Rede im Landtag zu besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen

Rede im Landtag zu besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen

Im Plenum des Landtages fand heute eine Debatte zu besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen mit besonderem Blick auf Mädchen, Frauen und Alleinerziehende und lesbische, schwule und trenssexuelle Flüchtlinge statt. Dazu hatte die Fraktion der Grünen einen Antrag eingebracht. Meine Rede dazu ist als Videomitschnitt verfügbar und textlich hier dokumentiert:

„Herr Vizepräsident, meine Damen und Herren,

in den vergangenen Monaten haben wir uns im Land und in den Kommunen vorrangig mit der ausreichenden Schaffung von Plätzen zur menschenwürdigen Unterbringung der zu uns Geflüchteten beschäftigt. Hier haben wir mittlerweile einen guten Stand erreicht. Die Kapazitäten in der Erstaufnahme sind deutlich erweitert und auch die Landkreise und kreisfreien Städte haben bei der Schaffung von Unterbringungsplätzen ganze Arbeit geleistet. Nun ist es Zeit, das Augenmerk stärker auf die Verbesserung der Standards und die Qualität der Unterbringung zu richten. Dies tun wir bereits mit der Novellierung des Landesaufnahmegesetzes, wo wir die sozialpädagogische Betreuung und die Migrationssozialarbeit stärken, die gesundheitliche Versorgung verbessern und die Finanzierung für die Landkreise und kreisfreien Städte verbessern. Ich bin sehr dankbar für den Antrag der Grünen-Fraktion, der unseren Blick auf ein weiteres Feld lenkt, auf dem Handlungsbedarf besteht: den Bereich der besonders schutzbedürftigen Personen.

Zu den besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen zählen vor allem alleinreisen Mädchen und Frauen, Frauen mit Kindern und lesbisch-schwule und transsexuelle Geflüchtete, aber auch Menschen mit Behinderungen, Schwangere, ältere Menschen über 65 und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Mit nicht allen diesen Gruppen beschäftigt sich der Antrag, was ich ein wenig schade finde, weil in den aktuellen Debatte gerade die älteren und Flüchtlinge mit Behinderungen kaum Beachtung finden, obwohl auch bei ihnen besondere Schutzbedarfe bestehen und wir auch hier Handlungsbedarf haben.

Dennoch ist es richtig, dass wir uns intensiv mit der Situation der weiblichen und lesbisch-schwulen und transsexuellen Geflüchteten auseinandersetzen. Nicht selten sind Mädchen und Frauen bereits im Herkunftsland Opfer sexualisierter Diskriminierung und Gewalt geworden; bei vielen sind sexuelle Ausbeutung, häusliche Gewalt, Zwangsehen und Kinderehen, Verstümmelung der Geschlechtsorgane, Vergewaltigungen, sexuelle Nötigung, drohende Folter oder auch Morddrohungen Auslöser der Flucht. Und mangels sicherer Fluchtwege sind sie auch auf ihrem langen Weg nach Europa vor sexuellen Übergriffen nicht sicher gewesen. Und auch die lesbischen, schwulen und transsexuellen Flüchtlinge haben oftmals besondere Gewalterfahrungen im Herkunftsland und auf der Flucht machen müssen. Diese Menschen verdienen unseren besonderen Schutz. Um ihre physischen und psychischen Wunden zu heilen, brauchen sie besondere Betreuungsangebote und vor allem brauchen sie ein sicheres Heim.

Auch angesichts der dringenden Notwendigkeit, allen ankommenden Flüchtlingen in kürzester Zeit eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen, darf der Aspekt des Schutzes insbesondere vor körperlicher und sexualisierter Gewalt in den Unterkünften nicht in den Hintergrund treten. Denn auch hier gilt ohne Ausnahme der Grundsatz, dass jeder Mensch das Recht hat, gewaltfrei zu leben. Gerade große Unterkünfte mit wenig Privatsphäre und ohne ausreichende Rückzugs- und Schutzräume sind wenig geeignet, diesen besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen Sicherheit und ausreichend Ruhe zu geben. Wir wissen, dass es bei vielen Menschen auf engstem Raum zu sozialen Spannungen und in einigen Fällen auch zu Gewalt kommen kann. Deshalb präferieren wir als LINKE auch nach wie vor die vorrangige Unterbringung in kleinen Gemeinschaftsunterkünften bzw. in Wohnungen. Angesichts der aktuellen Situation wird es jedoch kurzfristig weder in der Erstaufnahme noch in den Landkreisen und kreisfreien Städten möglich sein, ausreichend kleine Einheiten zur Verfügung zu stellen. Deshalb ist der Ansatz richtig, eigene Unterkünfte oder zumindest abgeschlossene Einheiten nur für alleinreisende und alleinerziehende Mädchen und Frauen oder auch für lesbische, schwule und transsexuelle Geflüchtete zu schaffen, wie sie beispielsweise Berlin gerade plant.

Dies wird sicher nicht kurzfristig und überall möglich sein, dennoch können wir im ersten Schritt dafür sorgen, dass die Träger der Unterkünfte stärker sensibilisiert und unterstützt werden bei der Schaffung von Rückzugsräumen. Wir können auch die Information über Hilfe- und Unterstützungsangebote verbessern und bereits bestehende Beratungsangebote bspw. für von Gewalt betroffene Frauen und auch Präventions- und Selbsthilfeangebote ausbauen.

Meine Damen und Herren,

wir überweisen diesen Antrag in die Ausschüsse, weil es Handlungsbedarf gibt. Nicht alle Punkte aus dem Antrag werden umsetzbar sein. Dennoch bin ich sicher, dass wir in der gemeinsamen Diskussion Lösungsansätze finden werden, die dem besonderen Schutzbedarf gerecht werden. In diesem Sinne freue ich mich auf die Debatte im Ausschuss.