Besuch in der Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt

Besuch in der Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt

Um auf dem Laufenden zu bleiben, besuche ich recht häufig die Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Eisenhüttenstadt (Blogartikel zu vorangegangenen Besuchen findet ihr über die Suche). Dieses Mal gab es allerdings einen konkreten Anlass: die schwierige Situation angesichts zunehmender Flüchtlingszahlen.

Bereits seit Wochen gibt es Meldungen, dass in der Brandenburger Erstaufnahme die Plätze knapp werden.

Das hat zwei Gründe:

  • Einerseits kommen seit Anfang des Jahres in allen Bundesländern Geflüchtete an, die bereits in Griechenland als Flüchtlinge anerkannt sind. Dabei handelt es sich oftmals um Familien, die dort auf der Straße leben müssen, weil die Unterstützung für anerkannte Flüchtlinge in Griechenland sehr gering ist. Diese Gruppe sucht nun in Deutschland erneut Asyl, was jedoch in der europäischen Flüchtlingspolitik gar nicht vorgesehen ist. Das BAMF bearbeitet die Fälle nicht, weil nicht abschließend geklärt ist, wie mit dieser Gruppe von Geflüchteten umzugehen ist. Eine Rückführung nach Griechenland ist durch Rechtsprechung ausgeschlossen, so dass die Menschen wohl in Brandenburg bleiben werden und durch die Kommunen aufgenommen werden müssen.
  • Andererseits kommen sehr viele Geflüchtete über die recht neue Fluchtroute über Weißrussland und Polen. Weißrussland hat die Visabestimmungen für viele Länder gelockert, so dass Geflüchtete vor allem aus dem Irak, aber auch aus anderen Ländern nach Minsk mit dem Flugzeug gelangen und dann versuchen über die Grenze zu Polen in die EU einzureisen. Polen versucht zwar, die Grenze zu sichern, registriert aber Geflüchtete, die nach Polen einreisen nur selten und lässt sie nach Deutschland weiter reisen. Schlepper transportieren die Menschen dann bis nach Deutschland. Da keine Registrierung in Polen erfolgte, wird eine Rücküberstellung nach Polen im Rahmen des Dublin-Abkommens nur in den seltensten Fällen in Frage kommen.
    Die Menschen kommen vorrangig in Brandenburg an, ein Teil wird auch in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen erstmals registriert.
    Im September kamen auf diesem Weg mehr als 1500 Menschen nach Brandenburg, im Oktober waren es bis Mitte des Monats ebensoviele.

Beide Entwicklungen, vor allem aber die Einreisen über die Weißrussland-Route, stellen das Land vor eine bisher nicht gekannte Herausforderung. Brandenburg ist damit Erstaufnahmeland, was bisher eher aufgrund bisheriger Flüchtlingsbewegungen Bayern war. Damit muss zusätzlich zur Aufnahme selbst auch die Weiterverteilung in andere Bundesländer organisiert werden. Denn nur ein kleiner Teil der über Polen einreisenden Flüchtlinge wird in Brandenburg bleiben. Der Königsteiner Schlüssel regelt, dass Brandenburg nur etwa 3% der in Deutschland ankommenden Geflüchteten dauerhaft aufnehmen muss. Insofern werden von 100 über Weißrussland und Polen einreisenden Flüchtlingen nur drei dauerhaft in Brandenburg bleiben.

Die Weiterverteilung in andere Bundesländer muss jedoch organisiert werden. Und dies ist unter Corona-Bedingungen zusätzlich erschwert. Die Ankommenden müssen zuerst kurzzeitig in Quarantäne, um zu verhindern, dass mögliche Infektionen sich in der Einrichtung ausbreiten. Da dafür die Kapazitäten nicht ausreichen, wurden Zelte errichtet, in denen die Menschen maximal zwei Nächte übernachten. Für die Quarantäne im Falle einer Infektion bzw. als Kontaktperson stehen Containerunterkünfte und die ehemalige Abschiebehafteinrichtung zur Verfügung.

