EinwohnerInnenversammlung(en) in Dallgow-Döberitz

EinwohnerInnenversammlung(en) in Dallgow-Döberitz

Der Landkreis hatte heute zu einer EinwohnerInnenversammlung zur Information über die Planungen einer Flüchtlingsunterkunft in Dallgow-Döberitz ins Curie-Gymnasium geladen.

Die Aula des Gymnasiums ist der größte Saal im Ort und fasst 200 Personen. Gekommen waren aber mehr als doppelt so viele. Dies sorgte gleich zu Beginn für großen Unmut sowohl bei denjenigen, die es in den Saal geschafft haben als auch – und vor allem – bei denjenigen, die draußen bleiben mussten. Ich fand den Kompromissvorschlag, aus der einen Veranstaltung zwei aufeinanderfolgende zu machen, das einzig richtige, was man in dieser Situation tun konnte, auch wenn dieser Vorschlag von vielen Anwesenden nicht geteilt wurde. Die Alternative, die gefordert wurde´war, das Ganze nach draußen zu verlagern. Wenig praktikabel, angesichts des notwendigen Umbaus bspw. der Tontechnik.

So fanden denn, auch wenn es einigen nicht gefiel, was durch lautstarke „Wir wollen rein“-Rufe bekräftigt wurde, im Saal zwei aufeinanderfolgende, jeweils ca. 1 1/2 Stunden dauernde Informationsveranstaltungen mit dem Sozialdezernenten des Landkreises, Wolfgang Gall, statt. Und draußen vor der Tür stand derweil der Bürgermeister Jürgen Hemberger (auf einem Stuhl stehend, wie berichtet wurde), den dort wartenden BürgerInnen Rede und Antwort. Ich kann hier nur über die beiden Veranstaltungen im Saal berichten, was draußen genau diskutiert wurde, weiß ich nicht.

Zum Inhalt: Zuerst, worum es geht. In Dallgow-Döeritz soll im Gewerbegebiet „Döberitzer Heide“, auch Artilleriepark genannt, für die Dauer von drei, maximal fünf Jahren, eine Gemeinschaftsunterkunft für ca. 200 Asylsuchende mit mobilen Raummodulen (also in Containerbauweise) errichtet werden. Parallel dazu soll(en) an einem oder zwei anderen Standorten eine bzw. zwei dauerhafte Einrichtung(en) zur Unterbringung der Flüchtlinge errichtet werden, die den Standort im Artilleriepark ersetzen soll(en). Dieses Vorgehen ist notwendig, da die Flüchtlingszahlen sich aktuell so rasant entwickeln, dass für Planung und Bau einer langfristigen Lösung der zeitliche Vorlauf fehlt und deshalb behelfsweise auf diese vorübergehende Lösung zurück gegriffen werden muss.

Ich will an dieser Stelle betonen, dass ich solche Containerlösungen für keine ideale Unterbringung für Flüchtlinge halte. Nicht nur, weil sie stigmatisierend sind sondern auch weil sie deutlich teurer sind, als dauerhafte, gut geplante Unterkünfte, bei denen eine andere Nachnutzung möglich ist. Gleichzeitig sichern solche Unterkünfte aus mobilen Raummodulen eine menschenwürdige Unterkunft und sind allemal besser als umgebaute Turnhallen oder gar Zelte. Da die Zeit drängt, kommen wir aber im Havelland, wie auch in anderen Landkreisen an dieser Unterbringungsform nicht vorbei.

Die Veranstaltungen waren beide sehr emotional, teilweise auch unsachlich. Neben dem Ärger, dass nicht alle Interessierten in den Saal passten, war zu spüren, dass sehr viele Gerüchte im Umlauf und Verunsicherung, Vorbehalte und auch Ängste vorhanden sind. Die Diskussion in beiden Veranstaltungen war denn auch in weiten Teilen recht heiß, immer wieder gab es nach einzelnen Wortmeldungen Beifall aber auch lautstarke Unmutsbekundungen. Der Sozialdezernent und auch der Anwesende Kollege von der Nauener Polizeiinspektion, Herr Gündel, mühten sich, alle Fragen zu beantworten, aufzuklären und alle wichtigen Informationen zu geben. Nicht allen haben die Antworten gefallen, was aber auch nicht zu erwarten war. Dennoch konnte einiges ausgeräumt werden, so die Befürchtungen, die Flüchtlingskinder würden die eh schon raren Kindergartenplätze weg nehmen. Auch die Befürchtungen, dass das Niveau des Unterrichts an den Schulen sinken könne, konnten ausgeräumt werden. Das Gerücht, der Aldi am Artilleriepark würde schließen, stellte sich als Finte heraus, im Gegenteil wird dessen Verkaufsfläche gerade erweitert.

