Rede in der Sondersitzung des Landtages zur Flüchtlingssituation an der deutsch-polnischen Grenze

Rede in der Sondersitzung des Landtages zur Flüchtlingssituation an der deutsch-polnischen Grenze

Die AfD hat eine Sondersitzung des Landtages beantragt, in der es um die Flüchtlingssituation an der deutsch-polnischen Grenze ging.

Meine Rede dazu ist hier als Video verfügbar.

Außerdem stelle ich hier mein Redemanuskript zur Verfügung:

„Es war erwartbar, dass die AfD die aktuelle Situation an der Grenze zu Polen versucht, für Ihre Zwecke zu missbrauchen. Dass Ihnen dazu nicht mehr einfällt, als die Grenze dicht zu machen, zeigt ihren begrenzten Horizont. Und es zeigt auch, dass sie nicht verstanden haben, wie Fluchtbewegungen funktionieren. Mehr Grenzkontrollen an einer EU-Binnengrenze werden Menschen, die vor Verfolgung, Krieg und Tod flüchten nicht aufhalten.

Und genau davor flüchten diese Menschen. Und an diesen Fluchtgründen haben wir, haben Deutschland, Europa und die westliche Welt einen nicht geringen Anteil. Das sollten wir uns immer wieder vor Augen führen, wenn wir über Flucht reden.

Und man muss auch sagen: Diese Fluchtbewegung gäbe es nicht, wenn es sichere und legale Fluchtwege gäbe. Diesen verwehrt sich die EU seit vielen Jahren und natürlich wird ein Fluchtweg, bei dem die Flüchtenden nicht Gefahr laufen, in der Wüste zu verdursten oder im Mittelmeer zu ertrinken, auch genutzt werden.  

Und ja, die Europäische Union hat sich mit dieser Politik der Abschottung erpressbar gemacht. Und sie hat mit dem schmutzigen Flüchtlingsdeal mit der Türkei den Präzedenzfall geschaffen. Natürlich kann man Belarus vorwerfen, die EU zu erpressen. Diese Kritik ist auch richtig. Dass es aber überhaupt dazu kommen konnte, hat die EU und auch die Bundesregierung selbst zu verantworten.

Und ein weiterer Punkt ist mir in dem Zusammenhang wichtig: Die Rolle von Polen. Wir erleben gerade eine humanitäre Katastrophe im Grenzgebiet von Belarus und Polen. Im Grenzstreifen müssen Menschen teils seit Wochen bei Kälte ohne Nahrung und Schutz ausharren. Dass die polnischen Behörden diese Menschen, die Asyl in der EU begehren, nach Belarus zurückschiebt, ist humanitär verwerflich und nebenbei auch illegal.

Es geht aber um mehr: Wenn Asylsuchende keinen Asylantrag stellen dürfen und ohne Verfahren wieder aus der EU geprügelt werden, dann gibt es in der EU keinen Flüchtlingsschutz mehr.

Ich erwarte, dass der Ministerpräsident, der ja der Polen-Beauftragte der Bundesregierung ist, hier im Sinne der schutzsuchenden Menschen aktiv wird. Reden Sie mit der polnischen Regierung und setzen Sie sich für Menschenwürde ein – um nichts weniger geht es hier doch.

Wir können davon ausgehen, dass dieser Fluchtweg so schnell nicht geschlossen wird.  Und wir können hier lange über die Frage von Grenzkontrollen diskutieren. Ich halte das für eine Scheindebatte. Die Grenze zwischen Deutschland und Polen ist lang und es gibt aus guten Gründen keine Grenzsicherungsanlagen. Wenn man an den offenen Grenzen innerhalb der Europäischen Union festhalten will – und ich sage deutlich für meine Fraktion, wir wollen das – dann wird diese auch dann durchlässig sein, wenn noch mehr Bundespolizei stationiert wird und es noch mehr Kontrollen gibt. Das hat man im Übrigen auch in den vergangenen Jahren in Bayern gesehen, wo es diese Debatte ja schon einmal gab.

Und deshalb sollten wir uns stattdessen den Dingen zuwenden, die wir tatsächlich ändern können.

Und da bin ich beim Umgang der Landesregierung mit der aktuellen Situation.

Man kann, wenn mehr Geflüchtete nach Brandenburg kommen, darauf auf verschiedene Arten reagieren. Man kann darauf reagieren, indem man der Bevölkerung Sicherheit gibt, sie beruhigt und ihr signalisiert, wir bekommen das hin.

