Interview mit der Lausitzer Rundschau zu aktuellen Streitfragen in der Flüchtlingspolitik in Brandenburg

Interview mit der Lausitzer Rundschau zu aktuellen Streitfragen in der Flüchtlingspolitik in Brandenburg

In der Lausitzer Rundschau erscheint morgen ein Interview mit mir zu aktuellen Streitfragen in der Flüchtlingspolitik in Brandenburg. Den Text dokumentiere ich hier. Das Interview führte Benjamin Lassiwe.

Zum Original-Interview geht es hier.

 

„Schröter gefährdert die Koalition“

Wenn es um Flüchtlinge geht, prescht Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter gern einmal vor. Das ist gefährlich, sagt die Flüchtlingsexpertin der Linken, Andrea Johlige. Benjamin Lassiwe hat mit ihr gesprochen.

Frau Johlige, wie geht es Ihnen als Flüchtlingspolitikerin der Linken mit Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD)?

Es ist nicht einfach. In der Flüchtlingspolitik erleben wir regelmäßig, dass Minister Schröter Dinge in die Welt hinausposaunt, ohne vorher mit dem Koalitionspartner zu reden. Das macht unsere Arbeit nicht einfach.

Von Schröter kam zuletzt der Vorschlag, dass Flüchtlinge zwei Jahre in der Erstaufnahme bleiben sollen….

Das wird so nicht kommen. Karl-Heinz Schröter will ja, dass Menschen mit schlechter Bleibeperspektive von so einer Regelung betroffen sind. Das betrifft also alle, die aus Ländern stammen, bei denen die Anerkennungsquote unter 50 % ist – aber was ist, wenn die Quote bei 49 % ist? Dann würde trotzdem noch fast jeder zweite aus so einem Land anerkannt werden. Und auch bei Flüchtlingen aus Ländern mit schlechter Anerkennungsquote gibt es für ein Drittel immer noch Gründe, in Deutschland zu bleiben: Sei es, weil in ihrem Heimatland Krieg herrscht, sei es, weil sie gesundheitliche Gründe für einen Aufenthalt ins Feld führen können. Bei all diesen Menschen hätten wir dann zwei Jahre verloren: Zwei Jahre ohne Ausbildung, zwei Jahre ohne Integration. Unser Problem ist Schröters Fixierung auf das Thema Abschiebung, obwohl die größere Herausforderung die Integration ist.

Dafür schiebt Brandenburg nach Afghanistan ab.

Abschiebungen sind immer nur die „ultima ratio“, und nach Afghanistan schon einmal gar nicht. Noch sind aber die Kommunen für Abschiebungen verantwortlich. Der Minister könnte aber solche Abschiebungen verhindern, wenn es in Brandenburg einen Ministervorbehalt bei Abschiebungen in bestimmte Länder gäbe. Bei diesem Thema blockiert uns aber leider die SPD.

Was müsste Schröter denn ändern?

Karl-Heinz Schröter müsste als allererstes seinen Politikstil ändern, und zwar dringend. Im Moment versucht er, das Thema Abschiebungen im Innenministerium zu konzentrieren. Das hatte jetzt zweimal angekündigt, ohne dass er irgendein konkretes Konzept vorgelegt hätte. In den acht Wochen, seitdem er das zum ersten Mal angekündigt hatte, hat er nicht einmal mit den Linken darüber gesprochen. Und es ist doch ganz klar: Wenn es darum geht,  dass alle Akten von allen Flüchtlingen im Land an einem anonymen Schreibtisch in Potsdam konzentriert werden, wo dann entschieden wird, wer gehen muss, werden wir das nicht mitmachen. Mein Eindruck ist, dass sich Schröter in der Öffentlichkeit als starker Mann präsentiert und dabei übersieht, dass er dadurch den Rechtspopulisten in die Hände spielt und die Koalition gefährdet.

Was müsste denn aus ihrer Sicht beim Thema Integration passieren?

Wir müssen vor allem dringend über die gelingenden, guten Beispiele reden. Nehmen Sie den Landkreis Havelland, der übrigens von einem CDU-Landrat regiert wird. Dort gibt es 20 Frauen, die gerade ihren Hauptschulabschluss machen. Anschließend erhalten sie eine einjährige Ausbildung zur Pflegehelferin. Von da aus können Sie in fünf Jahren Pflegefachkraft werden – also einen Beruf ergreifen, den wir in Brandenburg sehr dringend brauchen. Gleichzeitig verbessern die Frauen auf diese Weise ihre Chancen, in Deutschland bleiben zu können. Statt einigen auf Abschiebung fixierten SPD-Landräten zu folgen, sollte sich Schröter lieber ein Beispiel am Havelland nehmen.