Nachlese zur Kreistagssitzung - Was da sonst noch so war

Nachlese zur Kreistagssitzung – Was da sonst noch so war

Ich habe ja bereits am Montag einen ausführlichen Bericht zum Tagesordnungspunkt „Solidarisch mit Hilfe suchenden Menschen – Entschlossen gegen Rassismus geschrieben. Dort hatte ich angekündigt, dass es noch mehr Berichtenswertes von der Kreistagssitzung gibt. Dies sei hier nun nachgeholt.

Weitgehend einhellig beschloss der Kreistag diverse Vergaben, den Jugendförderplan, die Berufung der Gleichstellungsbeauftragten und den Abschluss einer Partnerschaft mit dem Landkreis Siegen-Wittgenstein. Auch die Bauleistungsvergaben zur Errichtung von Asylbewerberunterkünften in Nauen und Falkensee waren bis auf die Gegenstimmen der Kreistagsmitglieder der NPD unstrittig. Hier mussten wir die erste Rede von Michel Müller über uns ergehen lassen, die vor Ressentiments und bewussten Falschinterpretationen nur so strotzte.

In der Folge beschloss der Kreistag auf Antrag von SPD, CDU, Grünen, FDP, Bauern und AfD die erneute Überprüfung der Mitglieder des Kreistages auf Mitarbeit beim MfS. Als LINKE haben wir den Antrag nicht mit eingebracht, weil wir keine Anträge mit der AfD einbringen, weil wir nach wie vor für eine differenzierte Auseinandersetzungen mit Biografien stehen und das gewählte Verfahren wie bereits vor fünf Jahren für problematisch halten und auch weil wir finden, dass es Wichtigeres zu tun gibt. Gleichwohl haben wir wie bereits vor fünf Jahren zugestimmt, auch um zu verhindern, dass es eine wenig zielführende Debatte über unser Stimmverhalten dazu gibt.

Es folgte die bereits erwähnte Debatte zum Tagesordnungspunkt „Solidarisch mit Hilfe suchenden Menschen – Entschlossen gegen Rassismus, hierzu ist im verlinkten Blogbeitrag alles gesgagt.

Es gab dann aber noch zwei Tagesordnungpunkte, und die hatten es in sich.

Zur Abstimmung stand unser Antrag zu TTIP und CETA. Diesen dokumentiere ich unten. Der Antrag hatte eine Vorgeschichte. Einen ähnlichen Antrag hatten wir bereits im Mai 2014 in den Kreistag eingebracht. Nachdem es uns in dieser letzten Kreistagssitzung der alten Wahlperiode gelang, dass unser Antrag zum Freihandelsabkommen TTIP, nicht wie sonst üblich, gleich abgelehnt wurde, sondern in diesem Fall in die Ausschüsse überwiesen wurde, haben wir uns diesem Thema als einem der ersten in dieser Wahlperiode, stärker gewidmet. In den Ausschussberatungen erklärte die Verwaltung, man könne das gar nicht beschließen, es gäbe ja kaum Informationen über das Abkommen und die Folgen für die Kommunen. Also luden wir zu einer Veranstaltung zum Thema mit dem Europaparlamentarier ein. Alle Fraktionen und die Kreisverwaltung bekamen eine Einladung. Nun, auf einmal war der Informationsbedarf der anderen Fraktionen und der Verwaltung nicht mehr so groß, es kam lediglich der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Felix Doepner. In der folgenden Beratung des Kreisausschusses wurde der Antrag denn auch getötet. Da wir aber wollten, dass alle Kreistagsabgeordneten sich dazu positionieren müssen, gerade wegen der negativen Auswirkungen des Abkommens auf die kommunale Selbstverwaltung und die kommunale Daseinsvorsorge, brachten wir einen überarbeiteten Antrag erneut ein.

In der Debatte begründete Tobias Bank für meine Fraktion ausführlich den Antrag. Der Fraktionsvorsitzende der CDU erklärte, man sei nicht zuständig und es wäre gut, wenn jemand aus dem Kreistag einen Antrag auf Nichtbefassung stelle, weil er ja schon dazu geredet habe, könne er das nicht selbst tun. Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Rocco Buchta, erklärte wortreich, weshalb die SPD den Antrag ablehnen würde. In weiten Teilen seiner Rede hatte man zwar den Eindruck, dass er von dem Vorum selbst nicht überzeugt ist, aber wenn Ablehnung befohlen ist, dann muss das schon so sein. Überrascht hat mich der Kollege der FDP, der erklärte, er sehe das anders und würde dem Antrag zustimmen. Als dann noch der Landrat mitteilte, er würde sich enthalten, wurde die CDU nervös und beantragte ohne Abstimmung zum nächsten Tagesordnungspunkt überzugehen. Der Antrag wurde angenommen und so verhinderten sie die durch uns beantragte namentliche Abstimmung und damit ein Bekenntnis jedes einzelnen Abgeordneten. Tricky, aber auch feige. Und ein weiteres Beispiel, wie mit allen Mitteln verhindert wird, dass einer unserer Anträge auch nur den Hauch einer Chance im Kreistag hat.