Um mich über die aktuelle Situation zu informieren, habe ich die Erstaufnahme besucht und mich dort mit dem Leiter der Zentralen Ausländerbehörde des Landes, Herrn Jansen, getroffen.

Mein Eindruck war, trotzder schwierigen Situation, eher positiv. Es machte alles einen recht ruhigen aber geschäftigen Eindruck. Vom Chaos wie 2015 scheint mir die Einrichtung weit entfernt. Allerdings ist die Verteilung in andere Bundesländer bisher zu langsam, was zu zusätzlichen Kapazitätsproblemen führt. Hier sei aber vom Bund Abhilfe versprochen worden, sagte mir Herr Jansen.

Gleichzeitig werden die Plätze in der Erstaufnahme durch Erweiterungen in Eisenhüttenstadt und Frankfurt von 3500 auf 5000 erhöht, um sicherzustellen, dass alle ein Dach über dem Kopf bekommen.

Herr Jansen berichtete zudem, dass die Verteilung der in Brandenburg bleibenden Geflüchteten auf die Kommunen aktuell gut laufe. Das Land habe das Aufnahmesoll für die Kommunen von ursprünglich 3500 auf 5400 erhöhen müssen. Für das kommende Jahr rechnet er mit einem Aufnahmesoll von 7500. Das wird für die Kommunen eine enorme Herausforderung, da in den vergangenen Jahren in den Landkreisen und kreisfreien Städten Kapazitäten abgebaut wurden. Das liegt vor allem an der Finanzierung: Brandenburg zahlt nur für belegte Plätze, Leerstand müssen die Kommunen fast vollständig allein finanzieren, weshalb es wirtschaftlich notwendig ist, nicht benötigte Kapazitäten wieder abzubauen. Hier sollte im Zuge der anstehenden Evaluierung des Landesaufnahmegesetzes darüber nachgedacht werden, eine zusätzliche Finanzierungsregelung für den Erhalt von geschaffenen Aufnahmekapazitäten zu finden, um zu sichern, dass Kapazitätsreserven vorhanden sind.

Hinzu kommt aber: 2015 und 2016 haben die Kommunen oftmals freiwillig mehr Geflüchtete aufgenommen, als sie mussten. So konnte kompensiert werden, dass einzelne Landkreise ihr Aufnahmesoll (aus verschiedenen Gründen) nicht erfüllt haben. Ob eine solche Bereitschaft zur freiwilligen zusätzlichen Aufnahme aktuell bei den Kommunen vorhanden ist, darf bezweifelt werden. Die Landesregierung plant mit dem Haushalt 2022 die Unterstützung für Kommunen bei der Integration um ca. 13 Millionen Euro (4,1 Mio. bei der Migrationssozialarbeit für anerkannte Geflüchtete und mehr als 9. Mio bei der Inegrationspauschale) zu kürzen. Das Land signalisiert also den Kommunen: Wir lassen euch mit den Folgekosten der Flüchtlingsaufnahme allein. Dass die Kommunen unter diesen Umständen keine große Motvation haben, freiwillig mehr Geflüchtete aufzunehmen, liegt auf der Hand. Ich hoffe sehr, dass die Koalition noch zur Vernunft kommt, und die Kürzungen bei der Integration zurück nimmt!

Außerdem erörterte ich mit Herrn Jansen unter anderem einen Fall, der an mich herangetragen wurde, wo eine Frau, obwohl doppelt geimpft, viel zu lange in Qaurantäne verblieben ist. Und auch das Anliegen einiger geflüchteter Frauen, dass die Versorgung mit frauenspezifischen Hygieneprodukten bei Weitem nicht ausreiche, habe ich weitergegeben und es wurde Abhilfe versprochen.

Ich werde die Entwicklung weiter im Auge behalten und sicher wieder etwas häufiger in der Erstaufnahmeeinrichtung vorbei schauen. Fürs Erste bin ich aber beruhigt und habe den Eindruck, dass die Situuation aktuell zwar nicht einfach ist, aber bewältigt werden kann.