Rede zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und zum Antrag zur Erleichterung von Investitionen in den Kommunen
Als Linke haben wir einen Gesetzentwurf zur Änderung des Brandenburgischen Finanzausgleichsgesetzes und einen Antrag „Investitionen in den Kommunen erleichtern!“ eingebracht. Beides wurde abgelehnt.
Die Debatte dazu kann man sich hier anschauen.
Ich habe zum Anfang und zum Ende der Debatte geredet. Beide Redebeiträge dokumentiere ich hier, zitiert aus der vorläufigen stenografischen Niederschrift:
„Unsere Kommunen sind die Herzkammer unseres Gemeinwesens. Hier wird die Lebenswirklichkeit der Menschen konkret gestaltet. Wenn in den Städten und Gemeinden etwas schiefläuft, spüren es die
Menschen sofort – aber auch, wenn etwas gut läuft. Die Frage, ob es vor Ort Kitaplätze gibt, entscheidet über die Lebensqualität von Familien. Und mit dem Vorhandensein und der Ausstattung von Schulen werden Lebenschancen von Kindern und Jugendlichen beeinflusst.
Den Kommunen kommt bei der Gestaltung der Lebensbedingungen im Land eine Schlüsselrolle zu. Sie gestalten die direkte Lebensumgebung der Menschen. Sie investieren in Schulen, Kitas, Verwaltungsgebäude, aber auch in Brücken, Straßen, Schwimmbäder oder Einwohnertreffpunkte.
Meine Damen und Herren! Der Abbau kommunaler Infrastruktur über viele Jahre, vor allem in den kleineren Gemeinden im ländlichen Raum, hat zu immer wiederkehrenden Frustrationserfahrungen geführt. Das ist eine Ursache für die tiefe Unzufriedenheit mit politischem Handeln, die sich in der aktuellen politischen Stimmung Bahn bricht. Es ist meine feste Überzeugung, dass die Lebensqualität in unseren Kommunen sehr viel damit zu tun hat, wie zufrieden die Bevölkerung mit dem Handeln politischer Akteure ist. Was vor Ort passiert, ist sofort sichtbar und fühlbar. Starke Kommunen mit Gestaltungsmacht sind deshalb der Schlüssel zu einem demokratischen und solidarischen Gemeinwesen.
Meine Damen und Herren! Wenn wir dem aktuellen Rechtsruck etwas entgegensetzen wollen, gelingt dies nicht, indem wir Rechtsextremen hinterherlaufen. Es gelingt vielmehr durch Handlungs- und Gestaltungsmacht für unsere Städte und Gemeinden.
Nach einer Umfrage im Rahmen des Kommunalpanels der Kreditanstalt für Wiederaufbau aus dem vergangenen Jahr befinden sich die Kommunen in Brandenburg in einer schwierigen Lage. Die Finanznot ist in vielen Gegenden akut. Die Städte und Gemeinden im Land Brandenburg hatten mit 588 Euro pro Einwohner weniger Ausgaben als im bundesweiten Durchschnitt; dieser lag bei 619 Euro. Auch die Ausgaben für Baumaßnahmen lagen mit 365 Euro je Einwohner bei uns unter dem bundesweiten Durchschnitt von 385 Euro.
Der Kommunale Finanzreport 2023 der Bertelsmann Stiftung bestätigt diese Erkenntnisse. Dort heißt es unter der Rubrik „Kommunale Investitionen im Ländervergleich, Kern- und Extrahaushalte, 2022“: Brandenburg 493 Euro je Einwohner; der bundesweite Durchschnitt der Flächenländer lag bei 537 Euro. Die Folge ist, dass insbesondere finanzschwache Kommunen längerfristige Investitionen aufschieben müssen. Je ländlicher die Region, je kleiner die Städte und Gemeinden, desto weniger finanzielle Handlungsfähigkeit ist gegeben.
