Gedenkveranstaltung anlässlich des Gedenktags der Opfer des Nationalsozialismus in Premnitz

Gedenkveranstaltung anlässlich des Gedenktags der Opfer des Nationalsozialismus in Premnitz

Heute fand in Premnitz am Mahnmal für die Opfer des Faschismus eine Gedenkveranstaltung anlässlich des Gedenktags der Opfer des Nationalsozialismus statt.

Ich durfte die Gedenkrede halten und dokumentiere diese hier:

„Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrationslager Auschwitz von der Roten Armee befreit.

Was die Soldaten der Roten Armee dort erlebt haben, ist kaum in Worte zu fassen.

Der Rotarmist Nikolai Politanow beschreibt es wie folgt: „Ratlos standen unzählige Elendsgestalten mit eingefallenen Gesichtern und kahlen Köpfen draußen vor den Baracken. Sie wussten nicht, dass wir kommen. Die Überraschung darüber ließ viele in Ohnmacht fallen. Ein Bild, das jeden schwach werden lässt, der es sieht. Das Elend war entsetzlich.“

Nach dem Ende des Nationalsozialismus wusste man: sechs Millionen Jüdinnen und Juden, darunter eine Million Kinder, wurden ermordet. Ermordet von einer Horde Verbrecher, die es geschafft hatten, an die Macht zu kommen in Deutschland und die überall in diesem Land ihre willigen Helferinnen und Helfer hatten.

Ein Vergeben wird es niemals geben. Ein Vergessen darf es niemals geben. Der Schwur von Buchenwald gilt heute immer noch: „Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht. Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden und ihren Angehörigen schuldig“

Heute – 75 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, 75 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges, stehen wir hier und fühlen uns verpflichtet erneut auch den Schutz jüdischen Lebens zu thematisieren.

Dass wir überhaupt jüdisches Leben in Deutschland haben ist ein Wunder. Nur wenige Tausend überlebende Menschen jüdischen Glaubens verblieben nach der Shoah in Deutschland. Die Jewish Agency ging davon aus, dass die wenigen jüdischen Gemeinden bald schließen und kein jüdisches Leben in Deutschland mehr möglich sei.

Heute sehen wir, dass jüdisches Leben möglich ist, dass jüdische Gemeinden entstanden sind und entstehen. In Potsdam bauen wir eine jüdische Synagoge. Hier in Brandenburg haben wir ein jüdisches Leben und mit dem Abraham Geiger Kolleg, dem Zacharias Fraenkel College und der School of Jewish Theology auch hohe Bildungseinrichungen. Hier werden Rabbinerinnen und Kantorinnen ausgebildet.

Für dieses Vertrauen nach der Sho’a, was keinesfalls selbstverständlich ist, sind wir allen Jüdinnen und Juden dankbar.

Aber jüdisches Leben ist in Gefahr. Das hat der Anschlag von Halle sehr deutlich gezeigt. Der Täter von Halle konnte nur durch eine Holztür davon abgehalten werden ein Massaker in der jüdischen Synagoge durchzuführen.

Zwei Passanten mussten mit dem Leben dafür zahlen. Wir gedenken ihrer in Erinnerung.

Auch hier in Brandenburg sind jüdische Einrichtungen, sind Jüdinnen und Juden gefährdet.

Wir wissen, dass es in den Jahren 2014 bis 2019 510 antisemitische Straftaten in Brandenburg gegeben hat. Interessant daran ist, dass es insgesamt 505 Straftaten aus dem Bereich politisch motivierte Kriminalität „rechts“ und fünf Straftaten aus dem Bereich politisch motivierte Kriminalität „religiöse Ideologie“ gab.

Man sieht, wo das Problem liegt und wie aktuell der Auftrag aus dem Schwur von Buchenwald ist: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung.“

Deswegen werden wir einerseits Widerspruch und Widerstand leisten, wenn es Menschen in unserer Gesellschaft und leider auch in unseren Parlamenten gibt, die Hass und Hetze predigen, die Ausgrenzung und Spaltung in unsere Gesellschaft bringen wollen – und wir rufen Ihnen zu: rechnen Sie mit unserem Widerspruch und Widerstand. Niemals wieder heißt für uns niemals wieder!

Andererseits werden wir uns für das Leben und die Gesundheit eines jeden Menschen einsetzen, wenn dieses in Gefahr ist.

Wir müssen jedoch traurig zur Kenntnis nehmen, dass die jüdischen Einrichtungen in unserem Land eine besondere Gefährdung haben.

In der vergangenen Woche hat sich der Brandenburger Landtag dazu bekannt, zusätzliche Maßnahmen für den Schutz jüdischer Einrichtungen zu finanzieren. Leider ist das nötig aber es ist auch Verpflichtung, weil wir wollen, dass Jüdinnen und Juden in Brandenburg nicht in Angst leben müssen.

Und so mischt sich unser heutiges Gedenken an die Opfer des Holocaust mit der Sorge um die Jüdinnen und Juden in Brandenburg, in Deutschland und Europa.

Wir wissen: Die Erinnerung an die Opfer dieses singulären Menschheitsverbrechens ist heute wichtiger denn je. Und deshalb danke ich Ihnen allen, dass Sie heute gekommen sind, um gemeinsam einige Minuten innezuhalten und die Erinnerung wach zu halten.“