Rede zum Antrag der AfD zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts

Rede zum Antrag der AfD zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts

Dem Landtag lag ein AfD-Antrag „Rettet die Staatsbürgerschaft – deutsche Pässe nicht verramschen!“ vor. Er wurde abgelehnt.

Die Debatte dazu ist hier als Video verfügbar.

Meine Rede zur Debatte ist hier nachlesebar:
„Im Gegensatz zur AfD begrüßen wir als Linke die Neuregelung des Staatsangehörigkeitsrechts ausdrücklich als Anerkennung der Tatsache, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und die gesetzlichen Regelungen der Realität bisher nicht standgehalten haben. Diese Neuordnung – vor allem die Verkürzung der Zeit des Aufenthalts bis zur Möglichkeit der Beantragung der Staatsbürgerschaft und die Anerkennung der Mehrstaatigkeit – ist überfällig. Deshalb werden wir den Antrag der AfD selbstverständlich ablehnen.

Frau Kotré, wissen Sie, wenn Sie hier erklären, in Zukunft müsse auch darüber geredet werden, wie eine Staatsbürgerschaft aberkannt werden kann, lässt das sehr, sehr tief blicken. Das letzte Mal, als in Deutschland Staatsbürgerschaften aberkannt wurden, blieb es übrigens nicht dabei, sondern danach folgten Verfolgung, Mord und systematische Vernichtung. Damit wird sehr deutlich, wo Sie eigentlich hinwollen.

Aber, meine Damen und Herren, diese Debatte gibt mir auch die Möglichkeit, ein paar grundsätzliche Dinge zur Neuordnung des Staatsangehörigkeitsrechts zu sagen. Dies ist ein wichtiger Schritt zu mehr Partizipation und Teilhabe von Menschen, die teils seit Jahrzehnten hier leben, arbeiten, Steuern zahlen, Kinder großziehen. Aktuell haben ca. 11 Millionen Menschen in Deutschland nicht die deutsche Staatsbürgerschaft und sind deshalb von grundlegenden Rechten ausgeschlossen. Wer als Staatsbürger mitentscheiden darf, wird sich im größeren Umfang mit staatlichen Einrichtungen identifizieren und deren Maßnahmen auch akzeptieren. Es geht hier also auch um die Legitimation staatlicher Institutionen und staatlichen Handelns. Schon allein, dass so viele Menschen von Wahlen und damit weitgehend von politischer Teilhabe ausgeschlossen sind, ist nicht nur demokratietheoretisch ein Problem. Wenn dieses neue Recht nur bei einigen zu mehr gesellschaftlicher und politischer Partizipation führt, hat sich die Neuordnung schon gelohnt.

Wir haben aber als Linke auch Kritik an den Plänen auf Bundesebene. Vor allem die Bindung der Einbürgerung an die soziale Situation lehnen wir ab. Dass einzubürgernde Menschen ihren Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme sozialer Leistungen sichern müssen, schließt viele Menschen aus, die dies gar nicht beeinflussen können. Wird diese Regelung Realität, wie sie derzeit geplant ist, werden Menschen mit Behinderungen, in Teilzeit Arbeitende oder Alleinerziehende aussortiert als diejenigen, die die deutsche Staatsbürgerschaft nicht oder nur erschwert erlangen können. Oftmals sind es gerade Menschen mit Migrationshintergrund, die in niedrig bezahlten oder in Teilzeitjobs beschäftigt sind. Wenn sie zu pflegende Angehörige oder Kinder haben, sind ergänzende Sozialleistungen nahezu zwangsläufig. Dass das dann ein K.-o.-Kriterium für die Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft sein soll, halten wir für falsch. Da reichen auch die vorgesehenen Härtefallregelungen nicht, um diesen Mangel zu beheben.

Und, meine Damen und Herren, dass der Gesetzgebungsprozess nicht dafür genutzt wird, die beschriebene Partizipationslücke über Regelungen beim kommunalen Wahlrecht für Nichtausländer weiter zu schließen, bedauern wir ausdrücklich.

Ich möchte auf ein weiteres Problem aufmerksam machen: die Praxis. In Brandenburg waren Ende 2022 mehr als 4 500 Anträge auf Einbürgerung anhängig, davon allein 1 300 in Potsdam. Aktuellere Zahlen gibt es meines Wissens bisher nicht. Klar ist aber, dass dieser Antragsstau aufgelöst werden muss, zumal die Bearbeitungszeiten häufig weit länger als ein Jahr sind. Wenn es also auf Bundesebene endlich ein Umdenken beim Staatsbürgerschaftsrecht gibt, braucht es auch auf Landesebene verstärkte Anstrengungen, die Einbürgerungsbehörden in den Kommunen in die Lage zu versetzen, die Verfahren schnell und effizient zu bearbeiten. Der Verweis auf die Zuständigkeit der Kommunen reicht uns da nicht aus. Im Gegenteil: Das Land muss selbst aktiv werden, die Umsetzung der neuen rechtlichen Regelungen schnell in Angriff nehmen und die Kommunen weit besser unterstützen, als es das bisher tut. Angebote zur Qualifizierung, eine Entschlackung der Weisungen und Unterstützung bei der Digitalisierung der Verfahren sind nur einige Stichworte, die ich dazu nennen will. Ich bin mir sicher, dass wir darüber zu gegebener Zeit auch noch im Ausschuss reden werden. Den vorliegenden Antrag lehnen wir ab.“