Das Ganze findet zu demselben Zeitpunkt statt, zu dem das Land trotz Energiekrise, Inflation und Folgen des Ukrainekriegs wirtschaftlich durchstartet; es gab Rekordinvestitionen in neue Werke oder die Erweiterung von bestehenden Standorten. Allerdings kommt das offenbar nicht bei den Kommunen an; denn Brandenburg ist eines der sechs Bundesländer, die im Jahr 2022 trotz des gesamtdeutschen Überschusses ein Defizit der kommunalen Ebene verzeichneten; so heißt es im KfW-Kommunalpanel.
Ja, es ist von Landesseite aus einiges getan worden; das stellen wir nicht in Abrede. Und ja, es gibt einen Finanzausgleich, der in einem Gesetz festgelegt ist. Aber, meine Damen und Herren, Gesetze kann man ändern. Man muss sie ändern, wenn man erkennt, dass es ein Problem gibt.
Jetzt werden Sie vermutlich fragen: Warum kommt ihr denn erst jetzt damit? – Das kann ich Ihnen sagen: weil in den vergangenen Monaten immer deutlicher wurde, wie groß das Problem ist, und weil mittlerweile auch klar ist, dass dieses Problem nicht kleiner, sondern größer wird. Denn die Investitionstätigkeit der Kommunen im Land Brandenburg stagniert. Die Gründe sind sicherlich vielfältig, doch eines ist klar: Viele Städte und Gemeinden in Brandenburg sind finanziell in einer schwierigen Lage. Sie benötigen angesichts stark gestiegener Löhne und Preise mehr Finanzmittel, damit sie als zentrale Säulen der öffentlichen Daseinsvorsorge ihre Aufgaben erfüllen können.
Insbesondere die stetig steigenden Ausgaben schränken die Spielräume für Investitionen und Tilgungen ein. In der Folge können viele notwendige und wichtige Investitionen, insbesondere in kleinen und ländlichen Kommunen, nur noch mit Fördermitteln umgesetzt werden. Das ist aber keine dauerhafte Lösung. Einerseits sind diese Programme häufig überzeichnet. Andererseits verstärkt die Abhängigkeit von Fördermitteln die Ungleichheit zwischen den Kommunen. Die größeren haben in der Regel die Mittel, um mehrere Projekte vorzubereiten und, wenn das richtige Förderprogramm kommt, zuzuschlagen. Die kleineren können das nicht und haben teilweise sogar noch das Problem, dass sie die notwendigen Eigenmittel erst ansparen müssen; wenn die Eigenmittel dann vorhanden sind, ist das Programm aber auch schon wieder ausgeschöpft.
Meine Damen und Herren! Mit Förderprogrammen kann man als Land steuern, keine Frage. Aber die Abhängigkeit von Förderprogrammen schwächt die kommunale Selbstverwaltung und kommt tendenziell den stärkeren Kommunen mehr zugute als den schwächeren.
Hinzu kommt: Der Bedarf in den Städten und Gemeinden ist so groß, dass die Förderprogramme nicht ausreichen. Ich erinnere an den Zukunftsinvestitionsfonds des Landes Brandenburg. Mit diesem wurden 2021 90 Millionen Euro zur Umsetzung des Kommunalen Investitionsprogramms II – Bildung – zur Verfügung gestellt, um den Neubau, die energetische Sanierung und die Erweiterung von Schulen und Kitas zu fördern. 20 Millionen Euro waren für Kitaeinrichtungen vorgesehen. Von den insgesamt 744 gestellten Anträgen sind 442 bewilligt worden; mehr als 40 % der Anträge mussten abgelehnt werden. Für Schulen lagen 168 Anträge vor. 65 Kommunen konnten eine Förderung erhalten. Hier standen dem Fördervolumen von 70 Millionen Euro Anträge mit einem Volumen von insgesamt 670 Millionen Euro gegenüber – eine fast zehnfache Überzeichnung!