Das hat Angela Merkel 2015 gemacht, in einer viel schwierigeren Situation mit um ein Vielfaches höheren Flüchtlingszahlen.

Und wir können heute sagen: Wir haben das geschafft. Wir haben die Menschen nicht nur gut aufgenommen und versorgt, wir haben auch für gute Integrationsbedingungen gesorgt und viele derjenigen, die 2015 zu uns gekommen sind, sind heute in Ausbildung und Arbeit und konnten sich eine Lebensperspektive in Deutschland erarbeiten.

Man kann aber auch – und das tut leider die Landesregierung derzeit – mit Angst agieren.

Der brandenburger Innenminister war der erste in Deutschland, der von hybrider Kriegsführung gesprochen hat. Hybride Kriegsführung.

Über diese Formulierung muss man kurz nachdenken. Das assoziiert Krieg. Wir sind nicht im Krieg. Dennoch wird diese Assoziation geweckt. Ohne Not!

Schlimmer ist aber noch: Wenn schutzsuchende Menschen als Waffen in der hybriden Kriegsführung gebrandmarkt werden, dann entmenschlicht das und rechtfertigt Notstand und außergewöhnliche Maßnahmen.

Wer als verantwortlicher Politiker solche Formulierungen verwendet, der schafft Angst und Verunsicherung.

Und wer den Krieg heraufbeschwört, muss sich auch nicht wundern, wenn Nazis glauben, dass sie zu Selbstjustiz greifen müssen, um diese vermeintliche Bedrohung zu bekämpfen.

Und auch, dass Herr Stübgen herbeigeredet hat, dass die Ausländerbehörden überfordert seien wie 2015, schafft Verunsicherung. Und es ist einfach falsch. Ja, die Verteilung der Geflüchteten in andere Bundesländer muss besser organisiert werden. Und ja, die Kommunen werden mehr Geflüchtete aufnehmen müssen. Aber von einer Überforderung sind die Ausländerbehörden und die Kommunen weit entfernt und die Situation ist nicht vergleichbar mit 2015.

Wer so agiert, der will, dass die Bevölkerung verunsichert wird und der spielt mit Ängsten. Und genau das ist verantwortungslos.

Die Landesregierung versagt aber noch an einem anderen Punkt: Sie setzt den gesellschaftlichen Zusammenhalt aufs Spiel. Bei der Fluchtbewegung 2015 hat die rot-rote Koalition mehrfach bekräftigt, dass keine soziale Leistung gekürzt wird, um die Kosten für die Flüchtlingsaufnahme zu bezahlen. Und das war wichtig für den Zusammenhalt im Land und auch um der Bevölkerung Sicherheit zu geben in einer Zeit großer Verunsicherung.

Die jetzige Landesregierung agiert anders. Mit dem vorgelegten Landeshaushalt schafft sie massive Verunsicherung, indem sie die Axt an das soziale Brandenburg legt.

Indem sie bei den Schulkrankenschwestern, bei den Familienverbänden und bei der Pflege und weiteren sozialen Leistungen spart. Das ist der falsche Weg und das spaltet, wo wir Zusammenhalt brauchen. 

Das gilt übrigens auch für die Einsparungen bei der Integration.

Die Kommunen werden wieder mehr Geflüchtete aufnehmen müssen. 2015 und 2016 haben wir die Situation nur bewältigt, weil alle Hand in Hand gegangen sind: Land, Kommunen, Träger, Ehrenamtliche haben gemeinsam agiert.

Und jetzt, wo absehbar ist, dass die Kommunen wieder Kapazitäten für die Unterbringung aufbauen müssen, senden Sie als Koalition das Signal: Mit den Folgekosten, also den Kosten für Integration, lassen wir euch aber alleine.

Den Trägern senden Sie das Signal: Danke, aber wir zerschlagen die von euch aufgebauten Strukturen und brauchen eure Arbeit nicht mehr.

Ich sage Ihnen, das ist der falsche Weg und so werden wir die neue Herausforderung nicht bewältigen.

Insofern agiert diese Koalition gerade fahrlässig und kurzsichtig.

Meine Bitte ist: Wagen Sie mehr Merkel und weniger Stübgen!

Sorgen sie dafür, dass der Zusammenhalt in diesem Land gestärkt wird und uns auch durch diese neue Herausforderung trägt!“