Berliner Flüchtlinge nach Brandenburg?

Berliner Flüchtlinge nach Brandenburg?

In den vergangenen Monaten flammte die Diskussion immer wieder auf: Kann und will Brandenburg Berlin bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen helfen? In Rede stand bisher, Berlin wolle die Messehallen in Selchow mit bis zu 5.000 Geflüchteten belegen. Dies wurde und wird von Brandenburg zurecht abgelehnt! Allerdings ließ in der Vergangenheit auch der Ton zu wünschen übrig, erinnert sei an den Satz des Brandenburger Innenministers „Es kann nicht sein, dass Susi Sorglos auf dem Tempelhofer Feld Drachen steigen lässt – und wir sollen für die Berliner die Quote übernehmen“.

Die Fronten waren also weitgehend verhärtet, jedoch scheint nun zumindest teilweise Sachlichkeit in die Debatte einzuziehen. Teilweise, weil Frau Richstein (CDU) auf die bloße Ankündigung hin, man würde miteinander reden und schauen, ob sich gemeinsame Lösungen finden, in der Märkischen Allgemeinen gleich die ganz große Keule raus holte. Dort ist zu lesen: „Die asylpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Barbara Richstein, zeigte sich über das Zugeständnis Woidkes verwundert. „Erst lässt er über seinen Innenminister ausrichten, Berlin solle seine Hausaufgeben in der Flüchtlingspolitik machen, jetzt lenkt er plötzlich ein“, sagte sie. „ Ich denke, Brandenburg möchte dem Berliner Regierungschef ein Wahlkampfgeschenk machen.““ Es wäre gut, wenn auch die CDU-Opposition solche Debatten mit Ernsthaftigkeit führen und Argumente abwägen würden, ohne gleich „Wahlkampfgetöse“ zu unterstellen.

Soviel zur Vorbemerkung. Und nun zu meiner Position:

Angesichts der hohe Flüchtlingszahlen im vergangenen Jahr haben das Land Brandenburg und die Landkreise und kreisfreien Städte die Kapazitäten bei der Flüchtlingsunterbringung und -versorgung stark erhöht. Noch in diesem Jahr wird die Kapazität der Erstaufnahme auf 10.000 Plätze ansteigen und die Kommunen haben ihre Platzzahlen dem erwarteten Bedarf angepasst. Allerdings kommen aktuell sehr viel weniger Geflüchtete nach Deutschland – vor allem wegen des Winters, der Schließung der Balkanroute und dem menschenunwürdigen Deal mit der Türkei – als noch vor einigen Monaten. Und niemand weiß, wie sich dies weiter entwickeln wird.

Was wir allerdings wissen ist, dass überall an den Außengrenzen Europas und aktuell vor allem in Griechenland Geflüchtete unter katastrophalen Bedingungen im Schlamm und Dreck, ohne ausreichende Versorgung und Unterbringung hausen müssen. Das Motto lautet nicht mehr „Wir schaffen das“ sondern „Die anderen werden das schaffen“. Und das, obwohl überall in Deutschland Kapazitäten in den Erstaufnahmen frei sind, in denen sofort die Kinder, Frauen und Männer, die bspw. in Idomeni unter unwürdigsten Zuständen überleben müssen, untergebracht werden könnten. Bodo Ramelow hat angeboten, Menschen aus Idomeni sofort nach Thüringen zu holen, wenn die Bundesregierung die Voraussetzungen schaffen würde. Die hat allerdings auf „Abschottung“ geschaltet. Und so stehen die Unterkünfte leer…

Für das Land Brandenburg bedeutet die aktuelle Situation, das ca. 4.000 Plätze (von ca. 6.000 derzeit vorhandenen) in der Erstaufnahme frei sind. Das heißt, es werden Plätze vorgehalten, die einem guten Standard entsprechen und auch das Personal für Betreuung und Versorgung, die Kapazitäten bei der Erstuntersuchung usw. sind belegbar. Sicher kann man bei Nichtbelegung an einigen Stellen Kosten sparen, klar ist aber, dass auch leer stehende Plätze das Land Geld kosten. Dennoch ist es richtig, dass wir die Kapazitäten erhöht haben, um nicht wieder im vergangenen Herbst bei steigenden Flüchtlingszahlen auf die Unterbringung in Zelten zurückgreifen zu müssen und um einen ausreichenden „Puffer“ vorzuhalten, um den Aufnahmedruck auf die Kommunen abzumildern. Dennoch bleibt es dabei: Integration ist in der Erstaufnahme nicht möglich, weshalb wir als LINKE einen möglichst kurzen Aufenthalt in diesen Einrichtungen wollen.

