Freiheit und Sicherheit als Grundelemente unserer Demokratie – Augenmaß und Sachlichkeit in der Sicherheitsdebatte!

Freiheit und Sicherheit als Grundelemente unserer Demokratie – Augenmaß und Sachlichkeit in der Sicherheitsdebatte!

Auseinandersetzung mit einigen Argumenten in der aktuellen Sicherheitsdebatte anhand eines Antrags der CDU im Brandenburger Landtag

von Andrea Johlige und Andreas Büttner

Nach dem furchtbaren Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin und den Ereignissen der Silvesternacht in Köln ist die Sicherheitsdebatte in Deutschland wieder neu entfacht. Politiker verschiedener Parteien fachen die Debatte an und verfolgen einen Kurs, der selten entlang realer Gefahren und der Frage, welche Maßnahmen tatsächlich mehr persönliche und öffentliche Sicherheit schaffen, verläuft.

Und es drängt sich der Eindruck auf, dass vor allem seitens der Unionsparteien die Diskussion und der mediale Druck genutzt werden sollen, Maßnahmen, die bisher durch andere politische Akteure abgelehnt wurden, doch noch durchzusetzen. Und weil das alles noch nicht genug ist, wird dies vermischt mit der Debatte um die Aufnahme von Geflüchteten, was vor allem dem rassistischen Diskurs weitere Nahrung gibt.

Argumentiert wird regelmäßig mit dem Sicherheitsgefühl der Bevölkerung. Wir wissen seit langem, dass dieses Gefühl nur selten mit der realen Gefährdungslage einhergeht. Umso mehr überrascht, dass, obwohl Politik und Medien aktuell  kaum ein anderes Thema als die Bedrohung durch Terror bedienen, das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung dem so gar nicht entsprechen will. Im aktuellen ARD-Deutschlandtrend gaben 73% der Befragten an, dass sie sich in Deutschland sicher fühlen. Von den Anhängern der LINKEN waren dies gar 96%. Lediglich die Anhänger der AfD fühlen sich zu ca. zwei Dritteln (66%) unsicher. Mehr als die Hälfte der Befragten gibt zudem an, dass sie unser Land für gut geschützt gegen terroristische Angriffe halten und  9 von 10 Befragten (88%) haben viel Vertrauen in die Polizei (gegenüber 36%, die Vertrauen in die Geheimdienste haben, aber das ist ein anderes Thema).  Umso erstaunlicher ist, dass der politische Überbietungswettbewerb bei (vermeintlichen) Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheitslage so intensiv betrieben wird. Es wird Zeit, dass alle politischen Akteure aufhören, Politik mit der Angst zu machen. Wenn die Menschen mehrheitlich keine Angst empfinden, ist es fahrlässig, ihnen diese einzureden. Und wenn die Bevölkerung Vertrauen in die Polizei hat, sollte Politik dafür sorgen, dass dies so bleibt und nicht den Eindruck erwecken, dieses Vertrauen sei nicht gerechtfertigt.

Selbstverständlich ist es die Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass ein möglichst hohes Maß an persönlicher und öffentlicher Sicherheit erreicht wird. Dazu gehört auch, regelmäßig zu überprüfen, ob angesichts einer veränderten Sicherheitslage Korrekturen bei der personellen und technischen Ausstattung, bei der Ausbildung oder bei den Eingriffsbefugnissen der Sicherheitsorgane angezeigt sind oder nicht. Aufgeregtheit und Schnellschüsse sind hier aber ein schlechter Ratgeber.

