Reden zu den Auswirkungen der Umstrukturierung des Bundesprogramms Demokratie leben

Reden zu den Auswirkungen der Umstrukturierung des Bundesprogramms Demokratie leben

Für das Plenum hatte meine Fraktion einen Antrag gestellt, der zum Ziel hatte, die massiven Kürzungen bei zivilgesellschaftlichen Projekten durch die Umstrukturierung des Bundesprogramms Demokratie leben, durch das Land zu kompensieren. Zum gleichen Thema gb es auch einen Antrag der Libyen-Koalition. Die Debatte war hitzig, meine Rede zu Beginn der Debatte ist hier als Video beim rbb anzuschauen. Am Ende der Debatte habe ich mich erneut zu Wort gemeldet, dieser Beitrag ist hier zu finden.

Das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ leistet einen wichtigen Beitrag für ein vielfältiges, gewaltfreies und demokratisches Miteinander. Es ist zudem ein zentraler Baustein der Strategie der Bundesregierung zur Extremismusprävention und Demokratieförderung. Umso schwieriger ist es dann, wenn zahlreiche Initiativen, Vereine oder Projekte nach ihrer Antragstellung nicht gefördert werden, weil eine dauerhafte Förderung nicht möglich ist bzw. durch die Vielzahl der Antragstellungen eine solche ausscheidet.

Aktuell sind 27 Projekte der Zivilgesellschaft aus Brandenburg in der Antragstellung gescheitert oder drohen zu scheitern. Dies betrifft offenbar Träger, die bereits in der bisherigen Förderperiode gefördert wurden, aber auch Projekte, die sich im Schwerpunkt mit der Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung beschäftigen.

In einer Zeit, in der besonders in den ostdeutschen Bundesländern mehr Rechtsextreme in die Parlamente eingezogen sind, ist das ein fatales Signal an die Zivilgesellschaft, die sich tagtäglich in der Auseinandersetzung mit rassistischen, nationalistischen, antisemitischen, sexistischen, homophoben oder gar behindertenfeindlichen Einstellungen bewährt. Deshalb sollte die Landesregierung aufgefordert werden, die ausfallenden Mittel zu ersetzen und sich zudem für die Möglichkeit einer dauerhaften Förderung einsetzen. In der Debatte betonten alle demokratischen Fraktionen die Bedeutung des Bundesprogramms, insbesondere in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus.

Da ich zu beiden Debattenbeiträgen frei gesprochen habe und nur handschriftliche Notizen hatte, kann ich icht wie gewohnt da Skript zur Verfügung stellen Inhaltlich habe ich allerdings in diesem Beitrag hier in meinem Blog alles wichtige dazu aufgeschrieben. Und nach Veröffentlichung des Protokolls der Debatte stelle ich die Reden hier auch im Wortlaut zur Verfügung.

Leider wurde durch die Koalition unser Antrag abgelehnt, obwohl es bis zum Ende der Debatte keine Begründung seitens der Redner*innen der Grünen, der SPD und der CDU zu dieser Ablehnung gab. Der Antrag der Koalition wurde angenommen. Da da ncihts Falsches drin stand, haben wir diesem Antrag ebenfalls zugestimmt, auch wenn er sich leider auf reine Bekenntnisse beschränkte und konkrete Maßnahmen nicht zu finden waren.

 

UPDATE: Hier noch die Reden, wie ich sie dem stenografischen Dienst des Landtages redigiert für die Veröffentlichung frei gegeben habe, zuerst die Rede zur Einbrigung unseres Antrages:

„Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bereits vor einigen Wochen haben sich Initiativen in einem Appell an die Öffentlichkeit gewandt und vor den Kürzungen im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ gewarnt. Sie haben in einem offenen Brief mitgeteilt, dass die vorgesehenen Kürzungen die Arbeitsfähigkeit vieler zivilgesellschaftlicher Initiativen infrage stellen.
Ihre Forderungen waren unter anderem die Rücknahme der Kürzungen, eine Aufstockung der Mittel des Programms, um weitere Projekte zu ermöglichen, und ein Demokratiefördergesetz, um die Arbeit von Trägern und Initiativen endlich auf sichere Beine zu stellen. Diese Proteste in Verbindung mit dem Anschlag von Halle haben dazu geführt, dass die Bundesregierung zumindest die Kürzungen zurückgenommen hat. Aber ist jetzt alles gut? – Nein.
Das Problem ist, dass das Programm umstrukturiert wurde. Es fand eine Umverteilung zugunsten öffentlicher Träger und auf Kosten der zivilgesellschaftlichen Projekte statt. Der Bundestagsabgeordnete Norbert Müller und ich haben recherchiert und dabei herausgefunden, dass alle 19 von Städten, Gemeinden, Landkreisen und dem Land eingereichten Projekte gefördert werden, aber von den 32 Projekten aus Brandenburg, die andere Träger eingereicht haben – zum Beispiel Hochschulen, Vereine, Verbände, Initiativen -, nur zwei in der ersten Runde gefördert werden.
Nach der Rücknahme der Kürzungen im Bundesprogramm sollen drei weitere Modellprojekte zur Antragstellung aufgefordert werden. Wir haben unter anderem gelesen, dass die Opferperspektive dabei sein wird. Somit gehen jetzt 27 Projekte der Zivilgesellschaft leer aus. Von den insgesamt für Brandenburg vorgesehenen 3,9 Millionen Euro fließen 3,2 Millionen Euro in öffentliche Kassen. Die abgelehnten Projekte sind ausschließlich die von freien Trägern.
Da zeigt sich, was die Umstrukturierung des Bundesprogramms im Kern bedeutet: Demokratieförderung wird vor allem Kommunen und Ländern übertragen.
Zivilgesellschaftliche Strukturen, die in den vergangenen Jahren einen wichtigen Beitrag für den Kampf für Weltoffenheit und Toleranz geleistet und vor allem in der Integrations- und Präventionsarbeit bei der Beratung von Betroffenen von Rassismus und Gewalt in diesem Land eine wirklich großartige Arbeit geleistet haben, werden nicht gefördert.
Das wird aufgrund der meist fehlenden institutionellen Förderung und der daraus resultierenden Abhängigkeit der Projekte von Förderung dazu führen, dass Strukturen in Brandenburg abgebaut werden.
Es ist großartig, wie viele Initiativen sich in Brandenburg weiter für ein demokratisches Miteinander engagieren. Umso problematischer ist es, dass ihnen das
Bundesfamilienministerium anscheinend nicht so richtig über den Weg traut.
Es gibt auch in den Kommunen tolle Ansätze zur Vernetzung und Stärkung zivilgesellschaftlicher Akteure. Deshalb begrüßen wir auch ausdrücklich, dass die Kommunen künftig bei der Präventionsarbeit gestärkt werden. Dennoch ist jetzt ein Missverhältnis zuungunsten der Zivilgesellschaft entstanden. Dabei möchte ich betonen, dass sich die Zivilgesellschaft nicht als Verwaltungsaufgabe managen lässt. Sie braucht Freiräume und Förderung zugleich.
Gerade in Zeiten, in denen Nazis in Parlamenten und Kommunalvertretungen ihr Unwesen treiben, braucht es eine starke Zivilgesellschaft, die präventiv wirkt und Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt entschlossen entgegentritt.
Um das zu gewährleisten, haben wir den hier vorliegenden Antrag eingebracht. Dieser will erreichen, dass die Landesregierung im zuständigen Ausschuss über die Auswirkungen auf die Brandenburger Träger berichtet und mit dem Nachtragshaushalt einen Vorschlag unterbreitet, wie das Land den nicht berücksichtigten Projekten helfen kann. Außerdem wollen wir, dass sich die Landesregierung auf Bundesebene für ein Demokratiefördergesetz einsetzt.
Meine Damen und Herren, wir haben zur Kenntnis genommen, dass die Landesregierung vorhat, Lösungen für die abgelehnten Projekte zu finden. Dazu gehört aus unserer Sicht auch, Landesgeld in die Hand zu nehmen. Wir sind froh, dass die Koalition mit ihrem Antrag ebenfalls auf die Situation reagieren will, allerdings finde ich, dass der Koalitionsantrag außer Bekenntnissen relativ wenig enthält. Insofern werden wir dem Antrag der Koalition zwar zustimmen – darin steht auch nichts Falsches -, sehen dabei unseren Antrag allerdings als sinnvolle Ergänzung. Denn wir zeigen auf, wie die Unterstützung der Träger, deren Projekte abgelehnt wurden, konkret gestaltet werden kann. Deshalb bitten wir auch um Zustimmung zu unserem Antrag. Ich freue mich auf die Debatte. – Herzlichen Dank.“

