Bildungsreise europäisches Grenzregime, Tag 1: Briefing

Bildungsreise europäisches Grenzregime, Tag 1: Briefing

Vom 29.9. bis 4.10.2015 bin ich auf Bildungsreise zum europäischen Grenzregime. Diese Reise ist ein Kooperationsprojekt von Rosa-Luxemburg-Stiftung und Fraktionsvorsitzendenkonferenz der LINKEN. Auf dem Programm stehen unter anderem in Tunis Gespräche mit dem UNHCR, der Europäischen Kommisson sowie mit Hilfsorganisationen und Müttern vermisster Flüchtlinge und in Palermo unter anderem ein Gespräch mit dem Bürgermeister der Stadt sowie Besuche in Flüchtlingslagern und -einrichtungen. Mitreisende sind Abgeordnete der Landtagsfraktionen und der Bundestagsfraktion der LINKEN sowie MitarbeiterInnen der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Heute Morgen ging es los. Flug über Paris nach Tunis. In Tunis angekommen machten wir uns auf den Weg in das Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung, das als Verbindungsbüro für den gesamten nordafrikanischen Raum fungiert.

Hier trafen wir uns mit dem deutschen Botschafter in Tunesien, Dr. Andreas Reinecke, und dem Leiter der Rechts- und Konsularabteilung sowie Zuständigen für Migration in der deutschen Botschaft, Herrn Rolf Michael Jürgens zum Briefing der Delegation zur Lage in Tunesien und dem nordafrikanischen Raum. Der Botschafter gab uns eine umfassende Einschätzung zur politischen Situation in Tunesien. Es wurde deutlich, dass Tunesien, verglichen mit anderen Staaten des nordafrikanischen Raums politisch und wirtschaftlich stabil ist. Gleichzeitig gibt es aber auch hier Risiken im Prozess der politischen Transformation nach dem „arabischen Frühling“. Dabei ist zuerst das „Sicherheitsproblem“ zu nennen, das der Botschafter als terroristische Gefahr von innen und von außen beschrieb. Von innen meint dabei, dass sich mindestens 5.000 Menschen dem IS angeschlossen haben und auch innerhab Tunesiens terroristische Anschläge stattfanden und auch weiterhin stattfinden können. Von außen meint die destabile Lage an der algerischen Grenze. Eine weitere Gefahr für die politische Stabilität geht von der wirtschaftlichen Entwicklung aus, die beschrieben werdenkann mir eine recht hohen Arbeitslosigkeit bei gleichzeitig großer „Schattenwirtschaft“,  einem zurückgehenden Tourismus infolge der terroristischen Anschläge und einer Hemmung der Wirtschaft durch bürokratische und langwierige politische Entscheidungsprozesse.

Im Gespräch wurde außerdem deutlich, dass Tunesien zwar in der Vergangenheit sehr viele libysche Flüchtlinge aufgenommen hat (bis zu 1 Million), diese allerdings zu einem guten Teil in die tunesische Gesellschaft integriert sind.Im Land befinden sich außerdem ca. 4.000 Syreinnen udn Syrer, von denen jedoch ca. 1.000 schon lange in Tunesien leben.

In der aktuellen Situation verlaufen die Fluchtrouten vor allem über Libyen, von den ca. 114.000 Flüchtlingen, die von Afrika in diesem Jahr bis Ende Juli nach Italien gelangt sind, kamen nicht einmal 500 aus Tunesien. Im Land ist das UNHCR aktiv, das ca. 900 Menschen in diesem Jahr den Flüchtlingsstatus zugebilligt hat. Die tunesischen Behörden billigen diesen und die Flüchtlinge haben Zugang zum Gesundheitssystem und die Kinder können zur Schule gehen. Die geringen Zahlen führen jedoch insgesamt dazu, dass die tunesische Politik diesem Thema nur einen geringen Stellenwert einräumt.

Der Botschafter berichtete allerdings, dass das um die Welt gehende Foto des kleine, ertunkenen Jungen in Tunesien eine gesellschaftliche Debatte ausgelöst hat.

Nach dem Abendessen sind wir über die Arbeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung im nordafrikanischen Raum informiert worden. Die Schwerpunkte der Stiftung sind neben der Beobachtung der politischen Situation vor allem der Bereich der Vernetzung der politisch aktiven linken Akteure der Region.

Es folgte ein Debatte über die Rolle der Frauen in der tunesischen Gesellschaft, die seit vielen Jahren eine sehr progressive für den arabischen Raum ist. Aber auch die Fragen, weshalb sich so viele Menschen dem IS anschließen und wo die Gründe dafür liegen, dass Tunesien, im Gegensatz zu vielen anderen Ländern der Region politisch stabiler ist, wurden erörtert.

Es war ein langer Tag mit ziemlich viel Input. Gegen 22 Uhr waren wir im Hotel angekommen und saßen noch gemeinsam ein wenig beisammen. Morgen geht es weiter mit Gesprächen beim UNHCR, dem Staatsminister für Migration und soziale Integration, der Europäischen Kommission sowie der Organisation für Migration. Am Abend erwartet uns dann ein Treffen mit einem deutschen Filmemacher mit Ausschnitten aus seinem Film. Ich berichte dann 🙂