Auch in Brandenburg wird diese Debatte zunehmend geführt. Offensichtlich, um in Brandenburg das Thema innere Sicherheit als erste zu setzen, hat die CDU-Fraktion im Landtag Brandenburg einen Antrag mit dem Titel „Verteidigung der Sicherheit und Freiheit – Maßnahmen gegen Islamismus und Terrorismus verstärken“ unter der Drucksache 6/5836 in den Landtag eingebracht. Wir wollen uns hier mit einigen Punkten des Antrages auseinander setzen. Nicht alles an dem Antrag ist zu kritisieren, darum geht es auch gar nicht. Wir wollen exemplarisch an einigen Vorschlägen deutlich machen, wie Polemik und Halbwissen aktuell genutzt werden, um im politischen Diskurs zu punkten. Gerade in der Sicherheitspolitik ist immer abzuwägen, ob eine Maßnahme sinnvoll ist und zum Erfolg führen kann, mit welchem Ressourceneinsatz dies einher geht, welche Grundrechtseingriffe mit der Maßnahme verbunden sind und ob die Wirksamkeit der Maßnahme diese Eingriffe rechtfertigt. Mit einfachen Antworten, gut klingenden aber nicht vollständig durchdachten Vorschlägen und auf den kurzfristigen medialen Erfolg setzenden Maßnahmen werden wir nicht weiterkommen. Im Gegenteil, gerade die der sensible Bereich der persönlichen und Öffentlichen Sicherheit bedarf Sachlichkeit und Fachlichkeit in der Diskussion.

Eine Plenardebatte ist kaum der richtige Ort, zu allen Punkten des Antrages ausführlich und tiefgehend die Positionen auszutauschen. Deshalb wollen wir uns den Punkten, die in der öffentlichen Diskussion (auch bundesweit) immer wieder eine Rolle spielen und bei denen wir eine andere Position vertreten als die Antragsteller, etwas ausführlicher widmen, als es in einer Debatte im Landtagsplenum möglich ist.

Dies soll als Vorrede ausreichen, wir befassen uns jetzt mit dem Antrag:

Zunächst fällt auf, dass sich der Antrag alleine und ausschließlich auf sogenannte islamistische Gefahren bezieht – die Tatsache, dass es in Brandenburg gewaltbereite, rechtsextreme, neonazistische Strukturen gibt, die eine ernsthafte Bedrohung für unsere Gesellschaft darstellen und bei denen die Wahrscheinlichkeit des Verübens schwerer Gewaltstraftaten deutlich höher ist als  aus der islamistischen Szene heraus, scheint die CDU dabei nicht zu interessieren. Die stark gestiegene Zahl der Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, der (schweren) Körperverletzungen aus rassistischen Motiven und auch der Angriffe auf UnterstützerInnen von Geflüchteten zeigen, dass hier Handlungsbedarf besteht. Und nicht erst seit der Terrorserie in Nauen, die in der Brandstiftung der als Flüchtlingsunterkunft geplanten Turnhalle gipfelte, wissen wir, dass in der aktuellen gesellschaftlichen Situation die Gefahr der Bildung krimineller und terroristischer neonazistischer Strukturen sehr hoch ist.

Terror ist Terror – egal von welcher Seite. Deshalb ist Terrorismus von allen Seiten zu bekämpfen, nicht nur islamistischer Terror sondern auch der rechte, neonazistische Terror in Brandenburg.

Unkonkret bleibt die CDU-Fraktion gleich in ihrer erster Forderung nach einem Sonderprogramm zur ganzheitlichen Islamismus- und Terrorismusbekämpfung. Kein Wort davon, welchen Inhalt dieses „Sonderprogramm“ haben soll und was die Union damit eigentlich meint. Der Bund und jedes Bundesland haben Pläne für Anschlagsfälle, Terrorszenarien oder Amoklagen entwickelt. Jedes Bundesland wie auch der Bund arbeiten dazu zusammen  und stimmen ihre Pläne ab. Selbstverständlich muss ein Einsatzplan aber auf die jeweiligen örtlichen Bedingungen abgestimmt werden. Ein Notfallszenario in Berlin ist anders zu bewältigen als im uckermärkischen Templin, die Voraussetzungen sind örtlich, personell sowie technisch unterschiedlich und müssen demzufolge auch unterschiedlich gewertet werden. Eine Einsatzkonzeption erfolgt grundsätzlich nach Beurteilung einer Lage und einem dann aufgelegten Durchführungsplan. Dabei greift man auf Datenbanken zurück, die bei der Bewältigung der Lage unterstützen. Wer ein Sonderprogramm fordert, muss sich zunächst mit den Grundlagen von Polizeiarbeit beschäftigen. Es scheint zumindest so, als habe sich die CDU mit diesen Grundlagen nicht ausreichend beschäftigt.

