Rede zur Aktuellen Stunde zu 20 Jahre Handlungskonzept Tolerantes Brandenburg

Rede zur Aktuellen Stunde zu 20 Jahre Handlungskonzept Tolerantes Brandenburg

Meine Fraktion hatte für die heutige Landtagssitzung eine Aktuelle Stunde anlässlich des 20. Geburtstages des Toleranten Brandenburgs mit dem Titel „Stärkung der Zivilgesellschaft – als Garant für den Erhalt und die Sicherung der Demokratie im Land“ beantragt. In dieser Debatte habe ich gesprochen.

Anlässlich dessen haben wir ein Video gedreht, wo erklärt wird, was wir feiern! YouTube

Meine Rede ist hier im Video zu sehen: YouTube

Das Skript der Rede ist hier dokumentiert:

„Diese aktuelle Stunde hat einen Anlass, wir feiern 20 Jahre Handlungskonzept Tolerantes Brandenburg. Dem Dank an alle Akteure möchte ich mich anschließen und vor allem nochmal deutlich machen, was wir da eigentlich feiern.

Wir feiern:

  • 20 Jahre Mobilisierung der Gesellschaft gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt
  • 20 Jahre Unterstützung lokaler, demokratischer und zivilgesellschaftlicher Strukturen und des demokratischen Zusammenhalts
  • 20 Jahre Ächtung von rassistischer Gewalt und Unterstützung und Solidarität für die Opfer
  • 20 Jahre Anerkenntnis der Notwendigkeit eines konsequenten Antidiskriminierungsschutzes und
  • 20 Jahre Bekenntnis zur konsequenten Verfolgung rechter Gewalt durch die Sicherheitsbehörden.

Und ich finde, das sind gute Gründe zum Feiern! Welches andere Bundesland hat ein solches Engagement seiner Landesregierung vorzuweisen? Und in welchem Landtag gab es über 20 Jahre einen breiten Konsens der demokratischen Parteien, dass ein solcher Weg konsequent beschritten wird? Und welches Bundesland kann, aus dieser Tradition heraus auf eine Verfassungsänderung blicken, die sich klar dazu bekennt, das friedliche Zusammenleben der Menschen zu schützen und der Verbreitung rassistischen und fremdenfeindlichen Gedankenguts entgegen zu treten?

Und deshalb gilt mein Dank, neben denjenigen, die sich vor Ort ehrenamtlich, aber auch hauptamtlich und in den Strukturen des Toleranten Brandenburgs für eine offene Gesellschaft engagieren, auch den Akteuren in der Landesregierung und denjenigen hier im Landtag, die diesen Konsens der demokratischen Parteien aufrecht erhalten und über die Parteigrenzen hinweg und auch gegen Widerstände das Tolerante Brandenburg unterstützt haben. Das war vor 20 Jahren nicht selbstverständlich und das ist es auch heute nicht!

Zum Ende dieser Debatte möchte ich vor allem noch etwas zur Zukunft sagen: Es ist niemandem verborgen geblieben, dass in den vergangenen Monaten die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen an Schärfe zugenommen haben. Es ist auch niemandem verborgen geblieben, dass wir es mit einem Verrohung der politischen Kultur, mit einer Polarisierung der Positionen und damit verbunden mit einer Unfähigkeit gesellschaftliche Konflikte durch Dialog, Gespräch und Konsensfindung zu klären, einher geht. Wir beobachten eine geringere Hemmschwelle zu verbaler und körperlicher Gewalt und im übrigen auch eine geringere gesellschaftliche Ächtung solcher Taten.

