Rede zum Antrag der Freien Wähler zur Erstattung gespaltener Gebühren bei Altanschließern

Rede zum Antrag der Freien Wähler zur Erstattung gespaltener Gebühren bei Altanschließern

Dem Landtag lag ein Antrag von BVB/Freie Wähler: „Rechtsstaat trotzt Abwassertricks: Altanschließer entschädigen & Erstattung der gespaltenen Gebühren unverzüglich vornehmen“ vor. Er wurde abgelehnt.

Das Video zur Debatte ist hier verfügbar.

Meine Rede dazu dokumentiere ich hier:

„Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Bundesverwaltungsgericht hat am 17. Oktober 2023 entschieden, dass entgegen der bisherigen Rechtsprechung ein Gebührensplitting in Bezug auf hypothetisch festsetzungsverjährte Anschlussbeiträge nicht erfolgen darf. Damit nimmt die Debatte um die sogenannten Altanschließer die nächste Schleife.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Begründung sehr deutlich darauf hingewiesen, dass die Erhebung von höheren Gebührensätzen für die Bürgerinnen und Bürger, die sich erfolgreich gegen die Erhebung von Altanschließerbeiträgen gewehrt haben, gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes und den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt. Nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts reicht das so weit, dass diese Bürgerinnen und Bürger nicht nur keine Beiträge mehr zahlen müssen, sondern auch nicht über Benutzungsgebühren zur Deckung der Herstellungskosten beitragen müssen.

Diese Entscheidung kann man durchaus als überraschend bezeichnen, denn nach der Rechtsprechung im Land Brandenburg und auch auf Bundesebene wurde ein solches Vorgeben bisher für rechtlich möglich gehalten. Allerdings waren die höchstrichterlichen Entscheidungen auch noch nicht zu genau dieser Frage, nämlich einer Umlage hypothetisch verjährter Beiträge auf Gebühren, ergangen. Insofern ist die Entscheidung vielleicht doch nicht ganz so überraschend, denn dass die nicht eingenommenen und hypothetisch verjährten Beiträge über den Umweg der Gebührensatzung nachträglich doch noch eingenommen werden sollen, erscheint sowohl juristisch schwierig als auch ungerecht. Daher werden wir dem Antrag der Freien Wähler zustimmen.

Ein paar Bemerkungen zum Antrag: Zu Punkt 1: Das Innenministerium hat ein solches Vorgehen in der letzten Sitzung des Innenausschusses bereits angekündigt – ich erinnere an die Ausführungen des Abteilungsleiters in dieser Sitzung. Entsprechende Hinweise zu der Entscheidung hat das Innenministerium bereits vorbereitet; die weiteren Hinweise zum Umgang mit dieser Entscheidung sollen erst nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ergehen.

Das ist aus unserer Sicht schon richtig so, auch wenn mit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts tatsächlich keine großen Überraschungen mehr zu erwarten sind, Herr Noack. Die Festlegungen des Bundesverwaltungsgerichts sind tatsächlich sehr weitreichend, und dem Oberverwaltungsgericht bleibt nur ein sehr kleiner Spielraum für eigene Feststellungen.

Zu Punkt zwei: Die Freien Wähler berücksichtigen in ihrem Antrag diesmal die kommunale Selbstverwaltung, indem sie es dieses Mal den Aufgabenträgern überlassen wollen, über eventuelle Rückzahlungen zu entscheiden. Einige Zweckverbände haben bereits reagiert, indem sie feststellten, dass sie gar nicht betroffen sind, weil sie das Gebührenmodell nicht gewechselt hatten. Andere haben ihre Gebührensatzungen bereits umgestellt und neu beschlossen. Ob dabei die Auffassung einiger Zweckverbände, sie hätten ihr Gebührenmodell nicht gewechselt und seien deshalb nicht betroffen, tatsächlich zu halten sein wird, werden wir sehen. Auch die Beschränkung auf bestandskräftige Gebührenbescheide oder Satzungen scheint mir kein guter Ausweg zu sein.

Das bedeutet nämlich am Ende auch eine Salamitaktik nach dem Motto: Wenn Sie nun schon diesmal Widerspruch eingelegt haben, machen Sie es beim nächsten Mal vielleicht nicht mehr, und irgendwann kriegen wir Sie alle! – Das kann wirklich nicht das Ziel sein. Wir müssen eine Lösung finden.

So stimmen wir auch dem dritten Punkt zu: Aus unserer Sicht sollte die Einrichtung eines solchen Fonds, der den Aufgabenträgern entstehende Kosten erstattet, tatsächlich in Erwägung gezogen werden, denn die Auswirkungen der Gerichtsentscheidung könnten erheblich sein. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist in der Endkonsequenz wahrscheinlich sehr weitreichend, denn wenn es gar nicht auf einen Wechsel des Gebührenmodells ankommt, sondern einzig und allein darauf, ob hypothetisch verjährte und somit nicht erreichbare Beitragsforderungen in die Gebührenkalkulation und damit in die Gebührensatzung eingeflossen sind, stehen den Aufgabenträgern Rückzahlungen in Größenordnungen bevor, und es wird eine Vielzahl von Aufgabenträgern betroffen sein. Für einen solchen Fall braucht es Hilfe – in welcher Höhe und in welchem Umfang, müssen wir tatsächlich noch klären. Das kann man zum jetzigen Zeitpunkt nicht seriös vorhersagen. Das Land hat aber – daran möchte ich zumindest Herrn Noack erinnern – nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 2015, also unter einer rot-roten Regierung, schon einmal eine solche Hilfe an Zweckverbände geleistet, wenn auch nur für den kleineren Teil der damals erforderlichen Neubescheide.

Aber, meine Damen und Herren, es gibt eben auch die Regelung aus § 19 Abs. 2 des Kommunalabgabengesetzes. Da geht es um Mehrbelastungen ohne Verschulden. Das ist tatsächlich eine Erstattungsregelung. Sie rechtfertigt aus unserer Sicht die vorsorgliche Einrichtung eines solchen Fonds, beginnend mit dem Jahr 2025. Wir werden zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.“