Ebenso fordert die CDU-Fraktion, dass die Stellen bei Verfassungsschutz und Polizei erhöht werden müssen. Man stellt sich die Frage, was der Verfassungsschutz in Brandenburg eigentlich in den letzten Jahren erreicht hat bei der Abwehr von terroristischen Gefahren. Gerade in der Abwehr von rechtsterroristischen Taten scheint der Verfassungsschutz sich nicht gerade durch eine umfassende Aufklärung hervorgetan zu haben. Und auch die aktuellen Ermittlungspannen und die bisher nicht aufgeklärten Verbindungen des Attentäters zu einem V-Mann des Verfassungsschutzes beim Fall des Terroranschlags in Berlin lassen das Vertrauen in die Arbeit der Geheimdienste eher nicht in einem vertrauenserweckenden Licht erscheinen.

Und auch für die Polizei gilt: Das alleinige Aufstocken von Personal bei der Polizei ist eine schnelle und populistische Forderung, die nicht getragen ist von den Einsatzerfordernissen in Brandenburg. Insbesondere würden die geforderten zusätzlichen Stellen nicht ausreichen, um die weiteren Forderungen der CDU umzusetzen. Wer eine Forderung in den Raum stellt, sollte auch in der Lage sein, die rechnerischen Grundlagen hinzubekommen.

Hinzu kommt: Auch die CDU weiß sehr genau um die Probleme bei der Personalsuche. In Brandenburg wurden unter einem CDU-Innenminister einige Jahre keine Polizistinnen und Polizisten ausgebildet. Das fällt uns heute auf die Füße. Natürlich kann man immer mehr Stellen fordern, für einen kurzfristigen medialen Erfolg mag dies ausreichen. Allein, das wird das Problem nicht lösen, denn Stellen sind das eine, das Personal einzustellen das andere. Nur muss man es dafür erst einmal finden oder selbst ausbilden. Die im Doppelhaushalt 2017/18 festgelegte Stellenzahl von 8250 für die Brandenburger Polizei ist realistisch. Hier hat die rot-rote Koalition bereits auf die veränderte Sicherheitslage reagiert. Es wird großer Anstrengungen bedürfen, diese Stellen vollständig zu besetzen. Deshalb wurde die Zahl der einzustellenden Polizeianwärterinnen und -anwärter an der Fachhochschule der Polizei auf jährlich 375 erhöht (und auch diese wollen erst einmal, ohne die zu Recht hohen Anforderungen abzusenken, gefunden werden), die Attraktivität des Ausbildungsstandortes wird durch die Schaffung preiswerter Wohnplätze erhöht, es wurden Anreize für ältere Kolleginnen und Kollegen, auch über das Ruhestandsalter hinaus noch einige Zeit im Dienst zu bleiben, geschaffen, die Möglichkeiten für Verwaltungsarbeiten, die nicht zwingend ausgebildete Polizistinnen und Polizisten erfordern, auch qualifiziertes Personal aus anderen Bereichen zu gewinnen, werden verbessert und auch das Programm zur Anwerbung von Feldjägern der Bundeswehr für den Polizeidienst wird fortgeführt. Eine weitere Erhöhung der Stellenzahl um weitere 150 Stellen wäre unter diesen Voraussetzung ein populistisches Placebo, das jedoch nicht zu mehr Beschäftigten bei der Polizei führen würde.

Aber die CDU geht noch weiter: Eine Erhöhung der Zahl der Streifenwagen von 100 auf 130, eine Ausdehnung der Einsatzbereitschaft der Einsatzhundertschaften, der Aufbau einer zusätzlichen Einsatzgruppe des Spezialeinsatzkommandos – alle diese Forderungen wären, selbst unter der Voraussetzung, dass man die Stellen besetzen könnte, mit 150 zusätzlichen Stellen nicht zu erfüllen. Insofern tun wir gut daran, sehr genau zu schauen, wo das Personal sinnvoll eingesetzt werden kann. Da sind aus unserer Sicht tatsächlich auch Fehlentscheidungen gefällt worden, bspw. wird durch die Anschaffung einer unnötigen und teuren Wasserwerferstaffel auch Personal gebunden, das an deren Stellen dringend gebraucht wird (nebenbei: da hörte man nichts von der CDU…). Wir sind gern bereit, uns in die Debatte, wo das Personal am sinnvollsten einzusetzen ist, einzubringen! Und auch die Debatte, wo tatsächlich mehr Streifenwagen benötigt werden, ist zu führen. Das pauschale “In-den-Raum-werfen” einer Zahl, ist jedoch weder seriös noch hilft es im Konkreten weiter.