Wir haben dann unsere Scahen gepackt und sind gegangen. Auf der Tagesordnung stand nur noch ein Antrag, in dem beantragt wurde, dass anlässlich des 25. Dienstjubiläums des Landrats an seinem 65. Geburtstag ein 3000 Euro teurer Empfang stattfindet. Wir lehnen dies ab, weil wir finden, dass eine Geburtstagsparty keine kreisliche Aufgabe ist, und werden den Landrat auffordern, diesen Beschluss zu beanstanden. Immerhin fühlte er sich für eine Geburtstagsparty des Landrats zuständig, für das Freihandelsabkommen, dass massive Einschnitte in die kommunale Daseinsvorsorge haben wird, allerdings nicht. Nun, auch hier sieht man mal wieder, wie verschroben dieser Kreistag ist…

 

 

Hier sei doch der Antrag zum Freihandelsabkommen dokumentiert:

Der Kreistag möge beschließen:

Das derzeit von der EU-Kommission hinter verschlossenen Türen mit den USA verhandelte Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) sowie das Abkommen mit Kanada (CETA) werden nach dem bisherigen Kenntnisstand negative Konsequenzen u.a. für die öffentliche Auftragsvergabe und die kommunale Daseinsvorsorge (Energieversorgung, Bildung, Kultur, Gesundheit, soziale Dienstleistungen, Abwasser- und Müllentsorgung usw.), den Umweltschutz und die Sozialstandards im Landkreis Havelland sowie die Tarife und Arbeitsbedingungen in den kommunalen Gesellschaften und Eigenbetrieben des Landkreises Havelland haben.

CETA und TTIP bedrohen aber nicht nur Standards im Verbraucher- oder Umweltschutz, sondern auch die demokratischen Standards selbst. Ganz grundsätzlich zielen die Abkommen CETA und TTIP darauf ab, durch Investitionsschutzbestimmungen die Entscheidungsfreiheit demokratisch gewählter Parlamente einzuschränken. Durch nicht öffentlich tagende, nicht demokratisch legitimierte Schiedsgerichte könnten Konzerne nach CETA und TTIP Staaten der EU auf Milliardenzahlungen wegen entgangener Gewinne verklagen. Aber nicht nur das: Wenn nationale oder europäische Gesetze und Verordnungen mit dem Abkommen nicht übereinstimmen, würden sie ihre Investitionsvorhaben auch dann durchsetzen können, wenn sie gegen bestehendes nationales Recht, nationale Umweltstandards, nationale öffentliche Daseinsvorsorge verstoßen. Rechtsmittel auf dem ordentlichen Rechtsweg würden nicht zulässig sein.

Der Kreistag Havelland fordert deshalb mehr Transparenz bei den Verhandlungen um das TTIP und CETA und lehnt eine wie im TTIP und CETA angedachte Liberalisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge ab.

Der Kreistag Havelland fordert den Städte- und Gemeindebund sowie den Landkreistag e.V. Brandenburg auf, ‎sich für mehr Transparenz beim Verfahren um das TTIP einzusetzen, sich gegen eine weitere Liberalisierung der kommunalen Daseinsvorsorge durch das TTIP und das CETA bei der Bundesregierung und der Europäischen Kommission stark zu machen und die Möglichkeit einer Art Kommunalbeirat für das Verfahren um TTIP und CETA vorzuschlagen.

Begründung:

Obwohl geheim über das TTIP sowie das CETA verhandelt wird, kursiert ein Dokument, in dem Art und Umfang dieser umfassenden Handels- und Investitionsabkommen festgehalten ist. Daraus geht hervor, dass auch kommunal-relevante Handlungsbereiche, wie etwa das öffentliche Auftragswesen oder Dienstleistungen der Daseinsvorsorge von den Abkommens-Regelungen (negativ) betroffen sein sollen. Dies hat zu bereits heftigen Reaktionen, zu Protesten und intensiven Diskussionen in Parlamenten, Parteien, Vereinen und Verbänden geführt.

Die Fraktionen im Kreistag Havelland sind nach umfassender Information und Debatte in den Fachausschüssen beunruhigt vor allem über die Intransparenz des Verhandlungsprozesses und die bisher gekannt gewordenen Regelungen, die öffentliche Daseinsvorsorge betreffend.