Bürgerpost zum Paritégesetz – Von der Freizeit von Frauen und DDR-Fixierung

Bürgerpost zum Paritégesetz – Von der Freizeit von Frauen und DDR-Fixierung

Eine neue Kategorie im Blog: „Bürgerpost“. Mich erreichen immer wieder Zuschriften zu dem was ich tue und sage. Lob ist selten, Kritik häufig, Hetze und Drohungen regelmäßig dabei. Manchmal macht es Spaß zu antworten, manchmal würde ich am liebsten den Rechner aus dem Fenster werfen und manchmal enthalten die Zuschriften auch Drohungen und Beleidigungen. Hier geht es nicht um Vollständigkeit sondern um einen kleinen Einblick, deshalb gibt es hier auch nur die „Highlights“, im negativen wie im positiven Sinne.

 

Am 31.1.2019 wurde im Landtag Brandenburg das erste Paritégesetz Deutschlands beschlossen. Ich habe in der Debatte dazu gesprochen und am Abend erreichten mich einige Zuschriften. Diese hier ist die originellste:

Sehr „geehrte“ Damen und Herren!

Kaum ist die DDR überstanden, fängt eine neue DDR an. Diese Frauen führen  die DDR wieder ein, gratuliere! Die brauchen das!

Wenn in einer Partei nur 30 Prozent der Mitglieder Frauen sind, können keine 50  Prozent im Bundestag/im Vorstand sitzen!!! Alles andere ist diskriminierend für Männer in den Parteien !!! Wann kapieren das mal die Genossen??? 

Es mangelt überall mit der Logik. 

Lassen SIE doch die Frauen selbst entscheiden, was sie in ihrer Freizeit machen wollen! Es gibt für Frauen auch sinnvollere Beschäftigungen. In versch. Vereinen, Sozial, Kulturell, Familiär, im Sport, im erlernten Beruf oder einfach  nur chillen.

Die Frauen sind mündig! Oder wollen diese Politiker die Frauen in die Politik zwingen ?

AB

 

Dem Bürger wollte ich unbedingt antworten, hier meine erste Antwort:

Sehr geehrter Herr B,

kaum ist das Patriarchat ein wenig zurück gedrängt, beschweren sich Männer über den Verlust ihrer Privilegien. Diese Männer wollen verhindern, dass Frauen Machtpositionen erreichen. Gratuliere, die brauchen das!

Wenn in einem Land mehr als 50% Frauen leben, können nicht weniger als 50% Frauen im Bundestag sitzen! Alles andere ist diskriminierend für die Frauen im Parlament und vor allem in der Bevölkerung! Wann kapieren das die Männer?

Es mangelt an Logik! 

Lassen Sie doch einfach die Frauen selbst entscheiden, was sie in ihrer Freizeit machen wollen! Es gibt genügend Frauen, die sich der sinnvollen Beschäftigung mit Politik widmen wollen, nur verhindern Strukturen, Rollenzuschreibungen und nicht zuletzt die Parteien und das Wahlsystem selbst ihre gleichberechtigte Teilhabe!

Frauen sind mündig! Oder wollen diese Männer die Frauen weiterhin zwingen, sich statt der Politik in Bereiche wie Vereine, soziales, kulturelles oder familiäres Engagement zurück zu ziehen oder einfach nur zu chillen, weil ihnen leider der Weg in Machtpositionen verwehrt wird?

Viele Grüße
Andrea Johlige

 

Die Antwort von Herrn B folgte wenige Minuten später:

Hallo, gehen Sie in die ehem. DDR zurück, da passen Sie hin! Können Sie lesen? Ich redete  von Parteimitgliedern, falls Sie das kapiert haben.
Wenn in einer Partei nur 30 Prozent der Mitglieder Frauen sind, können keine 50  Prozent im Bundestag/im Vorstand sitzen!!! Alles andere ist diskriminierend für Männer in den Parteien !!! Wann kapieren das mal die Genossen??? 

