Rede zum Gesetzentwurf der AfD zum Verbot der Vollverschleierung

Rede zum Gesetzentwurf der AfD zum Verbot der Vollverschleierung

Die AfD brachte in den Landtag einen Gesetzentwurf zum Verbot der Vollverschleierung ein. In der Debatte dazu sprach ich für meine Fraktion.

Hier geht es zum Mitschnitt der Rede

Und das Redeskript ist hier dokumentiert:

„Es sei vorangestellt: Die Debatte um das Verbot der Vollverschleierung lenkt von den wirklichen Herausforderungen der Integration ab: Wie eröffnen wir den Geflüchteten Lebensperspektiven, wie integrieren wir sie in das Bildungssystem und den Arbeitsmarkt? Wie schaffen wir ausreichend Wohnraum? Das sind die wirklich anstehenden Fragen und nicht, was eine Frau an hat oder nicht.

Und: Diese Debatte ist gerade nicht geeignet, das friedliche Zusammenleben der Menschen in unserem Land zu fördern, im Gegenteil – bei der sogenannten Mehrheitsgesellschaft verstärkt sie Verunsicherung und antimuslimische Ressentiments und bei den Muslimen verstärkt sie Vorurteile gegen die westliche Lebensweise.

Und deshalb verwundert es auch nicht, dass die AfD hier aufspringt. Aufspringt? Ja! Erinnern wir uns mal, von wem die Debatte um das sogenannte Burka-Verbot, gestartet wurde bzw. warum sie an Fahrt aufgenommen hat.

Da gab es im Sommer von Männern verübte terroristische Anschläge in Bayern. Daraufhin setzten sich CDU-Innenminister – übrigens allesamt Männer – zusammen und veröffentlichten Vorschläge zur Bekämpfung bzw. Verhinderung von Terror. Daran ist nichts Verwerfliches, im Gegenteil, wir sind uns sicher einig, dass jegliche Gewaltkriminalität, egal übrigens durch wen die Taten begangen werden, wirksam bekämpft werden müssen. Unter diesen – teilweise sicher bedenkenswerten – Vorschlägen zur Terrorismusbekämpfung fand sich dann auch der Vorschlag eines Burka-Verbots.

Fassen wir noch einmal zusammen: Männer begehen schwerste Gewaltstraftaten und andere Männer haben nichts besseres zu tun, als zur angeblichen Bekämpfung dieser Taten eine Debatte darüber zu starten, wie Frauen sich anzuziehen haben oder auch nicht.

Das ist nur auf den ersten Blick absurd. Einerseits passte es gut in die CDU-Wahlkampftaktik, auch ein wenig antimuslimische Ressentiments zu bedienen. Ich bin übrigens sehr froh, dass diese Taktik der CDU nicht aufgegangen ist und vielleicht wäre das ein Punkt, wo man darüber nachdenken sollte, wie gefährlich das Bedienen von Ressentiments gesellschaftspolitisch ist und ob es vielleicht am Ende eh nur dem Original – also den Rechtspopulisten und Nazis – hilft. Andererseits ist eine solche Debatte hervorragend geeignet, patriarchale Machtmechanismen zu reproduzieren. Und ja, sowohl das religiöse Gebot der Verschleierung als auch die staatlich verordnete Entschleierung bedeuten eine männlich definierte Machtausübung über Frauen.

Wir können niemanden zwingen, dem Paradoxon zu entfliehen, dass es einem Menschen möglich ist, die eigene Unfreiheit zu wollen. Wir können aber dafür sorgen, dass der Mensch der eigenen Unfreiheit entfliehen kann, wenn er frei sein möchte. Und genau das ist unsere Aufgabe. Nicht staatliche Verbote oder Repression werden diese Unfreiheit beenden sondern das Bewusstmachen der eigenen Rechte und die Unterstützung in der Wahrnehmung derselben.

Es ist eben gerade nicht Ausdruck einer offenen, demokratischen Gesellschaft, in die individuellen Freiheitsrechte staatlich einzugreifen, wie von der AfD hier gefordert. Vielmehr wäre die staatlich verordnete Entschleierung die Negation gerade der Werte, die die Sanktion zu verteidigen vorgibt. Deshalb setzen wir auf Debatte, Aufklärung und Unterstützung von Frauen unter Druck und nicht auf Repression und Sanktion.

In einer offenen, demokratischen Gesellschaft  muss es möglich sein, Außenseiter zu sein und der Mensch muss vor Eingriffen durch den Staat in die individuelle Selbstbestimmung geschützt sein, so lange nicht Rechte anderer verletzt werden. Und, auch wenn die AfD uns das hier glauben machen will: Nein, es gibt kein Recht darauf, dass das Gegenüber sich so kleidet, wie es opportun ist. Und es gibt auch kein Recht darauf, dem anderen ins Gesicht zu schauen.

Und es gibt im Übrigen auch kein Recht, vor religiösen Bekenntnissen anderer geschützt zu sein. Der Staat kann und darf nicht entscheiden, was richtige und was falsche religiöse Bekenntnisse oder Gebote sind, schlicht weil religiöse Bekenntnisse dadurch entstehen, dass Gläubige sie glauben.

Eine Debatte, ob eine Verschleierung aus dem Koran ableitbar ist, ist deshalb ebenso überflüssig, wie die Erörterung der Frage, wie viele Frauen sich tatsächlich verschleiern. Und es ist auch nicht die Aufgabe eines Parlaments, hier in gute und schlechte oder richtige und falsche Religionen zu unterteilen. Das heißt dann im Übrigen auch, dass man nicht das eine religiöse Symbol aus dem öffentlichen Raum verbannen kann, andere religiöse Symbole – in der Regel christliche – aber unter dem Begriff Kultur davon ausnimmt und privilegiert.

Unsere Aufgabe kann an der Stelle nur sein, die verfassungsmäßigen Rechte der Bürgerinnen und Bürger zu verteidigen und zu schützen. Und das sind nun einmal die individuellen Freiheitsrechte zu denen auch das Recht auf Religionsfreiheit  gehört.

Es wird Sie deshalb nicht wundern, dass wir den Gesetzentwurf ablehnen.“