Rede im Landtag zur Aktuellen Stunde "Angebot an Berlin zur Übernahme von Geflüchteten durch das Land Brandenburg"

Rede im Landtag zur Aktuellen Stunde „Angebot an Berlin zur Übernahme von Geflüchteten durch das Land Brandenburg“

Heute fand im Landtag eine Aktuelle Stunde zur Unterstützung für das Land Berlin durch Brandenburg bei der Unterbringung von Geflüchteten. Dazu lagen ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen und ein Antrag der CDU vor.

Die Rede ist hier dokumentiert:
Anrede,
zuerst möchte ich unseren Blick dahin lenken, wo die Ursachen dafür liegen, dass die Zahl der nach Brandenburg kommenden Geflüchteten rückläufig ist und wir dadurch erst in die Lage kommen, hier darüber zu Reden, Berlin bei der Flüchtlingsunterbringung unter die Arme zu greifen. Und diese Ursachen liegen an den Außengrenzen Europas. Dass aktuell weniger Menschen zu uns kommen hat nichts damit zu tun, dass die weltweiten Fluchtbewegungen zurück gegangen wären. Sondern es hat vor allem damit zu tun, dass die Balkan-Route geschlossen ist und Geflüchteten, die es nach Europa geschafft haben, mit dem fürchterlichen Türkei-Deal die Chance auf ein faires Asylverfahren genommen wird. Die Außenpolitik der Europäischen Union ist eine Verabredung zum Sterben lassen. Und nur, weil auch die Bunderegierung diese Verabredung eingegangen ist, reden wir aktuell über sinkende Flüchtlingszahlen.
Und ich möchte noch etwas voran stellen: Wir erleben gerade eine humanitäre Katastrophe mitten in Europa, die mit genau dieser Politik sehr viel zu tun hat. Deshalb würde ich hier viel lieber darüber reden, wie wir den Tausenden Kindern, Frauen und Männern helfen können, die seit Wochen in Idomeni unter menschenunwürdigen Bedingungen an einer mit Gewalt verteidigten Grenze ausharren müssen, während in fast allen Bundesländern in Deutschland die Erstaufnahmeeinrichtungen zu mindestens der Hälfte leer stehen. Vor dieser Dimension ordnet sich die Debatte, die wir hier führen, noch einmal ganz anders ein.
Wir wissen nicht, wie sich die Zahl derjenigen, die es nach Deutschland schaffen, entwickelt. Das Land und die Kommunen haben im vergangenen Jahr Höchstleistungen bei der Schaffung guter Unterbringungsplätze vollbracht. Die niedrigeren Zugangszahlen versetzen die Kommunen aktuell in die Lage, Notunterkünfte, die nicht den gewünschten Standards entsprechen, abzubauen. Der nächste Schritt wird dann sein, dass die Unterkünfte zurückgefahren werden, die kurzfristig kündbar sind. Das ist übrigens ein Problem, weil das nicht selten die angemieteten Wohnungen sein werden, die eine Kündigungsfrist von wenigen Monaten haben. Das heißt, bei weiterhin niedrigen Flüchtlingszahlen werden gerade die Unterkünfte, die am ehesten eine Integration ermöglichen – die Wohnungen – abgebaut. Und selbst dieser Abbau wird ein Problem nicht lösen: Dass leer stehende Unterkünfte Geld kosten, und es dafür bisher keine Erstattung gibt. Das ist ein Problem, das wir dringend angehen müssen.
Und die Frage ist dann schon, ob wir diese Situation für die Kommunen verschärfen wollen, indem wir, wie von der CDU gefordert, einen Teil der Geflüchteten, deutlich länger in der Erstaufnahme belassen, als unbedingt nötig. Und sie nur deshalb dort länger belassen, weil, noch bevor ein faires Asylverfahren stattgefunden hat, unterstellt wird, dass ihnen kein Recht auf Asyl zuerkannt werden wird.
Wissen Sie, meine Damen und Herren von der CDU, ich wäre wirklich froh, wenn Sie sich in der Fraktion mal an einen Tisch setzen und Sie gemeinsam eine Linie in der Flüchtlingspolitik festlegen würden. Bei Ihnen hat man immer den Eindruck, dass Sie in der einen Landtagssitzung einen sehr humanen, auf Integration und Beteiligung setzenden Kurs fahren und in der nächsten Sitzung kommt dann wieder ein Antrag wo Sie an Härte und Abschieberhetorik am liebsten die CSU rechts überholen würden. Das passt einfach nicht zusammen und wird auch der Verantwortung, die wir bei diesem sensiblen Thema alle gemeinsam haben, nicht gerecht.