Es ist offensichtlich, dass rechtspopulistische und rechtsradikale Akteure und auch sogenannte Rechtsintellektuelle zunehmend Hand in Hand agieren.,

Gleichzeitig übernehmen einige politische Kräfte des demokratischen Lagers in Deutschland, wohl aus der Hoffnung heraus, diese Akteure rechts von sich zurückzudrängen, deren Geschäft. Eine Politik jedoch, die ein Ende der offenen Gesellschaft einläutet und im Übrigen auch die Europäische Union an den Rand des Scheiterns bringt, kann niemals die Lösung sein!   Wir müssen der Versuchung widerstehen, einfache Antworten auf schwierige Fragen unserer globalisierten Welt geben zu können. Alle gesellschaftlichen und politischen Akteure und auch das Tolerante Brandenburg stehen deshalb vor Herausforderungen, die ich kurz umreißen will:

  1. Gesellschaftlichen Frieden herstellen

In den vergangenen Jahren ist zu oft der Eindruck entstanden, die Politik kümmere sich nur noch um Geflüchtete. Die Sozialstaatsgarantie, die wir hier im Land gegeben haben, indem wir uns dazu bekannt haben, dass keine soziale Leistung gekürzt wird, um Kosten für Geflüchtete zu tragen, ist unter gegangen. Doch genau darum geht es: Gesellschaftlichen Frieden schafft nur, wer garantiert, dass niemand zurück bleibt. Zurückdrängung von Armut, die Chance, für jede und jeden, sich ein selbstbestimmtes und auskömmliches Leben aufzubauen, mit fairen Arbeitsbedingungen und Löhnen, mit bezahlbaren Wohnungen und gesicherter Mobilität in allen Landesteilen – das ist die Aufgabe, die wir als Politik zu bewältigen haben um sozialen und gesellschaftlichen Frieden herzustellen.

 

  1. Demokratische Strukturen fördern und Teilhabe sichern

Eine tolerante und weltoffene Gesellschaft braucht gesellschaftliche Teilhabe. Für alle hier lebenden Menschen. Das erfordert eine Dialogbereitschaft und die Bereitschaft zum Kompromiss. Aktuell sind die Fronten oft verhärtet und selbst beim Zuhören hapert es. Dialogprozesse in schwierigen Situationen, Strukturen in denen Zuhören du Mitreden selbstverständlich ist, die Organisation der Teilhabe an Entscheidungsprozessen und die Stärkung der gesellschaftlichen Akteure in diesen Prozessen sind eine wichtige Voraussetzung für gesellschaftlichen Frieden. Diese Prozesse zu entwickeln und weiterzuentwickeln wird eine der Aufgaben der politischen Akteure aber auch und gerade der Akteure des Toleranten Brandenburgs sein.

 

  1. Zurückgewinnung der Humanität

Die gesellschaftlichen Debatten sind aktuell nicht selten von einer Entmenschlichung gekennzeichnet. Wen interessiert es denn aktuell noch, wenn Menschen im Mittelmeer ertrinken, in der Sahara verdursten? Und ich bedanke mich beim Ministerpräsidenten für die Ankündigung, Flüchtlinge von der Lifeline in Brandenburg aufzunehmen. Das ist ein Akt der Humanität. Es gab schon mal eine Zeit, wo Flüchtlingsschiffe kein Land gefunden haben, in dem sie anlegen konnten. Das dürfen wir nie wieder zulassen!
Empathie und Humanität müssen zurück gewonnen werden und dafür brauchen wir ehrliche und sachliche Auseinandersetzungen ohne Nebelkerzen aus politischem Kalkül. Dazu brauchen wir die Perspektiven der Migrantinnen und Migranten ebenso wie die der hier geborenen. Und vor allem brauchen wir auch hier Dialog und das immer wieder zu erneuernde Bekenntnis, dass die Würde der Menschen – und zwar aller Menschen – unantastbar ist.

 

  1. Zurückdrängen gruppenbezogener Ausgrenzung, Menschenfeindlichkeit und Gewalt

Wir beobachten eine hohe Zahl rassistischer und fremdenfeindlicher Gewalttaten, antisemitische Ressentiments sind auf dem Vormarsch und Jüdinnen und Juden fühlen sich nicht mehr sicher, antimuslimische Ressentiments nehmen zu – all das sind Phänomene gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, die nicht selten in Gewalt mündet. Hier sind wir alle gefordert klare Kante zu zeigen und deutlich zu machen, dass dafür kein Platz in unsere Gesellschaft ist.

Für alle diese Herausforderungen brauchen wir das Tolerante Brandenburg. Allerdings wird das nicht reichen. Es braucht auch das Bekenntnis und das Engagement jeder und jedes einzelnen von uns.“