 

Und hier die Rede am Ende der Debatte in Reaktion auf die anderen Beiträge:

„Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich erst einmal für die interessante Debatte.
Ich will aber noch ein paar Bemerkungen machen: Frau Gossmann-Retz, wir hatten 2019 im Land Brandenburg 16 Modellprojekte, die gefördert wurden. Im kommenden Jahr werden es nur noch fünf sein. In der Regel erhält ein Modellprojekt zwischen 150 000 und 200 000 Euro Förderung pro Jahr. Wir können uns natürlich darüber streiten, ob die 125 000 Euro aus den Partnerschaften für Demokratie und die Aufstockung von 25 % das kompensieren. Ich sage Ihnen aber: Nein, das wird es nicht! Und natürlich: Wenn es elf Modellprojekte weniger gibt und ungefähr zwei Millionen Euro weniger bei den Trägern ankommen, brechen da natürlich Strukturen weg. Das kann man leugnen. Das Leugnen wird aber die Strukturen nicht retten.
Zweiter Punkt, zur AfD – ich kann es mir wirklich nicht verkneifen: Ich hatte nicht erwartet, dass Sie sich hier vom Rechtsextremismus distanzieren würden – ihn aber als nachrangig zu bezeichnen, finde ich unfassbar!
Seit 1990 gab es mehr als 200 rechtsextreme Morde in diesem Land und nicht einen einzigen linksextremen übrigens. Es gibt seit Jahren eine steigende Zahl rassistischer Gewalttaten. Hier haben Menschen wieder Angst, weil sie anders aussehen. Und Sie erklären uns, das sei nachrangig?
Dass die AfD keine Berührungsängste in Bezug auf Rechtsextremisten und Rechtsterroristen hat, wissen wir. Ich verweise auf Ihre Mitarbeiter bei den Identitären, ich verweise auf das Flügeltreffen in Binz unter Anwesenheit eines mutmaßlichen Rechtsterroristen der Nordkreuzgruppe. Da kann ich Herrn Zeschmann nur zustimmen: Wehret den Anfängen! Und ich verspreche Ihnen: Egal, wie sehr Sie heulen oder hetzen, wir werden Sie hier bestimmt nicht in Ruhe lassen und wir werden Sie nicht rauslassen!
Meine letzte Bemerkung: Ich habe leider nicht richtig verstanden, warum die Koalition unseren Antrag ablehnt. Da hätte ich mir vor allem von Herrn Lakenmacher eine Begründung gewünscht. Ich vermute, ihm fällt keine ein. Deshalb kann ich für meine Fraktion ankündigen: Auch wenn Sie den Antrag ablehnen, werden wir selbstverständlich im Ausschuss weiter nach den Auswirkungen auf die Brandenburger Trägerlandschaft fragen. Wir werden zum Nachtragshaushalt Vorschläge vorlegen. Insofern werden wir Sie mit diesem Thema bestimmt nicht in Ruhe lassen. Uns ist die Zivilgesellschaft in Brandenburg wichtig. Wir wollen, dass durch diese Umstrukturierung im Bundesprogramm keine nachhaltigen Schäden in der Zivilgesellschaft in Brandenburg entstehen. – Danke schön.“