Bildungsreise europäisches Grenzregime, Tag 4: Unterbringungsformen in Italien

Bildungsreise europäisches Grenzregime, Tag 4: Unterbringungsformen in Italien

Vom 29.9. bis 4.10.2015 bin ich auf Bildungsreise zum EU-Grenzregime in Tunis und Palermo.Ich habe bereits Berichte von Tag 1, 2 und 3 online gestellt. In der Nacht sind wir mit der Fähre von Tunis nach Palermo zum europäischen Teil der Reise gelangt.

Heute standen dann verschiedene Termine auf dem Programm, die sich mit den unterschiedlichen Formen der Unterbringung beschäftigten. Es gibt in Italien verschiedene Formen der Unterbringung von Asylsuchenden. Es gibt Erstaufnahmezentren, wohin die Flüchtlinge zuerst kommen und die vergleichbar sind mit den Übergangswohnheimen. Hier bleiben die Flüchtlinge einige Monate, bevor sie in kommunal verwaltete Unterkünfte mit jeweils wenigen Plätzen, vergleichbar mit Wohngemeinschaften oder kleinen Übergangswohnheimen, weiter geleitet werden.

Wir besuchten jeweils eine solche Einrichtung. Es ist zu vermuten, dass diese ebenso wie in Deutschland eine unterschiedliche Qualität haben. Die, die wir besucht haben, waren wirklich gut.

Das Erstaufnahmezentrum war bis Dezember 2014 ein Hotel. Die Asylsuchenden erhalten pro Tag 2,50 Euro Taschengeld, in der Erstaufnahmeeinrichtung erhalten sie Kleidung, hygienische Artikel und Verpflegung (Wahlessen). Träger ist eine soziale Genossenschaft. Es gibt Sprachkurse, sportliche Betätigungsmöglichkeiten und Freizeitangebote. In den Zimmern wohnen je nach Größe zwischen 4 bis 6 Personen.

Die kleine kommunale Unterkunft ist organisiert als Wohngemeinschaft mit 8 Personen in einem Gebäude, das früher als psychiatrische Klinik genutzt wurde. Unter der WG gibt es ein Theater, das selbst gebaut ist und intensiv genutzt wird. Es soll die Chance bieten, dass die MigrantInnen in der Mitte der Gesellschaft ankommen und auch ein kulturelles Umfeld bekommen. Ich habe zum Schutz der Privatsphäre hier wenig fotografiert. Ein paar Eindrücke gibt es aber.

So. Das war der positive Teil des Tages. Vorher besuchten wir eine Abschiebeeinrichtung. Diese Einrichtung soll künftig ein sogenannter Hotspot der EU werden. Ich habe in Deutschland schon viele Sachen gesehen. Und ich wusste auch im Groben, was diese Einrichtungen sind. Aber ganz ehrlich, das, was uns da erwartete, war richtig heftig. In Italien sollen eigentlich in solchen Einrichtungen nur Menschen untergebracht werden, die in allen Instanzen abgelehnt wurden. Teile unserer Delegation konnten allerdings mit den (wenigen) Insassen sprechen. Diese stammten ausnahmslos aus Marokko und waren zum größten Teil direkt nach der Landung mit einem Boot dort festgesetzt worden. Ca. 20 von ihnen waren bei unserem Besuch dort: Wenige Tage vorher hatten ca. 80 Menschen einen Ausbruch aus dieser Einrichtung gestartet – mit Erfolg. Denjenigen, die dort verblieben sind, soll, so sagen sie, in der Folge körperliche Gewalt seitens des Sicherheitspersonals angetan worden sein, möglicherweise als Reaktion auf den Ausbruch. Aus Gründen des Schutzes derjenigen, die uns dort erzählt haben, wie es ihnen erging, schreibe ich dazu hier nicht mehr. Der Besuch in dieser Einrichtung hat jedoch zwei Sachen klar zu Tage treten lassen:

  1. In diesem Abschiebezentrum herrschen menschenunwürdige Zustände und
  2. die Menschen werden hier auch teils völlig rechtswidrig eingewiesen.

Ich denke, diesen Bereich, der ganz klar etwas mit europäischer Politik zu tun hat, müssen wir politisch bearbeiten. Die gesamte Delegation haben die Eindrücke dieses Besuchs ziemlich heftig aus der Bahn geworfen.

Ich habe (trotz Fotografierverbots) einige Fotos gemacht weil ich glaube, dass Europa diese Bilder zur Kenntnis nehmen muss. Sie sind ganz klar ein Symbol dessen, was europäische Asylpolitik ausmacht: Abschreckung und Abschottung.