 

Ich hab es dann noch einmal mit einer Antwort versucht:

Sehr geehrter Herr B,

doch ja, ich glaube ich kann lesen. Schreiben ist mir auch beigebracht worden (nur um dieser Frage vorzubeugen). Parlamente repräsentieren aber nicht Parteien sondern die Bevölkerung. Hab ich im Unterricht Politische Bildung gelernt (und der fand nach der Wende statt, nur vorbeugend, falls da Fragen auftauchen). Und wenn in der Bevölkerung (mehr als) 50% Frauen sind, dann ist es diskriminierend für Frauen in der Bevölkerung. Wann kapieren das die Männer?

Viele Grüße
Andrea Johlige

 

Wiederum wenige Minuten später traf die Antwort ein:

Nein, Parlamente reprästentieren die Abgeordneten der Parteien. Wer sitzt sonst drin?
Ein parteiloser Handwerker, eine parteilose Frisöse? Ein parteiloser Obdachloser? Solche sog. Politiker wie Sie braucht kein Mensch. Im  Westen schon gar nicht!

Sie haben die DDR noch nicht vergessen. VEB FrauenPartei ? Prügeln   Sie die Frauen rein, kontrollieren, bestrafen sie jeden, der nicht Frauen wählt.  Beobachten  Sie, wer um 20 Uhr die Tagesschau im TV sieht. Damit sind Sie groß geworden und nichts dazu gelernt. Typisch DDR Denke und DDR Sprech. Ich dachte, dass das Vergangenheit ist.

 

Ich hab es dann noch mal versucht, aber auf diese Mail gab es dann keine Antwort mehr:

Sehr geehrter Herr B,

ich war 1989 12 Jahre alt. Meine Eltern waren in keiner Partei, die haben beide in der Produktion gearbeitet und mit beigebracht, dass das wichtigste im Leben ist, einen eigenen Kopf zu haben und sich von niemandem vorschreiben zu lassen, was ich zu denken habe. Deshalb empfinde ich ihre Mails auch als beleidigend, vor allem für meinen  Intellekt. Nein, ich habe keine DDR-Denke. Im Gegenteil. Ich bilde mir meine Positionen selbst. Und in diesem Zusammenhang möchte ich Sie dann auf das Grundgesetz hinweisen. In diesem heißt es wörtlich in Artikel 38: (1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

Nun mögen Sie mir unterstellen, ich hätte die Demokratie, in der ich seit fast 30 Jahren leben darf (!), nicht so richtig verstanden. Und dennoch kann ich Ihnen versichern: In Parlamenten soll das Volk repräsentiert werden. Und ja: Parteien nehmen hier einen Auswahl vor. Die mag man gut oder schlecht finden, dennoch bleibt der Anspruch des Grundgesetzes, dass das Volk vertreten wird und eben nicht Parteien. Diese sind faktisch ein Hilfsmittel für die Demokratie, aber mehr auch nicht. Deshalb können Parteien auch ganz aus dem Parlament fliegen, wenn sie das Volk nicht mehr ausreichend repräsentieren. Und zu den Parteilosen:  in meiner Fraktion sitzt bspw. ein parteiloser Umweltschützer…

 

Ich mache seit mehr als 20 Jahren aktiv Politik. Ich habe – selbst in einer Partei, die seit Anfang der 90er Jahre eine strenge Quotierung praktiziert – nur zu oft erlebt, wie fähige Frauen von Männern weggebissen und vertrieben wurden. Frauen, die Politik machen wollten, ohne dass sie dazu gezwungen wurden. Ich habe auch Frauen erlebt, die durch ihre (Ehe-)Männer in eine Rolle gedrängt wurden, die ihnen das Politikmachen unmöglich gemacht hätte (diese sind übrigens allesamt inzwischen nicht mehr mit ihren damaligen Männern zusammen).

Nein, Frauen müssen nicht gezwungen werden, Politik zu machen. Ihr Problem ist vielmehr, dass es gerade in der Politik genügend Männer gibt, die aus Angst davor, dass fähige Frauen ihnen die Jobs streitig machen könnten, alles dafür tun, dass eben diese Frauen aus der Politik herausgedrängt werden. Ein ähnliches Phänomen kann man auch in der Wirtschaft beobachten übrigens.

Das Problem an Quoten mag sein, dass Männer Privilegien abgeben müssen. Ich kann nur sagen: Es gibt viel zu viele unfähige Männer in der Politik, da ist es Zeit für die vielen fähigen Frauen, endlich eine Chance zu bekommen.

Viele Grüße
Andrea Johlige