Wie hältst du es mit..? Koalition ja oder nein? Mitgliederentscheid - meine Position

Wie hältst du es mit..? Koalition ja oder nein? Mitgliederentscheid – meine Position

Gestern Abend kam ich nach der Basiskonferenz Süd in Lauchhammer abends spät nach Hause und fand im Briefkasten meine Unterlagen für den Mitgliederentscheid. Keine Frage, sie wurden natürlich sofort ausgefüllt und korrekt eingetütet.

Da sich heute bei Eingang der ersten Briefe in der Landesgeschäftsstelle gezeigt hat, dass nicht alle GenossInnen die Unterlagen korrekt zurück gesandt haben, hier nochmal als Einschub die genaue Anleitung:

1. Stimmzettel ausfüllen. (Jeder bitte nur ein Kreuz! 😉 )

2. ausgefüllten Stimmzettel in den kleinen weißen unbeschrifteten Umschlag stecken und diesen zukleben.

3. Versicherung an Eides statt ausfüllen

4. Versicherung an Eides statt und den Umschlag mit dem Stimmzettel in den Rücksendeumschlag stecken und diesen zukleben.

5. Rücksendeumschlag in einen Briefkasten stecken oder bei der Geschäftsstelle vor Ort abgeben.

 

Nun aber zu mir. Vorab: Ich habe mit Ja gestimmt. Dies vor allem aus folgenden Gründen:

Zuerst: Der Koalitionsvertrag hat insgesamt eine deutliche linke Handschrift.

  1. Bildung ist Priorität. Neben der weiteren Verbesserung des Betreuungsschlüssels an Kitas, 4300 neuen LehrerInnen (davon 700 zusätzlich!), mehr SchulsozialarbeiterInnen (Erhöhung von 510 auf 610 Stellen), der Einführung der Berufsausbildung mit Abitur, dem Ausbau der Ganztagsbetreuung und einigem mehr, wird mit diesem Koalitionsvertrag vor allem aber auch der Einstieg in die Gemeinschaftsschule auf freiwilliger Basis möglich! Gemeinsames Lernen von der 1. Klasse bis zum Abitur ist eines der Grundanliegen linker Bildungspolitik. Und nun wird es in Brandenburg möglich!
  2. Die gesundheitliche Versorgung in allem Regionen wird gesichert und durch Investitionen in Höhe von 400 Millionen Euro in die Krankenhäuser, die Stärkung von Telemedizin, die Erhöhung der Förderung der „Netzwerke gesunde Kinder“ und die flächendeckende Einführung der Gemeindeschwester AGNES vor allem in strukturschwachen Regionen verbessert.
  3. Die Sportförderung wird erhöht und auch die Musik- und Kunstschulen erhalten deutlich mehr Geld für ihre wichtige Arbeit in der musischen und künstlerischen Bildung aller Bevölkerungsschichten. Die Teilhabe von menschen mit Behinderungen wird verbessert und das Landespflegegeld um 30% erhöht.
  4. Die Wirtschaftsförderung wird noch stärker an soziale Kriterien gebunden und der Mindestlohn bei öffentlichen Vergaben erhöht.
  5. Im Flüchtlingsbereich stehen die Abschaffung der Residenzpflicht, des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Flughafenasyls als auf Bundesebene zu thematisierende Fragen im Koalitionsvertrag. Auf Landesebene wird ein Landesintegrationskonzeot erarbeitet und es wird dafür gesorgt, dass die Kinder sehr viel schneller ins Bildungssystem integriert werden.
  6. Spekulation mit Boden soll mit allem Mitteln bekämpft werden, Gentechnikreiheit und Ablehnung von Biopatenten werden ebenso Regierungspolitik wie das Eintreten für eine regionalverträgliche, tierartgerechte und bodengebundene Tierhaltung.
  7. CCS und Fracking werden abgelehnt und der Ausbau erneuerbarer Energien forciert.

Das sind „meine“ Highlights. Es gibt viele weitere aber ich will es hier auch nicht zu lang machen! (125 Gründe für weitere 5 Jahre rot-rot hat Peer Jürgens zusammengestellt. Wer also mehr wissen will, kann hier nochmal gucken!)

 

Dennoch stellt sich natürlich auch die Frage, wo wir uns nicht durchsetzen konnten.

Diese Punkte gibt es natürlich – beim Verfassungsschutz, bei der Energiepolitik, im Hochschulbereich – dies sind die wohl derzeit am meisten diskutierten Punkte. Am Ende stellt sich die Frage:

Gelingt es mit diesem Vertrag, das Land demokratischer, ökologischer und sozialer zu machen? Ich kann diese Frage klar mit Ja beantworten. Klar ist aber auch: Es kommt darauf an, was wir daraus machen. Die Gestaltungsoptionen sind da. Nun kommt es darauf an, all dies umzusetzen. Das wird eine riesige Aufgabe, nicht nur für die Landtagsfraktion und den Landesvorstand sondern für den gesamten Landesverband!

