Brandenburgs Abschiebungshafteinrichtung geschlossen – Und nun?

Brandenburgs Abschiebungshafteinrichtung geschlossen – Und nun?

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Die Abschiebungshaft in Brandenburg ist seit Montag geschlossen. Der Presse ist zu entnehmen, dass der Grund Brandschutz- und Sicherheitsmängel sind, die bei Begehungen durch die Unfallkasse Brandenburg und das Landesamt für Arbeitsschutz festgestellt wurden. Neben fehlender Brandmelder und einer Brandmeldeanlage werden auch Sicherheitsmängel für Beschäftigte und Insassen der Einrichtung genannt. Zusätzlich wurde festgestellt, dass das Personal der Einrichtung zusätzlich qualifiziert werden muss.

Natürlich stellt sich nun die Frage, wie konnte es dazu kommen? Der Leiter der Erstaufnahmeeinrichtung, Frank Nürnberger, nennt dazu im rbb unter anderem den Grund, dass das notwendige fachliche Know How in der Innenverwaltung nicht vorhanden ist. Vermutlich stimmt das, aber ich denke, es gibt weitere Gründe.

In den vergangenen Jahren war angesichts der hohen Flüchtlingszahlen, die nach Brandenburg kamen, der Fokus vor allem im Bereich der Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten. Das hieß auch, dass in der Erstaufnahme vor allem in zusätzliche Plätze investiert wurde, um alle Geflüchteten gut unterzubringen. Weitere Maßnahmen waren der Bau eines Röntgencontainers, um die gesundheitliche Erstuntersuchung auf dem Gelände der Zentralen Ausländerbehörde (ZABH) durchführen zu können, zusätzliche Spielmöglichkeiten für Kinder und auch die Versorgung und Betreuung wurde neu aufgestellt. Insgesamt ist die Erstaufnahme in Brandenburg mit der ZABH und den Außenstellen in Wünsdorf, Doberlug-Kirchhain und Frankfurt (Oder) sehr gut aufgestellt.

Zellentrakt

Dabei ist der Bereich der Abschiebungshaft sicher ein wenig aus dem Blick geraten. Klar ist aber auch, dass die Abschiebehaft, die keine Haft im herkömmlichen Sinn ist, da sie nicht als Bestrafung angeordnet wird sondern lediglich der Sicherung der Ausreise dient. Als LINKE sind wir sehr skeptisch gegenüber diesem Instrument, da es einen sehr starken Eingriff in die Grundrechte eines Menschen darstellt. Im rot-roten Koalitionsvertrag ist deshalb auch betont, dass die Abschiebehaft nur als letztes Mittel der Sicherung der Ausreise angewandt werden soll. Dies ist auch gelebte Praxis in Brandenburg. Als ich das erste Mal die Abschiebungshafteinrichtung besichtigte, war dort niemand untergebracht. Darüber hatte ich hier berichtet. Auch bei meinem zweiten Besuch vor wenigen Wochen waren weniger als zehn Personen in der Abschiebungshaft untergebracht.

Die Ausländerbehörden in Brandenburg, die für die Rückführung abgelehnter Asylsuchender zuständig sind, sind sehr zurückhaltend bei der Beantragung von Abschiebungshaft. Der Großteil der in die Abschiebungshafteinrichtung in Brandenburg eingewiesenen Personen wird auf Veranlassung anderer Bundesländer aufgenommen. Faktisch haben wir in Brandenburg in den vergangenen Jahren vor allem Amtshilfe für andere Bundesländer mit unserer Einrichtung geleistet. Das liegt auch daran, dass diese Einrichtung völlig überdimensioniert ist – sie hat 108 Plätze. Zum Vergleich: Sachsen baut gerade eine neue Einrichtung mit 30 Plätzen. Diese 108 Plätze waren in der gesamten Bestehenszeit seit 1998 noch nie auch nur zur Hälfte ausgelastet. In der Regel liegt die Belegungszahl bei ca. 10 Personen, oft weniger. Bisher konnte mir noch niemand schlüssig erklären, weshalb das Land damals eine so große Einrichtung gebaut hat, die ja auch in der Unterhaltung teurer ist als eine kleinere und wo, zumindest wenn Plätze nicht stillgelegt werden, auch mehr Personal vorgehalten werden muss.