Aber auch die Landkreise und kreisfreien Städte haben in den vergangenen Monaten große Anstrengungen unternommen, um genügend Plätze für die Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten vorzuhalten. Da der Vorlauf bei Bauvorhaben recht lang ist, werden auch jetzt und in den kommenden Wochen und Monaten neue Unterkünfte fertig. Diese neu geschaffenen Unterkünfte können erst einmal dadurch belegt werden, dass kurzfristige Notunterkünfte abgebaut und „Verdichtungen“ (also höhere Belegung als eigentlich vorgesehen) beseitigt werden. Und Kapazitäten, die bisher belegt waren, werden ebenfalls frei, wenn die Geflüchteten einen Aufenthaltsstatus erhalten und aus den Übergangswohnheimen oder Übergangswohnungen ausziehen. Bei weiterhin niedrigen Flüchtlingszahlen werden deshalb die Kommunen vor der Situation stehen, dass auch bei ihnen Unterkunftsplätze leer stehen. Das hat zur Folge, dass sie die Investitionen, die sie dafür getätigt haben, nicht refinanzieren können, da das Land die Unterbringungspauschale pro Person, also nur für belegte Plätze zahlt. Und auch das Personal in den Unterkünften kann nur refinanziert werden, wenn auch Geflüchtete untergebracht sind. Die Kommunen haben also ein Interesse daran, dass ihre Kapazitäten ausgenutzt werden.

Und gleichzeitig sind in Berlin Geflüchtete in Flughafenhangars und Notunterkünften unter katastrophalen Bedingungen untergebracht. Natürlich kann und muss man kritisieren, dass Berlin über Monate seine Hausaufgaben nicht gemacht hat und schon längst für genügend Plätze mit guten Bedingungen hätte sorgen müssen. Das hilft aber den Geflüchteten nicht. Und deshalb glaube ich, dass es für alle Seiten, für die Geflüchteten, für Berlin und für Brandenburg und seine Kommunen gut wäre, wenn es eine Vereinbarung, wie Brandenburg Berlin helfen kann, gäbe.

Allerdings denke ich, dass es dabei nicht nur um die Erstaufnahme gehen kann, wie aktuell geplant zu sein scheint. Vielmehr ist aus meiner Sicht eine Vereinbarung, unter welchen Bedingungen Geflüchtete aus Berlin in den Landkreisen und kreisfreien Städten untergebracht werden können, prioritär. Vor allem weil nur dort (und eben nicht in der Erstaufnahme) die Schulpflicht für die Kinder gilt, das Ankommen und zur Ruhe Kommen, der Spracherwerb und das Kennenlernen des Lebens in Deutschland stattfinden und damit die Integration starten kann. Aber auch, weil dies wie dargelegt, die Kommunen in die Lage versetzen würde, leer stehende Plätze zu belegen und sie damit nicht gezwungen wären, vorgehaltenes Personal entlassen zu müssen. Und auch die Refinanzierung der Investitionskosten wäre einfacher.

Das geht nur auf freiwilliger Basis – auf Seiten der Kommunen und auf Seiten der Geflüchteten -, die Voraussetzungen müsste allerdings das Land in Zusammenarbeit mit Berlin schaffen. Da wäre zu klären, welche Standards gelten (aus meiner Sicht müssten das die sein, die das Landesaufnahmegesetz des Landes Brandenburg mit den zugehörigen Verordnungen vorschreibt), wie die Kostenerstattung erfolgt (auch hier gibt das Landesaufnahmegesetz den Rahmen vor, allerdings würde eine zu errechnende bzw. zu verhandelnde Summe hinzu kommen für die Kosten der Integration, die durch das Landesaufnahmegesetz nicht geregelt sind, bspw. Schulkosten) und wie der Übergang in den Rechtskreis des SGB II (also bei Erlangung eines Aufenthaltsstatus) erfolgt und bei wem dann die Zuständigkeit und Kostenträgerschaft liegt.

Sekundär kann dann auch eine Vereinbarung getroffen werden, dass Geflüchtete aus Berlin, die nicht von den Kommunen Brandenburgs aufgenommen werden, in den Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht werden können Auch hier dürften die Bedingungen besser sein als vielerorts in Berlin. Wie dargelegt wäre dies aber aus meiner Sicht nicht die ideale Lösung, prioritär sollte die Unterbringung in den Kommunen sein.

Dies wäre mein Vorschlag zum Umgang mit dem Wunsch Berlins, Geflüchtete auch in Brandenburg unterzubringen. Und, das sei am Rande erwähnt, das wäre dann kein „Wahlkampfgeschenk“, wie Frau Richstein meint, sondern eine vernünftoge Lösung für alle Seiten.

Gleichzeitig bleibt jedoch zu erwähnen: Selbst wenn es zu einer solchen Lösung kommt, bleibt Berlin in der Verantwortung, endlich genügend Plätze in regulären Unterkünften zu schaffen. Wenn die Flüchtlingszahlen wieder ansteigen sollten, wird Brandenburg erst einmal seinen eigenen Verpflichtungen nachkommen. Und wenn die Bundesregierung sich endlich entscheidet, den Vorschlag von Bodo Ramelow aufzugreifen und Geflüchteten aus Idomeni aus ihrer verzweifelten Lage heraus zu helfen, dann wird Brandenburg sehr schnell kaum noch freie Plätze haben. Berlin muss also handeln, egal ob es zu einer Vereinbarung kommt oder nicht!