Meine Rede zum bundesweit ersten Parité-Gesetz

Meine Rede zum bundesweit ersten Parité-Gesetz

Heute hat der Brandenburger Landtag mit den Stimmen von LINKE, SPD und Grünen das bundesweit erste Parité-Gesetz beschlossen. Demnach werden künftig bei Landtagswahlen alle Parteien paritätisch besetzte Landeslisten einreichen müssen. Zur Beschlussempfehlung, die heute zur Debatte stand, geht es hier.

Meine Rede ist bei YouTube hier anzuschauen.

Das Skript ist hier nachzulesen:

„Das unwürdige Schauspiel auf Bundesebene um die Streichung des §219a führt uns vor Augen, was passiert, wenn 70% Männer über das Leben und die Belange von Frauen entscheiden. Es steht zu befürchten, dass auch weiterhin die Information über Schwangerschaftsabbrüche durch Ärztinnen und Ärzte nicht rechtssicher geregelt ist. Frauen werden, so lange die §§218 und folgende existieren, im deutschen Rechtssystem nicht vollständig als mündige Wesen anerkannt. Und allein dieses Beispiel zeigt, weshalb wir eine gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen in den Parlamenten brauchen. 50% der Bevölkerung müssen auch durch 50% der Abgeordneten repräsentiert sein.

Es regt sich was in Deutschland: Die Debatte um paritätische Teilhabe von Frauen in den Parlamenten hat nicht nur in Brandenburg an Fahrt aufgenommen. Auf Bundesebene wird die Debatte ebenso leidenschaftlich geführt wie in einigen Bundesländern und in Berlin wurde gerade eine Bundesratsinitiative dazu angekündigt.

Und obwohl seit Jahren die Forderung, es Frankreich gleich zu tun und per Gesetz für eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen zu sorgen, immer lauter wird, hat sich bisher kein Parlament getraut, dies auch umzusetzen.

Nun traut sich eines und so werden wir heute das erste Paritégesetz Deutschlands auf den Weg bringen. Es macht mich stolz und es zeigt, dass Vernetzung und gemeinsame Arbeit von Frauen über Parteigrenzen hinweg progressive Mehrheiten erzeugen kann.

Nun ist das natürlich nicht unumstritten. Die AfD wettert und zetert. Aber das hatten wir erwartet.. Und von der CDU haben wir gehört, dass nun gar eine Staatskrise droht. Und als klar wurde, dass wir es ernst meinen und dieses Gesetz auf den Weg bringen, wurde – nachdem sich die CDU aus der Debatte monatelang weitgehend heraus gehalten hat – noch schnell ein Gesetzentwurf zusammengezimmert, der eine Alternative zu einer verpflichtenden Quotierung von Listen sein soll.

Da lesen wir, Listen für die Landtags- und Kommunalwahl „sollen nach Möglichkeit Frauen und Männer gleichermaßen berücksichtigen“. Meine Damen und Herren von der CDU, dieser Gesetzentwurf würde rein gar nichts bringen. Dass in diesem Land Gleichberechtigung herrscht ist seit der Verabschiedung des Grundgesetzes klar und sollte mittlerweile auch bei der CDU angekommen sein. Gebracht hat es uns, dass es kein Parlament in diesem Land gibt, das je eine gleiche Anzahl von Frauen und Männern gesehen hat. Und angesichts eines sogar sinkenden Frauenanteils im Deutschen Bundestag wird ein „sollen nach Möglichkeit“ gerade in Ihrer Partei kein Umdenken erzeugen. Und deshalb reicht genau das nicht und deshalb brauchen wir verpflichtende Regelungen. Wegen der weiteren enthaltenen Regelungen werden wir jedoch einer Überweisung in den Ausschuss zustimmen.

Wir haben uns im Gesetzgebungsverfahren intensiv mit den verfassungsrechtlichen Hürden auseinandergesetzt.

Da ist einerseits die Frage nach dem Eingriff in die Wahlrechtsfreiheit. Es gibt bereits diverse Einschränkungen der Wahlrechtsfreiheit, bspw. durch die Festlegung eines Mindestwahlalters. Dabei werden Personen daran gehindert überhaupt zu kandidieren. Das ist im Vergleich zu einer Paritätsregelung ein sehr viel stärkerer Eingriff. Bei einer Festlegung quotiert zu besetzender Landeslisten wird lediglich die Freiheit, sich für jeden Listenplatz bewerben zu können, eingeschränkt. Es wird aber niemand daran gehindert, überhaupt zu kandidieren.

Ein zweiter Einwand war, dies verletzte das Parteienprivileg. Wir haben in der Anhörung dazu verschiedene juristische Bewertungen gehört. Im Kern geht es um eine Abwägung verfassungsrechtlicher Grundsätze: Das Gleichstellungsgebot des Grundgesetzes versus das Parteienprivileg. In der Anhörung vertraten einige Verfassungsrechtlerinnen die Auffassung, dass das Gleichberechtigungsgebot der Verfassung ein Handeln des Gesetzgebers dann erfordert bzw. zumindest rechtfertigt, wenn der Frauenanteil in Parlamenten dauerhaft deutlich unter 50% und aktuell mit 31% im Deutschen Bundestag sogar rückläufig ist.

Durch Art. 12 Abs. 3 S. 2 LV Bbg wird die Verpflichtung ausgesprochen, für die Gleichstellung von Frau und Mann in Beruf und im öffentlichen Leben durch wirksame Maßnahmen zu sorgen. Aus unserer Sicht ist das vorliegende Parité-Gesetz eine solche wirksame Maßnahme für Gleichstellung im öffentlichen Leben zu sorgen.

Dieses Gesetz ist ein wichtiger Schritt. In den Kommentaren wurde er teilweise als historisch benannt. Und vielleicht wird ja tatsächlich in den Feierstunden zu 200 Jahren Frauenwahlrecht auch auf 100 Jahre Parité-Regelungen in Deutschland zurückgeblickt und darauf hingewiesen, dass der Brandenburger Landtag es war, der die erste Parité-Regelung in Deutschland beschlossen hat. Heute können wir uns kaum noch vorstellen, dass es tatsächlich eine Zeit gab, wo Frauen das Wahlrecht vorenthalten wurde. Und ich hoffe, in 100 Jahren ist es genauso und niemand kann sich mehr vorstellen, dass es tatsächlich Parlamente gab, in denen nur 30% Frauen saßen.“