Rede zum Antrag der AfD "Die Antifaschistische Aktion (Antifa) verbieten"

Rede zum Antrag der AfD „Die Antifaschistische Aktion (Antifa) verbieten“

Die AfD hat beantragt, die „Antifaschistische Aktion“ (Antifa) in Brandenburg zu verbieten und sich für ein deutschlandweites Verbot einzusetzen. Der Antrag wurde abgelehnt.

Meine Rede ist bei Youtube als Video verfügbar.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Meine Damen und Herren von der AfD-Fraktion, das ist jetzt der dritte Antrag zum Thema Antifa. Erst wollten Sie, dass der Landtag sich von der Antifa distanziert. Das hat der Landtag abgelehnt. Dann wollten Sie das Symbol der Antifaschistischen Aktion verbieten. Das hat der Landtag abgelehnt. Und nun wollen Sie die Antifaschistische Aktion – in Klammern: Antifa – verbieten. Auch das wird der Landtag ablehnen.

Aber, meine Damen und Herren, das wussten Sie schon vorher. Und eigentlich haben Sie den Antrag auch nicht gestellt, weil Sie glauben, irgendjemand in diesem Hause außerhalb der AfD-Fraktion würde dem zustimmen. Ihnen geht es nicht um den Schutz der Zivilgesellschaft, des Staates und seiner Institutionen, obwohl Sie diese Sorge in Ihrem Antrag vortäuschen. Sie verfolgen mit Ihrem Antrag genau ein Ziel: Sie wollen
erneut politische Gegner markieren, diffamieren und letztlich politisch eliminieren. Das kennen wir mittlerweile aus mehr als hundert Anfragen und diversen Anträgen; das ist also nichts Neues.

Wir wissen auch schon, dass Sie nicht in der Lage sind, die verschiedenen
Strömungen in der politischen Linken auseinanderzuhalten. Das sieht man übrigens auch an der Begründung Ihres Antrags: Alles, was in Ihren Augen linksextrem ist, ist Antifa, und alles, was irgendwie etwas gegen Faschismus hat, ist linksextrem. Aber, meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen gern erneut etwas Nachhilfe.

Erstens: „Antifa“ ist die Abkürzung von Antifaschismus. Und Antifaschismus ist in allererster Linie eine Haltung – eine Haltung gegen Faschismus, gegen alte und neue Nazis. Eine Haltung aber, meine Damen und Herren von der AfD, kann man nicht verbieten.

Zweitens: Es gibt nicht die eine Antifa. Laut Wissenschaftlichem Dienst des
Bundestages gibt es – Zitat – „nicht ‚die Antifa‘ im Sinne einer einheitlichen,
bundesweiten Organisation, sondern eine entsprechende, nicht scharf umrissene Szene mit allenfalls einzelnen, dann mutmaßlich vornehmlich lokal begrenzten Gruppierungen. […] Insbesondere könne ein ‚einheitliches Handeln oder ein in sich geschlossenes, politisch-ideologisch geschlossenes Konzept‘ […] nicht unterstellt werden.“ Was also wollen Sie eigentlich verbieten? Eine Szene?

Drittens: Ein Blick in den Duden hilft bei der Eingrenzung dessen, worüber wir eigentlich reden. Dort heißt es zur Bedeutung: Antifaschismus –
„Gesamtheit der Bewegungen und Ideologien, die sich gegen Faschismus und Nationalsozialismus richten“. Was genau wollen Sie denn bitte jetzt verbieten? Eine Ideologie? Eine Bewegung? Und was hieße das eigentlich – diese Frage würde ich gerne beantwortet bekommen praktisch? Wie stellen Sie sich das praktisch vor, wenn Sie das verbieten?

Aber, meine Damen und Herren, ich habe noch einen vierten Punkt: Die Antifa ist keine Organisation, die man verbieten kann. Und übrigens ist auch die Antifaschistische Aktion keine Organisation, die man verbieten kann. Sie war historisch allerdings mal eine Organisation. In Deutschland bildete sich die Antifaschistische Aktion 1932, um gegen den aufkeimenden Faschismus zu kämpfen. Aber, meine Damen und Herren von der AfD, die antifaschistische Aktion existiert als Organisation nicht mehr, und das
hat auch einen Grund: weil Ihre geistigen Väter sie verboten und zerschlagen und ihre Mitglieder in KZs gesperrt, gefoltert und gemordet haben. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Jeder sucht sich die Tradition aus, in die er sich stellt. Mit diesem Antrag stellen Sie sich genau in diese Tradition.

Meine Damen und Herren, damit bin ich bei der Frage, warum es auch heute noch antifaschistische Überzeugung braucht. Auch dazu lohnt ein Blick in die Geschichte. Nächste Woche Donnerstag gedenken wir am Internationalen Holocaustgedenktag zum 77. Mal der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz. Dies tun wir, um die Monstrosität der Shoah nicht aus dem kollektiven Gedächtnis zu verlieren. Die geplante Tötung von Millionen Jüdinnen und Juden steht heute noch als Sinnbild für den Ausschluss und schließlich die Vernichtung aller, die von den Nationalsozialisten als minderwertig imaginiert oder als Gegner identifiziert wurden. Und, meine Damen und Herren, uns Demokraten in diesem Parlament eint: Nie wieder darf so etwas passieren! Genau deshalb braucht es Antifaschismus und antifaschistische Bewegungen auch heute noch.

Aber, meine Damen und Herren, wenn wir bei Geschichte sind, stellen wir uns einmal die Frage: Wie hat es damals eigentlich begonnen? Es hat begonnen mit der Verrohung der Sprache. Die monströsen Taten wurden in der Sprache vorweggenommen. Ich empfehle dazu einen Blick in Victor Klemperers „LTI“. Schon in den 1920er-Jahren pflegten die Nationalsozialisten die Rhetorik des Antisemitismus, sie kennzeichneten und verleumdeten ihre Gegner, sie verunglimpften die Presse. Erst kam die Radikalisierung der Sprache und dann die der Menschen.

Diese Verrohung der Sprache, die Verleumdung demokratischer Strukturen und ihrer Trägerinnen und Träger sehen wir auch heute – meine Damen und Herren, in der Debatte zur Versammlungsfreiheit haben wir diese von Ihnen ein weiteres Mal sehr deutlich präsentiert bekommen. Egal, ob es um Abgeordnete hier im Parlament geht, die als Mitglieder der Altparteien oder der „eingebetteten Opposition“ diffamiert werden, um die von den Rechtsextremen als „Systemmedien“ verunglimpfte Presse oder um Geflüchtete, die bei jeder Gelegenheit herabgewürdigt werden – die
Radikalisierung der Sprache ist sichtbar und wird von Ihnen vorangetrieben.

Ich verspreche Ihnen: Wir werden nicht zulassen, dass Sie die Kraft gewinnen, nach der Sprache auch noch diese Gesellschaft zu verrohen. Antifaschismus heißt Solidarität, Antifaschismus heißt Humanität, und Antifaschismus heißt auch Verteidigung der Demokratie gegen die, die sie mit Füßen treten. Und, meine Damen und Herren, ich kann Ihnen auch versprechen: Dafür stehen wir hier in diesem Parlament. – Herzlichen Dank.“