Ähnliches gilt für die pauschale Forderung nach der Absenkung der durchschnittlichen Hilfsfristen bzw. Interventionszeiten. Selbstverständlich ist es wichtig, dass Polizei so schnell wie möglich vor Ort ist, wenn sie benötigt wird. Sinnvoller ist es aber, sich genau anzuschauen, bei welchen Polizeiinspektionen die Interventionszeiten  deutlich länger sind als in anderen, sich die Gründe dafür anzuschauen und hier wenn notwendig gezielt nachzusteuern. Und auch aus der polizeilichen Praxis heraus, ist diese Forderung wenig hilfreich. In der polizeilichen Arbeit muss täglich eine Priorisierung stattfinden. Wenn bspw. in einem Landkreis nachts vier Streifenwagen unterwegs sind, zwei davon bei einer Kneipenschlägerei, einer bei einer häuslichen Gewaltstraftat und einer bei einem schweren Unfall gebunden ist, dann wird die Fahrt zu einer nächtlichen Ruhestörung erst dann erfolgen können, wenn die anderen Fälle abgearbeitet sind. Und wenn dieser “freie” Streifenwagen wegen der großen Entfernungen in einem Flächenland zu lange unterwegs wäre, wird ggf. auch auf einen anderen Wagen gewartet werden müssen, der sich in der Nähe befindet. Diese Priorisierung wird immer stattfinden (müssen), und es ist auch richtig so, dass sie stattfindet.

Die elektronische Fußfessel für als “Gefährder” eingestufte Personen geistert seit einigen Wochen durch die bundesdeutsche Debatte und fehlt auch im Antrag der CDU nicht. Ohne Zweifel wäre dieses Instrument geeignet, Bewegungsbilder von Personen zu erstellen. Geeignet, einen Terroranschlag oder schwere Straftaten zu verhindern, ist es jedoch nicht. Gerade bei Anschlägen wie dem auf den Weihnachtsmarkt in Berlin wird es wirkungslos sein, weil die Täter in Kauf nehmen, bei dem Anschlag ums Leben zu kommen und weil sie gerade wollen, dass jeder weiß, wer für den Anschlag verantwortlich ist.

Bisher hat in der öffentlichen Debatte jedoch ein anderes, ganz praktisches Problem mit der elektronischen Fußfessel noch gar keine Rolle gespielt. Eine solche Fußfessel kann zerstört und gewaltsam entfernt werden. Zwar geht bei der zuständigen Polizeiinspektion ein Signal ein, dass die Fußfessel entfernt wurde. Eine Feststellung des Aufenthaltsortes der Person ist dann nicht mehr möglich und so löst dies in der Regel eine personalintensive Suche nach der Person aus, da vermutet werden kann, dass es einen Grund (bspw. eine geplante Straftat) für das Entfernen der Fußfessel gibt. Eine massive Ausweitung des Instruments (von derzeit weniger als 100 Trägern bundesweit) wird nahezu zwangsläufig dazu führen, dass auch die Zahl der Entfernungen der Fußfessel und damit die Zahl der notwendigen Suchaktionen in die Höhe schnellt.  Schon aus diesen Erwägungen heraus, also dass die elektronische Fußfessel Straftaten nicht verhindern wird und der Aufwand bei der Polizei steigt für Maßnahmen, wenn die Fessel entfernt wird, halten wir dieses Instrument für ungeeignet bei der Terrorbekämpfung. Als praktisches Beispiel sei hier der Einsatz der Berliner Polizei im September 2015 genannt, wo ein verurteilter islamistischer Gewalttäter die Fußfessel gewaltsam entfernt hatte und anschließend, ohne dass die in der Nähe befindlichen Streifenwagen dies überhaupt erfahren haben, eine Polizeibeamtin angriff und schwer verletzte, so dass ihr Streifenpartner einen tödlichen Schuss in Notwehr auf den Straftäter absetzen musste. Die Fußfessel hatte hier nichts verhindert.

