Rede zum Antrag der AfD, freiwillige Aufnahmeprogramme zu beenden

Rede zum Antrag der AfD, freiwillige Aufnahmeprogramme zu beenden

Dem Landtag lag ein Antrag der AfD „Alle freiwilligen Landesaufnahmeprogramme des Landes Brandenburg für Ausländer unverzüglich beenden“ vor. er wurde abgelehnt.

Die Debatte dazu ist hier als Video verfügbar.

Meine Rede dazu dokumentiere ich hier:

„Meine Damen und Herren! Liebe Vertreter der Kirchen! Die AfD möchte gern alle Landesaufnahmeprogramme des Landes Brandenburg und auch die Resettlement-Programme des Bundes beenden. Das überrascht nicht und zeigt erneut, dass Humanität für die AfD ein Fremdwort ist. An dieser Stelle entlarven Sie sich aber unfreiwillig selbst: Wettern Sie doch sonst vor allem gegen sogenannte irreguläre und illegale Migration, um wenigstens den Anschein zu erwecken, nicht von Rassismus und Menschenverachtung getrieben zu sein, geht es hier ausdrücklich um legale Migration. Sie wollen schlicht niemanden in Deutschland, der in Ihren Augen nicht deutsch ist.

Genau das macht Ihr Antrag deutlich. Frau Kotré, wenn man Ihnen so zuhört – gerade wenn Vertreter der Kirchen dort oben sitzen -, kann ich nur sagen: Nach Ihren Maßstäben hätte die heilige Familie kein Obdach in einem Stall bekommen. Es wird Sie nicht überraschen: Selbstverständlich werden wir Ihren Antrag ablehnen.

Er gibt mir aber auch die Möglichkeit, noch ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu humanitären Aufnahmeprogrammen zu machen. Humanitäre Aufnahmeprogramme sind ein guter Weg, besonders schutzbedürftige Geflüchtete, die keine Chance haben, eine gefährliche Flucht zu überstehen, sicher außer Landes zu bringen. Deshalb sind solche Programme Ausdruck von menschlicher Verantwortung und Solidarität. Ich bin sehr froh, dass der Landtag Brandenburg mehrere solcher Programme auf den Weg
gebracht hat.

Ich will zuerst das Programm für jesidische Opfer des „Islamischen Staats“ nennen. In der vergangenen Wahlperiode hat sich der Landtag einstimmig entschlossen – übrigens direkt nach einem Parlamentarischen Abend der Kirchen, bei dem sich auch die Kirchen sehr für dieses Programm ausgesprochen hatten -, dieses Programm auf den Weg zu bringen. Einstimmig war dieser Beschluss im Übrigen, weil die AfD den Saal verlassen hatte.

Die damalige Landesregierung – insbesondere der SPD-Innenminister – hat allerdings nichts unversucht gelassen, diesen Beschluss nicht umzusetzen. Sie ist am Selbstbewusstsein und der Entschlossenheit des Parlaments gescheitert. Die Abgeordneten haben nämlich sehr für diesen Beschluss gekämpft. Neben Reisen mehrerer Abgeordneter in den Nordirak gab es weitere Aktivitäten des Parlaments, um der Landesregierung klarzumachen, dass die Abgeordneten auf die Umsetzung dieses Aufnahmeprogramms bestehen. Eine Fotoausstellung, die Einladung einer Delegation religiöser Vertreterinnen und Vertreter der Jesiden in den Landtag, der unvergessene Auftritt der späteren Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad hier im Parlament und viele weitere Aktivitäten führten schlussendlich dazu, dass die Landesregierung den Beschluss umsetzte und zumindest 60 jesidische Opfer des „Islamischen Staats“ in Brandenburg Aufnahme gefunden haben.

Meine Damen und Herren von der Koalition, diese Entschlossenheit und dieses Selbstbewusstsein des Parlaments – aus Opposition wie Koalition – in einer zutiefst humanitären Frage vermisse ich in dieser Wahlperiode oftmals schmerzlich. Denn wenn wir ehrlich sind, ist trotz der ermutigenden Ansätze im Koalitionsvertrag leider nur wenig umgesetzt worden. Dort hieß es noch, es solle ein Programm für
verfolgte Christinnen und Christen geben. Das ist stillschweigend beerdigt worden – ohne erkennbaren Widerstand der Koalitionsfraktionen.

Das Programm für besonders schutzbedürftige Geflüchtete, mit dem jährlich 200 Menschen ein legaler Weg nach Brandenburg eröffnet werden sollte, wurde nur zwei Jahre lang umgesetzt. In diesem Jahr sind bisher null Menschen über das Programm eingereist – auch dieses scheint also leider stillschweigend beerdigt worden zu sein.

Über das dritte, das älteste Programm, das Landesaufnahmeprogramm für syrische Geflüchtete, haben wir im letzten Plenum gesprochen. Ich habe die Hoffnung noch immer nicht ganz aufgegeben, dass die Landesregierung dieses Programm doch noch verlängert. Es kostet das Land kaum etwas, die Kommunen kostet es gar nichts, und es sorgt dafür, dass Menschen, die gut integriert sind und es sich leisten können, weil sie ein eigenes Einkommen haben, sich hier gemeinsam mit ihrer Familie ein Leben in Frieden aufbauen können. Das Programm ist so angelegt, dass Integration nahezu zwangsläufig gelingt, und es umfasst mit ca. 100 Personen pro Jahr nur eine geringe Zahl von Menschen. Vielleicht gelingt es ja doch noch, den Innenminister umzustimmen. Ich verspreche im Übrigen, dass ich in diesem Fall eine ganze Rede nur mit Lobpreisungen des Innenministers füllen werde. Das ist ein einmaliges Angebot, meine Damen und Herren. Vielleicht gelingt es ja dem Innenminister, auch angesichts der Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen und angesichts dieses fürchterlichen Antrags der AfD, sich durchzuringen und uns gleich zu erzählen, dass dieses Aufnahmeprogramm verlängert wird. – Herzlichen Dank für die
Aufmerksamkeit.“