Ihr heute vorgelegter Antrag ist aus der Kategorie CSU rechts überholen und es sind auch ein paar alte Hüte dabei, deshalb nur ganz kurz: Wir als LINKE sind dagegen, die Erstaufnahme zu einer Rückführungseinrichtung umzubauen, wir sind auch dagegen, den Aufenthalt in der Erstaufnahme unnötig zu verlängern, wir sind dagegen, Abschiebungen zentral durchzuführen. Und egal ob es sich um Geflüchtete im Verantwortungsbereich Brandenburgs oder Berlins handelt, sind wir auch gegen eine verschärfte Residenzpflicht und gegen die Ausweitung des Sachleistungsprinzips. Insofern lehnen wir Ihren Antrag ab, aber das wird sie sicher nicht überraschen.
Aber zurück zur eigentlichen Frage der Aktuellen Stunde: Angesichts der geschilderten Lage in Brandenburg, wäre es folgerichtig, dem Land Berlin, das seine Hausaufgaben bei der Flüchtlingsunterbringung seit Jahren nicht gemacht hat und deshalb auf Notunterkünfte in ungeahntem Ausmaß zurückgreifen muss, unter die Arme zu greifen. Und deshalb begrüßen wir als LINKE es auch, dass es Gespräche zwischen dem Berliner Senat und der Brandenburger Landesregierung dazu gibt.
Im Bereich der Erstaufnahme ist dies noch recht einfach. Hier sind wesentlich weniger Fragen zu klären als in Bezug auf die Unterbringung in Kommunen. Allerdings – und da teile ich ausdrücklich die Skepsis der Grünen – würde dies weder den Geflüchteten noch dem Land Berlin auf Dauer helfen. Der Aufenthalt in der Erstaufnahme ist auf sechs Monate befristet, es ist kein Geheimnis, dass wir als LINKE diesen Zeitraum für zu lang halten. Weil dort eben keine Integration möglich ist, weil keine Schulpflicht für die Kinder besteht und weil der Aufbau eines eigenständige Lebens in Deutschland in der Erstaufnahme gerade nicht möglich ist. Bei dem Rückstand, den das Land Berlin im Bereich der Unterkünfte für Geflüchtete hat, würde dies auch nur kurzfristig Entlastung bringen. Zumal – und das sollten wir nicht außer Acht lassen – für den Fall wieder steigender Flüchtlingszahlen Brandenburg die Kapazitäten wieder selbst benötigen würde, um den Aufnahmedruck auf die Kommunen abzufedern.
Komplizierter ist es bei der Aufnahme in den Kommunen. Dies lehnt die CDU in ihrem Antrag ab, im Antrag der Grünen wird das Land aufgefordert, dazu eine Vereinbarung mit dem Land Berlin zu schließen. Ich glaube, wenn man die Unterbringung von Geflüchteten aus dem Zuständigkeitsbereich Berlins will, braucht es Freiwilligkeit auf allen Seiten. Es braucht einerseits den Willen Geflüchteter, in Brandenburg untergebracht zu werden, zumindest dann, wenn man wirklich Integration will. Und andererseits braucht es die Bereitschaft der Kommunen, zusätzlich zu ihrer Aufnahmeverpflichtung Geflüchtete aufzunehmen. Ob es diese Bereitschaft gibt, ist aktuell unklar. Ohne diese sind aber auch Verhandlungen wenig zielführend, zumal sehr viel geklärt werden müsste und diese Verhandlungen dementsprechend aufwändig wären. In wessen Verantwortung liegen die Gesundheits- und Jugendhilfeleistungen? Wie wird eine Integration in das Bildungssystem und den Arbeitsmarkt gewährleistet? Welche Gerichte sind bei Streitigkeiten zuständig und wer ist zuständig beim Wechsel in den Rechtskreis des SGB II nach Erlangung des Aufenthaltsstatus? usw. Mit einem einfachen Beschluss ist es also nicht getan und deshalb werden wir dem Entschließungsantrag nicht zustimmen. Das schließt übrigens nicht aus, dass das Land tätig werden kann, wenn es den Wunsch aus den Kommunen gibt. Weil dies, und da stimme ich ausdrücklich zu, eine integrationsförderliche Lösung für die Geflüchteten wäre, es dem Land Berlin dauerhaft helfen würde und den Kommunen ermöglichen würde, geschaffene Kapazitäten sowohl bei der Unterbringung und Versorgung wie auch bei den Integrationsmaßnahmen zu nutzen. Gibt es also den Wunsch aus den Kommunen, dann sind wir auch dafür, solche Gespräch zu beginnen.