Immer wieder kam es zu der Frage, welche Personen dort untergebracht würden. Der Sozialdezernent macht deutlich, dass diese Frage nicht eantwortet werden könne, da diejenigen, die ab November dort untergebracht werden, aktuell Deutschland noch gar nicht erreicht haben. Aus Erfahrung können man jedoch sagen, dass ca. 30 bis 40% Familien seien, die restlichen 60-70% seien Frauen und Männer. Auch zu den Nationalitäten könne man zum jetzigen Zeitpunkt nichts sagen, da auch dies Kaffeesatzleserei sei.

Weiterhin war in beiden Veranstaltungen großes Thema die Frage der Verteilung der Flüchtlinge im Landkreis. Warum werden in Falkensee, wenn die zweite Unterkunft errichtet ist, trotz vierfacher Bevölkerungszahl etwa genausoviele Flüchtlinge untergebracht wie in Dallgow-Döberitz. Warum also in Falkensee nicht mehr und dafür in Dallgow weniger? Klar ist, dass eine Quotenverteilung im Landkreis bei steigenden Zahlen nur dann möglich wäre, wenn ausschließlich eine dezentrale Unterbringung erfolgen würde. Gerade im berlinnahen Raum ist genau dies aber schwierig, da eh schon Wohnraumknappheit herrscht. Der Gemeindevertreter Herr Pförtner machte denn auch deutlich, dass die Gemeindevertretung sich gegen den Vorschlag gewandt hat, den wenigen vorhandenen kommunalen Wohnraum (in Seeburg) für die Flüchtlingsunterbringung zu nutzen, weil dies eine Entmietung der dort teilweise bereits seit Jahrzehnten wohnenden MieterInnen bedeuten würde. Gleichzeitig wies der Bürgermeister von Friesack darauf hin, dass seine Stadt bei 200 EinwohnerInnen in der Kernstadt aktuell 130 Flüchtlinge beherbergt und es keine Probleme gibt. Hinzu kommt, dass in den letzten Jahren alle Asylsuchenden im Westhavelland untergebracht waren. Deshalb werden aktuell vorrangig im Osthavelland Unterkünfte errichtet, bspw. in Falkensee und Nauen, perspektivisch auch in Schönwalde, Wustermark und Brieselang.

Viele weitere Fragen wurden erörtert, das würde hier den Rahmen sprengen. Erwähnen will ich aber noch, dass sich eine Willkommensinitiative gegründet hat. Diese hat bereits jetzt 50 Mitglieder, Tendenz steigend. Die mitglieder stellten auf beiden Veranstaltungen die Initiative vor. Hoffentlich finden sich viele MitstreiterInnen!

Fazit: Es sind ganz viele Verunsicherungen und Ängste vorhanden, die heute nicht alle augeräumt werden konnten. Es war emotional, aber im Rahmen. Es gab keine rechtsextremistischen Störer. Sicher sind nicht alle TeilnehmerInnen zufrieden nach Hause gegangen. Dies lag aber nicht daran, dass ihre Fragen nicht beantwortet wurden, ggf. aber daran, dass ihnen die Antworten nicht gefallen haben. Viele BürgerInnen waren aber froh, so viele Informationen bekommen zu haben. Klar ist aber, dass weitere Informations- und Kommunikationsarbeit stattfinden muss. Und die Zeit, die bis zum Erstbezug der Unterkunft vergeht, muss genutzt werden, Ressentiments und Vorurteile abzubauen.

 

Ein lesenswerter Bericht ist übrigens in der Brandenburger Woche (BRAWO) erschienen, zu diesem geht es hier.