Es gibt jedoch noch einen weiteren, aus unserer Sicht schwerwiegenderen Einwand: Bei der Anordnung zum Tragen einer elektronischen Fußfessel handelt es sich um einen sehr starken Eingriff in die Grundrechte des Trägers. Völlig zu Recht sind die Voraussetzungen deshalb aktuell an strenge Regeln gekoppelt. Sie darf aktuell nur auf richterliche Anordnung bei Personen eingesetzt werden, die rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wurden und bei denen die Gefahr besteht, dass sie weitere solche Straftaten begehen. Das zuständige Gericht muss sehr genau prüfen, ob tatsächlich weitere Straftaten drohen. Zumindest kann es sich aber auf ein rechtskräftiges Urteil stützen.

Bei der Forderung, dieses Instrument für “Gefährder” einzusetzen, stellen sich jedoch noch ganz andere Fragen. Wer schätzt nach welchen Kriterien ein, dass es sich um einen “Gefährder” handelt? Gerade nach den fatalen Fehleinschätzungen mehrerer Sicherheitsbehörden im Fall Anis Amri wird diese Frage eine der Wichtigsten. Aber auch: Was ist überhaupt ein “Gefährder”. In der öffentlichen Debatte wird dieses Wort sowohl für Personen verwendet, die Straftaten planen als auch für die, die andere dazu anstiften. Und gelegentlich reicht für diese Einstufung zumindest im öffentlichen Diskurs auch, jemanden zu kennen, der eine Straftat plant oder mit einem solchen verwandt zu sein. Und: Ist ein solcher Grundrechtseingriff bei jemandem, der bisher keine Straftat begangen hat (und vielleicht nie begehen wird!), tatsächlich gerechtfertigt? (Nebenbei: Das Fehlen einer eindeutigen Definition für “Gefährder” erweist sich übrigens nicht nur bei der Debatte um die Fußfessel sondern auch bei einigen anderen Themen in der Sicherheitspolitik als ernsthaftes Problem. Wir befürchten allerdings, dass diese “Unschärfe” in der Diskussion von den Befürwortern stärkerer Eingriffsbefugnisse gewollt ist, um ihre Ziele einfacher erreichen zu können.)

Angesichts der dargestellten praktischen und der schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Bedenken und der Tatsache, dass dieses Instrument ungeeignet bei der Verhinderung von Straftaten ist, lehnen wir es ab.

Ähnlich beurteilen wir die Ausweitung der Videoüberwachung. Sie ist ungeeignet für die Terrorbekämpfung. Hier verweisen wir aus Platzgründen zur ausführlichen Argumentation auf einen bereits erschienenen Artikel von Andreas Büttner und Francesco Pillinini.

Zusätzlich möchten wir darauf hinweisen, dass Videoüberwachung auch bei der Bekämpfung der allgemeinen Kriminalität kein wirksames Instrument ist. Dem gerade veröffentlichten “Neunten Bericht des Ministers des Innern und für Kommunales an den Landtag über bestimmte Maßnahmen der Datenerhebung auf Grund des Brandenburgischen Polizeigesetzes”  ist zu entnehmen, dass die Videoüberwachung in Potsdam, Erkner, Guben und Frankfurt (Oder) nicht dazu geführt hat, dass das Kriminalitätsaufkommen in den überwachten Bereichen sinkt.

Auch hier ist genau abzuwägen, ob und wenn ja wo, aus welchen Gründen eine Überwachung erfolgen soll. Wir schließen nicht aus, dass dies bei bestimmten Gefährdungslagen oder in bestimmten klar definierten, zeitlich und örtlich begrenzten Situationen sinnvoll ist. Als Allheilmittel zur Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung eignet sich aber auch dieses Instrument nicht.

In der aktuellen Debatte um die Terrorabwehr ist außerdem immer wieder eine Vermischung von Asyl- und Flüchtlingspolitik und Sicherheitspolitik zu beobachten. Das ist aus unserer Sicht problematisch aus zwei Gründen: Einerseits verkennt es, dass ein Großteil der terroristischen Gefahr nicht von Flüchtlingen ausgeht, sondern von Menschen mit deutschem Pass und andererseits schürt diese Vermischung fremdenfeindliche Ressentiments. Dennoch wollen wir auch in diesen Fragen zu einigen Forderungen im CDU-Antrag Stellung nehmen.