Hinzu kommt: Förderprogramme sind oft aufwändig und kompliziert. Der aktuelle Mittelabfluss aus dem KIP zur Feuerwehr-Infrastruktur – 40 Millionen Euro sind im Topf – beträgt seit 2020 8 Millionen Euro oder gerade einmal 20 %. Auch der Ausgleichsfonds des FAG – das Volumen beträgt 40 Millionen Euro pro Jahr – ist nicht die Lösung; er verzeichnet einen äußerst geringen Mittelabfluss. Das kann uns nicht zufriedenstellen.
Was heißt das konkret, zum Beispiel für die Kommune Wusterhausen? Dort ist vor einigen Jahren die Feuerwache abgebrannt. Der Übergangsbau genügt den sozialversicherungsrechtlichen Anforderungen nicht mehr. Einen Neubau würde man gern errichten; allein, die Kommune kann die Förderprogramme des Landes aufgrund fehlender Eigenmittel nicht in Anspruch nehmen.
Meine Damen und Herren! Wir müssen deshalb die Investitionskraft der Kommunen insgesamt stärken. Viele Investitionen können nicht warten, bis gerade einmal das passende Programm aufgelegt wird und zufällig auch der Eigenanteil auf dem Konto ist. Kinder, die in Kitas oder Schulen gehen wollen, brauchen jetzt einen Kindergartenplatz oder eine Schule, nicht erst in vielen Jahren. Brücken müssen sicher sein; eine Sanierung kann nicht ewig warten.
Deshalb schlagen wir Ihnen vor – erstens -, ab dem 1. Januar 2025 die Fortsetzung des derzeit geltenden Vorwegabzugs in Höhe von 70 Millionen Euro zu streichen und diese Summe den Kommunen als investive Schlüsselzuweisungen zur Verfügung zu stellen. Die Minderung der finanziellen Verbundmasse durch den Vorwegabzug soll also ab 2025 entfallen. Die frei werdenden Mittel in Höhe von 70 Millionen Euro sollen den Kommunen jährlich durch Änderung des Finanzausgleichsgesetzes als investive Schlüsselzuweisungen zur Verfügung gestellt werden.
Zweiter Vorschlag: Die ILB soll den Kommunen zinslose Darlehen für Investitionen zur Verfügung stellen, und zwar mit Laufzeiten, die bis zur Länge der Abschreibungszeit wählbar sind, wobei das Land die Zinskosten übernehmen soll. Das klingt zunächst einmal sehr herausfordernd. Damit aber die Tilgung der Investitionskredite für die Kommunen sicher erwirtschaftet werden kann und um die zukünftigen Instandhaltungen und Modernisierungen, beispielsweise von Schulgebäuden, ebenso leisten zu können, sollen sich die Laufzeiten an den zu erwirtschaftenden Abschreibungen orientieren dürfen. Denn wenn schneller getilgt wird, als die Investitionen abgeschrieben werden, fehlen der Kommune aufgrund der bilanziellen Vorschriften diese finanziellen Mittel, um die geschaffenen Werte dauerhaft erhalten oder neue Investitionen anstoßen zu können.
Drittens schlagen wir Ihnen vor, dass die investiven Schlüsselzuweisungen zur Tilgung von Investitionskrediten herangezogen werden können, damit insbesondere kleinere Kommunen große Investitionen schneller umsetzen können, da sie ansonsten die investiven Schlüsselzuweisungen erst über mehrere Jahre ansparen müssten. Das würde das Land übrigens keinen Cent kosten, hätte aber eine große Wirkung. Aktuell muss eine Gemeinde, die eine Grundschule bauen will, die investiven Schlüsselzuweisungen über mehrere Jahre ansparen. Bis das Geld zusammengekommen ist, sind die Baukosten gestiegen und die Kinder schon aus dem Grundschulalter heraus. Wesentlich sinnvoller wäre es da, die Schule gleich kreditfinanziert zu bauen, um die investiven Schlüsselzuweisungen der kommenden Jahre für die Kredittilgung verwenden zu können.
