Rede zum Antrag der AfD zur Grenzsicherung

Rede zum Antrag der AfD zur Grenzsicherung

Die AfD hat (erneut) einen Antrag eingebracht, der zum Ziel hatte, die deutsch-polnische Grenze durch Grenzkontrollen zu sichern. Der Antrag wurde abglehnt.

Meine Rede ist beim rbb als Video hier verfügbar.

Mein Redeskript dokumentiere ich außerdem hier:
„Vor gErade einmal zwei Wochen haben wir hier im Rahmen einer Sondersitzung schon einmal über dieses Thema gesprochen. Dabei lag uns ein nahezu identischer Antrag der AfD vor, nun sind lediglich ein paar Zahlen aktualisiert und weitere Beschlusspunkte eingefügt. Da fragt sich die aufmerksame Abgeordnete: was hat sich seitdem geändert, dass wir die gleiche Diskussion schon wieder führen müssen?

In Brandenburg hat sich die Lage entspannt. Durch die Registrierung der Bundespolizei und die schnellere Verteilung in andere Bundesländer, hat sich die Situation in der Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt verbessert und auch die Lage an der Grenze insgesamt ist stabilisiert. Das kann also nicht der Grund sein. Aber vielleicht hat die AfD auch einfach nur im Sinn, erneut ihren menschenverachtenden Mist zu verbreiten, um die eigene Klientel zu bedienen?

Aber  eines hat sich in den vergangenen zwei Wochen tatsächlich verändert. An der Grenze von Belarus zu Polen sind seitdem Menschen gestorben. Die Lage dort eskaliert immer mehr und das scheint mir im Gegensatz zum Antrag der AfD durchaus eine neue Debatte wert zu sein und deshalb werde ich mich darauf konzentrieren. Denn was dort passiert, geht uns alle an. Als Deutsche und als Europäer.

Was sich dort abspielt ist eine humanitäre Katastrophe. Dort erfrieren Menschen im Namen und auf Rechnung des europäischen Grenzregimes.

Wir sind uns einig, dass das, was der belarussische Diktator Lukaschenko mit seinem staatlich organisierten Schleppertum treibt, humanitär verwerflich ist. Man kann sich aber nur von Diktatoren erpressen lassen, wenn man die Menschen als Waffe oder Bedrohung ansieht und nicht als das, was sie sind: Menschen, die unsere Hilfe und Solidarität benötigen. Und nichts, rein gar nichts spricht dagegen, die Menschen humanitär aufzunehmen und gleichzeitig die Sanktionen gegen Belarus zu verschärfen. Mich stört an der Debatte in Deutschland vor allem, dass verschwiegen wird, dass auch Polen dort systematisch Menschenrechte verletzt.  

Das polnische Militär verhindert, dass die Menschen Asyl beantragen können. Stattdessen werden sie über die Grenze zurück geprügelt oder mit Wasserwerfern aus dem Land gespült. Das alles im Wissen, dass das belarussische Militär sie wieder dorthin treibt, ebenfalls mit Gewalt. Und so werden die Menschen zum Spielball der Geopolitik und beide Seiten nehmen billigend in Kauf, dass es Verletzte und Tote gibt. Selbst Menschen, die bereits im Krankenhaus behandelt wurden, werden danach von Polen wieder zurückgeschoben.

Wir wissen seit Jahren, dass solche illegalen Pushbacks an den EU-Außengrenzen stattfinden. Doch meist sieht man das in der europäischen Öffentlichkeit nicht. Auf dem Mittelmeer gibt es halt zu wenig Kameras um die systematischen Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren, die dort stattfinden. Das hat sich auch die polnische Regierung abgeschaut und verhindert den Zugang von Journalist*innen und Hilfsorganisationen in das Grenzgebiet. Und so wird die EU-Außengrenze in Polen zu einer Außengrenze für Menschenrechte. Und die die europäischen Institutionen schweigen dazu, ja billigen es sogar.

Es bleibt der polnischen Bevölkerung im Grenzgebiet überlassen, Solidarität zu üben. Die Menschen dort haben bereits im 2. Weltkrieg Jüdinnen und Juden bei der Flucht geholfen und sie ziehen durchaus Parallelen. Damals war es so, dass sie geholfen haben und nicht mit ihren Nachbarn darüber aus Angst vor Denunziation und Kriminalisierung sprechen konnten. Und sie berichten, dass genau das sich wiederholt. Und dennoch hat die Bevölkerung damals geholfen und hilft wieder. Sie sind diejenigen, die jederzeit in das Sperrgebiet hinein kommen und so sind sie es, die die Hilfsgüter hinein bringen und die Geflüchteten mit warmer Kleidung und Nahrung versorgen. Sie sind es, die Kinder aus dem Sumpf ziehen, die für die Verletzten medizinische Hilfe organisieren und den Verzweifelten Trost spenden. Die einheimische Bevölkerung ist es, die dort gerade das tut, was Regierungen und europäische Institutionen nicht tun wollen: Sie üben Solidarität und Menschlichkeit. Nacht für Nacht stellen sie ein grünes Licht in ihre Fenster als Symbol, dass in diesem Haus den Geflüchteten geholfen wird. Ein grünes Licht der Hoffnung und der Solidarität.

An dieser Grenze sterben gerade Menschen und dort sterben die europäischen Werte. Und deshalb appelliere ich erneut an Sie, Herr Woidke, setzen Sie sich dafür ein, dass die Menschen im Grenzgebiet human behandelt werden, dass ihnen nicht ihr Recht auf Asyl genommen wird, dass den Hilfsorganisationen ein Zugang in das Sperrgebiet ermöglicht wird und dass die polnische Regierung die illegalen Pushbacks unterlässt. Sorgen Sie dafür, dass die Menschen dort schnell aus diesem Wald herausgeholt und humanitär aufgenommen werden.

Nicht die Menschen, die sich vor Krieg und Verfolgung nach Europa retten, sind das Problem, sondern Krieg und Verfolgung sind das Problem. Und nicht 10 oder 15.000 Flüchtlinge mehr in der Europäischen Union werden die Union zerstören, sondern die systematische Zerstörung ihrer Regeln und Werte. Deshalb: Handeln Sie!“