Nach dem Willen der CDU soll die Dauer des Ausreisegewahrsams deutlich ausgeweitet und ein zusätzlicher Haftgrund für “gefährliche Ausreisepflichtige” geschaffen werden. Dies verkennt, dass die Abschiebungs- bzw. Sicherungshaft keine Freiheitsstrafe im strafrechtlichen Sinn ist und auch nicht mit einer Sicherungshaft als vorbeugende Maßnahme zur Verhinderung von Straftaten zu verwechseln ist, sondern ausschließlich der Sicherung der Ausreise dient. Sie kann auf richterliche Anordnung bis zu sechs Monaten, in Ausnahmefällen bis zu einem Jahr dauern. Hier handelt es sich um einen starken Grundrechtseingriff, der zu Recht an hohe Hürden geknüpft ist. (Zumindest nebenbei sei erwähnt, dass wir als LINKE das Instrument der Abschiebungshaft wegen des Grundrechtseingriffs grundsätzlich für problematisch halten.) Als Instrument zur Festsetzung “gefährlicher Ausreisepflichtiger” oder gar der Terrorbekämpfung ist es deshalb ungeeignet. Unbenommen ist jedoch, dieses Instrument, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, auch für als gefährlich eingestufte Personen zu nutzen.

Demgegenüber ist die Anordnung des Ausreisegewahrsams an weniger rechtliche Voraussetzungen gekoppelt. Auch er dient der Sicherstellung der Ausreise, wird im Transitbereich eines Flughafens oder in der Einrichtung vollzogen, aus der die Abschiebung erfolgen soll. Er darf, wegen der niedrigeren Hürden für die Anordnung, maximal vier Tage dauern. Eine “deutliche” Erhöhung der möglichen Dauer lehnen wir ab. Wir weisen jedoch darauf hin, dass dieses Instrument noch weniger als das der Abschiebehaft geeignet ist, Straftaten zu verhindern.

Insgesamt weisen wir darauf hin, dass das größte “Hindernis” bei der Vollziehbarkeit der Ausreise aktuell vor allem die schleppende Passersatzpapierbeschaffung ist. Daran werden weder ein Ausreisezentrum auf Bundesebene noch Rückführungseinrichtungen in den Ländern etwas ändern. Insofern könnte man darüber nachdenken, inwiefern die Landkreise bei der Passersatzbeschaffung stärker unterstützt werden können, Möglichkeiten der Wohnsitzauflage bzw. Residenzpflicht könnten ebenso wie polizeiliche Meldeauflagen bei Personen, die in Verdacht stehen, terroristische oder Gewaltstraftaten begehen zu wollen, zur Anwendung kommen und auch eine vorbeugende Haft bei konkreten Erkenntnissen zu geplanten Straftaten ist bereits jetzt möglich.

Zur ebenfalls erhobenen Forderung nach einem Ausreisezentrum auf Bundesebene ist darauf hinzuweisen, dass dem Bund derzeit keinerlei Kompetenz dabei zugewiesen ist. Für den Vollzug der Ausreise sind die Ausländerbehörden der Länder bzw. der Landkreise und kreisfreien Städten zuständig. In Verhandlungen zwischen Bund und Ländern kann man dies sicher grundsätzlich ändern. Ob dies als politisch sinnvoll erachtet wird, wäre anhand der geplanten Ausgestaltung zu prüfen. Wir warnen jedoch davor, einen föderalen Kahlschlag aufgrund einer hochkochenden Debatte zu riskieren. Es gibt gute Gründe für die Zuweisung von Aufgaben im föderalen System. Für uns nicht nicht ersichtlich, worin sich hierbei ein dringender Handlungsbedarf begründet.

Eine allgemeine Rückführungseinrichtung auf Landesebene würde ebenfalls eine Änderung der Zuständigkeiten voraussetzen. Aktuell sind die Zentrale Ausländerbehörde für Rückführungen aus der Erstaufnahme und die Ausländerbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte für Rückführungen von Personen, die nach dem Landesaufnahmegesetz an sie verteilt wurden, zuständig. Auch hier erschließt sich uns nicht, warum daran etwas geändert werden sollte. Dies wäre durch die CDU auszuführen.