Meine Damen und Herren! Das sind unsere Vorschläge, um die Kommunen sehr schnell in ihrer Investitionskraft zu stärken. Da jetzt das Argument kommen wird: „Wir haben in dieser Wahlperiode nur noch ganze drei Monate, diese Regelung auf den Weg zu bringen“, sage ich schon an dieser Stelle: Wir haben für die Verabschiedung von Gesetzen schon sehr viel weniger Zeit benötigt.- Es ist also möglich, wenn man es denn will, dieses Investitionsstärkungsprogramm auf den Weg zu bringen. Wir bitten Sie deshalb um die Überweisung des Gesetzentwurfs und des Antrages federführend an den Finanzausschuss. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.“
Und hier die Rede zum Ende der Debatte:
„Ich möchte mich erst einmal für die weitgehend sachliche Debatte bedanken. Da ich von fast allen Rednern gehört habe, dass sie zumindest den einen Vorschlag ganz gut finden, freue ich mich auf die Überweisung an den Ausschuss, denn dann können wir wenigstens noch den einen Punkt in dieser Wahlperiode auf den Weg bringen.
Frau Wernicke, meines Wissens wird morgen nicht der Landtag aufgelöst, sondern wir sind noch drei Monate im Amt – und zwar bei echt guten Bezügen. Ich verstehe nicht, wieso eine Überweisung an einen Ausschuss nicht mehr möglich sein soll. Deswegen habe ich ja die Überweisung an den Ausschuss beantragt. Insofern ist es selbstverständlich möglich, das noch zu tun. Ich finde eher, es grenzt an
Arbeitsverweigerung, wenn ein Landtag sich sagt: Wir machen jetzt drei Monate gar nichts mehr.
Im Hinblick auf die inhaltlichen Punkte möchte ich vor allem noch etwas zu Herrn von Gizycki sagen. Herr von Gizycki, wir sind uns ja einig, dass wir auch über den horizontalen Finanzausgleich sehr intensiv reden müssen. Dazu habe ich auch noch ein paar Ideen. Ich nenne mal das Stichwort Flächenfaktor auch für Städte und Gemeinden usw., weil wir derzeit eine Unwucht im Finanzausgleich haben, bei der die sagen wir – mittelgroßen Städte und Gemeinden ganz gut dastehen, während die kleinen strukturell unterfinanziert sind. Da, denke ich, muss man ran. Diesen Punkt werden wir aber tatsächlich nicht mal auf die Schnelle klären.
Insofern denke ich, dass es eine intensivere Debatte braucht. Was wir jetzt aber brauchen, ist schnelle Hilfe bei Investitionen. Wie gesagt, wir haben drei Vorschläge vorgelegt, die sehr schnell umsetzbar wären – noch in dieser Wahlperiode.
Eine Bemerkung möchte ich noch zu Frau Lange machen: Frau Lange, es ist ja Ihr Job, uns darauf hinzuweisen, dass es selbstverständlich auch auf Landesebene einen Investitionsbedarf gibt. Politik ist aber immer Interessenabwägung und Prioritätensetzung. Wenn ich mir ansehe, wofür dieses Land teilweise Investitionsmittel raushaut – ich erinnere an Hunderte Millionen Euro für ein Abschiebedrehkreuz oder jetzt 10 Millionen Euro dafür, Flüchtlinge auf einer Oderinsel festzuhalten -, muss ich ganz klar sagen: Meine Prioritätensetzung ist eine andere. Dann möchte ich lieber, dass die Kommunen vor Ort gestärkt werden und wir vor Ort in Kitas, in Schulen, in Straßenbau, in kommunale Infrastruktur investieren können. Deshalb bleibe ich dabei: Diese 70 Millionen, die den Kommunen derzeit als Vorwegabzug vorenthalten werden, wären sehr gut vor Ort investiert, und dann könnte man vielleicht auf Landesebene auf die ein oder andere Maßnahme zur Gängelung von Flüchtlingen verzichten. – Herzlichen Dank.“