte die Arbeitsabläufe – von der Anlieferung der Waren und erster Sortierung, der „chaotischen“ Lagerwirtschaft mit dennoch detaillierten Regeln, der technischen Unterstützung durch ein Computersystem beim Befüllen der Fächer in den Regalen über die Zusammenstellung der Bestellungen, das Verpacken und die Frankierung der Sendungen. Das war wirklich interessant und ich habe jetzt ein wenig mehr verstanden, wie das Unternehmen die extrem schnellen Lieferzeiten bei unendlich vielen lieferbaren Produkten realisiert.

Es wird darauf geachtet, dass die Mitarbeiter*innen in verschiedenen Bereichen eingeteilt werden, so dass alle mal Regale befüllen, Bestellungen zusammen stellen oder verpacken müssen. Das Unternehmen stellt auch Mitarbeiter*innen mit Behinderungen ein, vorrangig gehörlose Menschen. Mittlerweile wird wohl aufgrund einer Beriebsvereinbarung auch darauf geachtet, dass die Ruhezeiten eingehalten werden. Das Klima sei gut, alle duzen sich und auch ansonsten tue das Unternehmen alles, damit es den Mitarbeiter*innen gut geht. Zum Teil glaube ich das auch. Aber ein bisschen zu schön war das Bild dann doch, das gezeichnet wurde.

Der Stundenlohn liegt anfangs bei 10,30 Euro, bis zu 14% leistungsbezogene Prämie können zusätzlich erreicht werden. Dies ist abhängig von Quantität, Qualität und Verhalten. Ähnlich ist es mit Sternen, die erworben werden können. Bis zu 8 Sterne erhalten die Beschäftigten pro Monat, die können dann gegen Amazon-spezifische (Werbe)-Produkte eingetauscht werden. Zusätzlich gäbe es zum Tarifvertrag noch einen regionalen Zuschlag, der sich an den in der Region gezahlten Löhnen orientiert. Vermutlich heißt das, dass die Amazon-Beschäftigten im Osten Deutschlands weniger verdienen als im Westen. Aber so ganz ließ sich das nicht raus kriegen.

Ca. 40 Prozent der Mitarbeiter*innen sind aktuell befristet beschäftigt. Und da sind ausdrücklich die Beschäftigten, die zusätzlich im Weihnachtsgeschäft eingestellt werden, noch gar ncht dabei. Das scheint mir eines der Schlüsselprobeme zu sein. Die unbefristet eingestellten Mitarbeinter*innen bekommen mehr Lohn und auch Aktienanteile am Unternehmen. Und die befristeten Beschäftigten haben einen hohen Druck. Wer darf bleiben nach dem Wehnachtsgeschäft? Und wer ist ab 1. Januar wieder arbeitslos? Und nach welchen Kriterien wird dies entschieden? Auch hier zählen – so wurde mir geantwortet – Quantität, Qualität und Verhalten. „Das ist in allen Unternehmen der Branche so.“, sagte die freundliche Mitarbeiterin. Vermutlich ist das nicht falsch. Aber ist es gut? Heißt das nicht, dass es zwangsläufig einen Austausch der Beschäftigten in den nicht so hoch qualifizierten Bereichen nach spätestens zwei Jahren gibt?

Wie es sich nun mit dem Betriebsrat verhält, konnte ich nicht raus bekommen. Stimmt es, dass der Betriebsrat immer mehr zu einem Gremium wird, das aus dem Arbeitsgeber genehmen Mitgliedern besteht? Stimmt das Gerücht, dass vor ca. zwei Jahren alle gewerkschaftlich gebundenen Mitglieder des Betriebsrats, die befristet beschäftigt waren, bei Auslaufen ihrer Verträge nicht verlängert wurden? Befriedigende Antworten dazu habe ich nicht bekommen. Aber die Zusage, dass ich mit anderen Abgeordneten der LINKEN Landtagsfraktion gern noch einmal zu einem extra Termin vorbei kommen kann. Na dieses Angebot nehmen wir doch gern an!