Es stellt sich aber auch die Frage nach der Alternative. Wir haben im Wahlkampf gesagt, und dazu stehe ich: Wir wollen das Land nicht den Konservativen überlassen. Gerade angesichts unserer Verluste bei der Landtagswahl müssen wir uns aber fragen, ob dies gut für die Partei ist. Das kann man natürlich reflexartig mit Nein beantworten. Ich glaube aber das stimmt nicht. Einerseits ist eine „Regeneration in Opposition“ durchaus nicht gesichert, gerade nicht in einer Situation, wo bei allen Landtagswahlen im Herbst (also Sachsen, Thüringen und Brandenburg) der Block rechts der SPD gestärkt wurde. Andererseits glaube ich, dass unsere Wahlniederlage eher wenig mit der politischen Bilanz der LINKEN in der letzten Wahlperiode zu tun hat. Die Bilanz war insgesamt in Ordnung, wir sind allerdings in die Glaubwürdigkeitsfalle gelaufen, und dies gleich an mehreren Stellen:

  1. Bei vielen vor allem regional relevanten Konflikten – Lausitzuni, Altanschließer, Windräder… – haben wir die Erwartungen unserer Wählerschaft aus diversen Gründen nicht erfüllt und tw. auch nciht erfüllen können. Da diese konflikte aber mitten in der Lebenswirklichkeit der Menschen stattfinden, haben wir hier einerseits an Glaubwürdigkeit andererseits aber auch an Gebrauchswert verloren.
  2. Auch Diskussionen um unser Personal haben sich im Bewusstsein der BürgerInnen festgesetzt. Wir haben den Eindruck gemacht, auch nicht anders als andere Parteien zu sein und damit WählerInnen enttäuscht und auch hier an Glaubwürdigkeit verloren.
  3. Die Diskussion um die Braunkohle hat sicher auch durch direkte Entscheidungen Stimmen gekostet. Vor allem aber die von Greenpeace angestoßene bundesweite mediale Diskussion um unsere Glaubwürdigkeit in dieser Frage hat uns geschadet. Hier haben wir massiv an Glaubwürdigkeit verloren.

Und: Wir haben nicht die Herzen der Menschen erreicht. Politische Meinungsbildung und das Wahlverhalten folgen bei der Mehrheit der Bevölkerung nicht rationalen Kriterien. Auch Stimmungen, Images und Gefühle spielen eine Rolle. Wir waren im Wahlkampf auf der rationalen Ebene unterwegs. Die emotionale haben wir nicht bedient, nicht in der Themensetzung und auch nicht in der Kommunikation. Die bestimmenden Themen waren neben Bildung vor allem Sicherheit und Flüchtlingspolitik. Hier haben wir nicht den richtigen Ton getroffen. Vielleicht konnten wir das zumindest bei den beiden letzteren auch gar nicht, weil wir hier eher gesellschaftliche Minderheitenpositionen besetzen.

Es gab natürlich weitere Gründe für unsere Wahlniederlage, aus meiner Sicht sind dies aber die Gründe, die am stärksten gewirkt haben. Wenn diese Analyse aber stimmt, ist nciht gesichert, dass dieses verlorene Vertrauen egal in welcher Konstellation zurückgewonnen werden kann. Ich glaube aber, dass dies eher durch konsequentes Regierungshandeln gelingt als durch parlamentarische Opposition. Ich weiß, viele werden das anders sehen und das funktioniert auch nur, wenn es uns gelingt, Fehler nicht zu wiederholen. Dennoch bin ich der festen Überzeugung, dass Regierungshandeln, das konsequent auf die Lebenswirklichkeit der BürgerInnen ausgerichtet ist und wo wir selbst den Dialog mit den zivilgesellschaftlichen Akteuren deutlich intensiver als bisher pflegen, eher geeignet ist, für unsere WählerInnen an Gebrauchswert zu gewinnen als dies in parlamentarischer Opposition möglich ist.
Dafür braucht es aber deutlicher Veränderungen unseres politischen Handelns und unserer politischen Kommunikation, nicht nur in der Regierungs- und Fraktionsarbeit. Wir haben als Gesamtpartei an Vertrauen verloren und das können wir nur gemeinsam zurück gewinnen. Als Stichworte seien genannt: stärkere fachpolitische Vernetzung innerhalb der LINKEN und mit Vereinen, Verbänden und Initiativen, stärkere Verankerung im gesellschaftlichen Dialog und Verbesserung der Zusammenarbeit mit außerparlamentarischen AkteurInnen, schnelleres Aufnehmen regionaler Konflikte und abgestimmtes Handeln der AkteurInnen vor Ort und auf Landesebene, stärkere Verankerung vor Ort (bei Rückgang der Mitgliedschaft), klarere und strategisch geleitete Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit mit einfacherer Sprache, Verbesserung des Krisenmanagements. Diese Punkte müssen wir sehr schnell bearbeiten. Wenn uns hier keine Verbesserung gelingt, kann eine zweite rot-rote Regierung für die Partei auch schaden. Aber: Um diese Punkte würden wir aber bei einer Opposition nicht drumrum kommen. Egal, was beim Mitgliederentscheid raus kommt: Wir müssen an uns arbeiten und uns als Landespartei neu aufstellen. Menches wird schnell zu machen sein, anderes jahrelang dauern. Aber tun müssen wir es, gemeinsam und solidarisch.

Ich bin dafür, dass wir unseren Gestaltungsanspruch für dieses Land auch im Regierungshandeln nicht aufgeben. Deshalb habe ich mit Ja gestimmt.