Um die Problemlage zu vervollständigen: Es gibt – das war uns bereits 2014 bei den Koalitionsverhandlungen bewusst – Nachholbedarf bei der psychosozialen Betreuung der Insassen in der Abschiebungshaft. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag auch festgehalten, dass diese verbessert werden muss. Wegen der oben geschilderten Herausforderungen ist auch in diesem Bereich in den vergangenen beiden Jahren nicht viel passiert.

Und – das sei noch erwähnt – die Planungen auf Bundesebene, die Abschiebungshaft auf sogenannte Gefährder auszuweiten, also einen neuen Grund für Abschiebungshaft zu schaffen, werden dazu führen, dass solche Einrichtungen deutlich anderen Sicherheitsstandards gerecht werden müssen, als dies aktuell der Fall ist. Da Abschiebungshaft keine „normale“ Haft ist, sind die Sicherheitsstandards bspw. hinsichtlich der Ausbruchssicherheit viel geringer als bei einer Justizvollzugsanstalt. Wenn die Pläne des Bundes Wirklichkeit werden (was ich nicht hoffe, als LINKE lehnen wir dies ab), dürfte die Einrichtung in Brandenburg den Standards nicht mehr genügen.

Zusammenfassend kann man also sagen: Wir haben eine viel zu große Einrichtung, bei der es Brandschutz- und Sicherheitsmängel sowie Probleme bei der Personalausstattung und -qualifikation gibt und eine unzureichende psychosoziale Betreuung gibt. Und es stehen gesetzliche Änderungen auf Bundesebene an, die dazu führen werden, dass die Einrichtung insgesamt den Sicherheitsstandards nicht mehr gerecht wird. Dass das Innenministerium in dieser  Situation die Entscheidung getroffen hat, die Abschiebungshafteinrichtung vorübergehend zu schließen, finde ich richtig.

Es stellt sich aber die Frage: Was passiert jetzt? Vom Grundsatz her ist es unproblematisch, wenn es keine Abschiebungshafteinrichtung in Brandenburg gibt. Wenn eine Ausländerbehörde in Brandenburg eine Abschiebungshaft beantragt und ein Richter diese anordnet, kann die Ausländerbehörde auf Amtshilfe anderer Bundesländer zurückgreifen. Wenn man allerdings entscheidet, dass es in Brandenburg eine solche Einrichtung geben soll, dann muss gesichert sein, dass diese den Sicherheitsstandards entspricht, gute Bedingungen für die eingewiesenen Personen und auch für die MitarbeiterInnen bietet und die psychosoziale Versorgung gesichert ist. Flickschusterei nach dem Motto, wir beseitigen jetzt mal die aufgezeigten Mängel und machen weiter wie bisher, finde ich falsch. Deshalb finde ich, dass die aktuelle Situation genutzt werden sollte, sich grundsätzlich darüber zu verständigen, ob es in Brandenburg eine solche Einrichtung geben soll und wenn ja, wo diese angesiedelt sein soll, wie viele Plätze sie haben muss, welche baulichen Bedingungen und Sicherheitsstandards erfüllt sein müssen, welche Personalausstattung gebraucht wird und wie dieses Personal qualifiziert sein muss und fortgebildet wird, wie die psychosoziale Versorgung der Insassen gesichert wird usw. Kurz: Wir sollten jetzt keine Schnellschüsse machen. Vielmehr ist dies die Situation, wo wir uns die Zeit nehmen sollten, ein den aktuellen Bedingungen und Anforderungen entsprechendes umfassendes Konzept für die Abschiebungshaft in Brandenburg zu erarbeiten.