Rede zum Bericht der Landesregierung zur Situation von unbegleiteten minderjährigen Ausländern in Brandenburg

Rede zum Bericht der Landesregierung zur Situation von unbegleiteten minderjährigen Ausländern in Brandenburg

Heute wurde im Landtag der Bericht der Landesregierung „Auswirkungen der bundes- und landesrechtlichen Regelungen auf die Unterbringung, Versorgung und Betreuung unbegleiteter minderjähriger Ausländerinnen und Ausländer im Land Brandenburg“ beraten.

Die Rede als Video gibt es hier: zum Video

Mein Redeskript ist hier dokumentiert:

„Ich möchte mich dem Dank für diesen Bericht und die umfangreichen Informationen des Forschungsberichts anschließen. Beide Dokumente belegen eindrücklich, welch großartige Leistung die Akteure der Jugendhilfe in Brandenburg, die ehrenamtlichen und hauptamtlichen Fachkräfte, die Träger und die Jugendämter in den vergangenen beiden Jahren bei der Unterbringung und Versorgung der unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten geleistet haben. Es war eine Aufgabe, die bedingt durch die kurzfristige Gesetzesänderung auf Bundesebene, die jungen Flüchtlinge bundesweit zu verteilen, bedeutete, sehr schnell deutlich mehr junge Geflüchtete aufzunehmen und zu betreuen. Sehr schnell mussten neue Einrichtungen aufgebaut, mussten Fachkräfte gewonnen und Abläufe entwickelt werden. Vieles war anfangs improvisiert und dem unermüdlichen Engagement der ehren- und hauptamtlichen Akteure ist es zu verdanken, dass wir so weit gekommen sind.

Der Bericht der Landesregierung gibt einen guten Überblick, über die entstandenen Strukturen, die Abläufe und die Standards und gibt uns die Chance, etwas mehr als zwei Jahre nach Inkrafttreten der neuen Regelungen, Bilanz zu ziehen und Verbesserungsbedarfe zu identifizieren. Ich hätte mir allerdings von dem Bericht an einigen Stellen, etwas detailliertere Angaben gewünscht. So wird bspw. konstatiert, dass vier der 18 Jugendämter die elektronische Gesundheitskarte noch nicht eingeführt haben, eine Benennung dieser Jugendämter erfolgt jedoch nicht. Es wird betont, wie gut die Erfahrungen mit der egCard sind, Gründe für die Nichteinführung werden jedoch nicht genannt.

Ein weiteres Beispiel, wo ich mir mehr Informationen erhofft hätte, ist der Bereich der Finanzierung. Zwar wird benannt, dass es bis heute keine Rechtsverordnung zu Standards und Finanzierung gibt, weil keine Verständigung mit den Kommunen erzielt werden konnte. Welche Streitpunkte es hier im Einzelnen gibt, was das für landesweit einheitliche Standards bei der Personalausstattung, Unterbringungsqualität und auch für die Kostenentwicklung hat, wird jedoch nicht ausgeführt.

Besonders dankbar bin ich für die Vorlage des Evaluationsberichts der Wissenschaftler der Fachhochschule Potsdam. Er gibt uns wertvolle  Hinweise für die weitere Arbeit.

So finde ich bspw. den Hinweis, dass die Finanzierung  für Anwaltskosten im Asylverfahren für unbegleitete Minderjährige schwieriger ist als im Rechtskreis des Asylbewerberleistungsgesetzes einen sehr wichtigen, wo wir landesseitig Abhilfe schaffen können, damit nicht, wie beschrieben, junge Volljährige auf Jugendhilfeleistungen verzichten, um Verfahrenskosten finanzieren zu können.

Auch die Verbesserungsvorschläge zur Ausgestaltung der Vormundschaften sind wichtig. Es handelt  sich hier um eine sehr sensible Gruppe mit spezifischen Bedürfnissen, und so sollte uns die Empfehlung, dass mehr Einzelvormunde gewonnen und die Fallzahlen bei Amtsvormunden reduziert werden müssen, zum Handeln motivieren.

Auch zu den Hinweise zu Integrationshemmnissen bei der schulischen Bildung, vor allem bei den BFS-G-Plus-Klassen, bei notweniger Flexibilität beim Spracherwerb und der Integration in die Regelbeschulung und das Ausbildungssystem, sollten wir uns die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen. Hier gibt es noch ein weiteres Problem, das nicht nur unbegleitete Minderjährige betrifft: Es braucht eine verlässliche landesseitige Regelung zur Ausgestaltung der Bleiberechtsregelungen bei Aufnahme einer Berufsausbildung. Die 3+2-Regelung, wo Geflüchtete für die Zeit der Ausbildung und bis zu zwei Jahre danach eine Duldung erhalten, wird nach wie vor landesweit unterschiedlich gehandhabt und auch die vom Landtag bereits angemahnte Ausweitung auf berufsvorbereitende Maßnahmen ist bis heute nicht umgesetzt. Ich appelliere an das Innenministerium, hier aktiv zu werden, da sich aus der aktuellen Praxis Unsicherheiten und Integrationshemmnisse ergeben, die nicht hinnehmbar sind.

Einen letzten Punkt, der unser Augenmerk erfordert, möchte ich hier noch anführen: Das ist die Situation der Mädchen. Der Forschungsbericht gibt uns einen Einblick in die spezifischen Bedarfslagen der weiblichen jungen Geflüchteten, die zum Teil auch auf begleitete geflüchtete Mädchen und junge Frauen übertragbar sein dürften. Dies sind ein geringerer Bildungsstand als bei den männlichen Geflüchteten, Integrationshemmnisse, die sich aus den Rollenbildern in den Heimatländern ergeben aber auch besondere psychische und physische Belastungen durch sexuelle Gewalt vor und während der Flucht und besondere medizinische Bedarfe aufgrund von Genitalverstümmelung.

Der Bericht und die Evaluation zeigen uns auf, dass wir zwar auf einem guten Weg sind, es jedoch noch viel zu tun gibt, um die Situation von unbegleiteten Minderjährigen weiter zu verbessern und die Integration voranzubringen. Deshalb möchte ich anregen, dass wir den Bericht nach der heutigen Behandlung hier im Plenum nicht zu den Akten legen, sondern uns diesen in den Fachausschüssen noch einmal gemeinsam dahingehend anschauen, welche Handlungsbedarfe sich ergeben.“