Wir weisen zusätzlich darauf hin, dass wir es für richtig halten, dass das Land Brandenburg vorrangig auf sogenannte freiwillige Ausreisen setzt. Auch die Kommunen setzen vorrangig auf dieses Instrument, weil dies weniger traumatisch als eine zwangsweise Rückführung ist und es eine geplante und vorbereitete Ausreise und damit ein geordnetes Ankommen ermöglicht und für die Kommunen mit deutlich geringeren Kosten verbunden ist.

Es ist völlig klar, dass die sogenannte freiwillige Ausreise bei Personen, die in Deutschland schwere Straftaten verüben wollen, kaum greifen wird. Jedoch plädieren wir dafür, nicht Regelungen für alle Asylsuchenden zu verschärfen, weil ein sehr kleiner Teil straffällig wird.

Ebenso wird die vorrangige und zügige Bearbeitung ausländerrechtlicher Verfahren von gewaltbereiten Islamisten, Gefährdern und religiös motivierten Straftätern gefordert. Hier bleibt leider unklar, was genau gemeint ist. Für die Bearbeitung der Asylverfahren fehlt die Landeskompetenz, dafür ist das Bundesamt für Asyl und Flüchtlinge (BAMF) allein zuständig.

Möglicherweise ist jedoch die Bearbeitung asyl- und ausländerrechtlicher Verfahren an den Verwaltungsgerichten gemeint. Die zahlreichen Änderungen im Bundesrecht sowie die veränderte Praxis des BAMF bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft haben zu einer Erhöhung der asylrechtlichen Verfahren auch an den Brandenburger Gerichten geführt. Gleichwohl ist die durchschnittlicher Verfahrensdauer nicht gestiegen sondern konnte teilweise sogar gesenkt werden. Die Landesregierung hat durch die neu gestaltete Gerichtszuständigkeitsverordnung dahingehend nachgesteuert, dass eine Spezialisierung der Gerichte auf bestimmte Herkunftsländer ermöglicht wird. Dies soll die Einarbeitungszeit in einzelne Fälle verringern.

Eine Priorisierung nach Gewaltbereitschaft, Einordnung als “Gefährder” bzw. religiös motivierten Straftätern scheint verfassungsrechtlich bedenklich. Vor dem Gesetz sind alle gleich und es gilt die Unschuldsvermutung. Eine Priorisierung von Gerichtsverfahren, die diese beiden Grundsätze verletzt, ist abzulehnen. Gleichzeitig ist darauf hinzuweisen, dass die Verfahrensdauern im Ausländerrecht bereits jetzt, vor allem wegen des hohen Anteils an Eilverfahren, im Vergleich zu vielen anderen Rechtsgebieten geringer sind.

Die CDU verzichtet in ihrem Antrag natürlich auch nicht auf die Forderung nach der Ausweitung der Regelung zu sogenannten sicheren Herkunftsstaaten auf weitere Länder. Diese Forderung ist bereits mehrmals durch den Landtag abgelehnt worden. Die Argumentation aus den vorangegangenen Debatten hat sich dabei nicht geändert: Ein Land wird nicht dadurch sicher, dass Deutschland dies beschließt. Das Konstrukt der “sicheren Herkunftsstaaten” höhlt das Asylrecht aus und hat nur den Zweck, den Asylantrag der Betroffenen möglichst leicht und ohne vertiefte Prüfung ablehnen zu können und obendrein deren Rechtsschutz einzuschränken. Dies soll zur Senkung der Flüchtlingszahlen aus diesen Ländern führen, verkennt jedoch, dass Menschen, die aus Angst um ihr Leben, vor Folter und Krieg flüchten, sich durch eine solche Regelung sicher nicht davon abhalten lassen, ihre Heimat zu verlassen. Zum Nachlesen der grundlegenden Auseinandersetzung mit dem Konzept der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten verweisen wir hier aus Platzgründen auf folgenden Text von Andrea Johlige.

 

Andrea Johlige ist Mitglied des Landtags Brandenburg und in der Fraktion DIE LINKE zuständig für Asyl- und Flüchtlingspolitik

Andreas Büttner ist Polizeibeamter in Berlin und Sprecher des AK LINKE Polizist*innen Berlin/Brandenburg

 

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