Bericht von der heutigen Kreistagssitzung
Heute fand die letzte Kreistagssitzung vor der Sommerpause statt. Die Tagesordnung war lang: 25 Tagesordnungspunkte. Davon waren einige völlig unstrittig, bspw. die Reorganisation der Verkehrsgesellschaft Havelbus, die sicher zu den wichtigsten Beschlüssen des heutigen Tages gehört, musste doch nach der Zerschlagung der Gesellschaft durch den Landkreis Potsdam-Mittelmark die Neuordnung auf den Weg gebracht werden, um im Landkreis den ÖPNV in gewohnter Qualität zu sichern.
Einige andere Punkte waren jedoch durchaus kontrovers. Über diese will ich hier vor allem berichten.
Strittig war bspw. die Verabschiedung des Nachtragshaushalts. Ein solcher muss verabschiedet werden, wenn sich in der Einnahme- und Ausgabesituation im Verlauf des Haushaltsjahres erhebliche und unabweisliche Verschiebungen ergeben. Der Nachtragshaushalt wurde unter anderem notwendig, weil die Entwicklung der Zahl der aufzunehmenden Asylsuchenden die Errichtung weiterer Gemeinschaftsunterkünfte notwendig macht. Gleichzeitig ergibt sich dadurch auch ein erhöhter Personalbedarf. So weit so unstrittig. Strittig war jedoch die Zuführung von 2,5 Millionen Euro an die kreiseigene Kulturstiftung. Diese wurde geschaffen, um Kultur im Havelland dauerhaft und haushaltsunabhängig zu fördern. Dies fand auch bisher immer unsere Zustimmung und wir haben den Kapitalzuführungen zugestimmt. Eine weitere Kapitalerhöhung um 2,5 Millionen Euro im Rahmen einer Nachtragshaushaltssatzung halten wir jedoch für nicht sachgerecht. Nicht nur, weil dies nichts in einem Nachtragshaushalt zu suchen hat, da es sich nicht um eine unabweisliche Notwendigkeit handelt. Die Begründung, dass die Stiftung wegen der aktuellen Niedrigzinsphase ihren Stiftungszweck nicht mehr erfüllen kann, da quasi nur noch die Verwaltungsausgaben erwirtschaftet werden, verstehen wir. Es erschließt sich aber nicht, warum dies nicht durch eien Zuführung von 70.000 Euro (oder eine andere Summe, dies entspräche aber in etwa dem zu erwartenden Zinsertrag) aus dem laufenden Haushalt als institutionelle Förderung erfolgen kann. Eine solche Kapitalzufuhr aus der Rücklage des Landkreises schmälert dessen politische Handlungsfähigkeit für den Fall, dass ein erhöhter Bedarf (und damit eine Entnahme aus der Rücklage) in den folgenden Haushaltsjahren notwendig wird. Wenn man sich anschaut, dass aus den 21 Millionen Euro Rücklagen des Kreises allein durch diesen Nachtragshaushalt 7 Millionen Euro entnommen werden. Ich fand es fast schon peinlich, dass gerade ich als LINKE an dieser Stelle die „schwäbische Hausfrau“ raushängen lassen musste. Ich gebe zu, an solchen Stellen eher einer konservativen Haushaltsführung anzuhängen, zumal die einzige Begründung für dieses Vorgehen die anstehende Kreisgebietsreform war. Künstlich arm rechnen durch Beiseiteschaffen von Geld ist die Devise der Zählgemeinschaft und des Landrates. Nicht mit uns! Und deshalb konnten wir dem Nachtragshaushalt auch nicht zustimmen.
Zweiter strittiger Punkt war die Errichtung von Gemeinschaftsunterkünften in Containerbauweise in Dallgow-Döberitz und Schönwalde. Im Vorfeld hatten wir bereits deutlich gemacht, dass wir den gefundenen Kompromiss in Dallgow-Döberitz mit der vorübergehenden Anmietung der mobilen Raummodule für 200 Personen mittragen können, da parallel eine dauerhafte Lösung mit der Errichtung von einer oder mehrerer Gemeinschaftsunterkünfte in herkömmlicher Bauweise im Gemeindegebiet einhergeht und diese nach Fertigstellung die Container ablöst. Die für Schönwalde geplante Anmietung solcher Wohncontainer für 400 Personen an einem Standort etwas außerhalb des Siedlungsgebiets und vor allem ohne eine perspektivische Alternative konnten wir jedoch nicht mittragen. Weil eine solche Unterkunft mit 400 Personen zu groß ist, um sie vernünftig händeln zu können und weil diese Lösung sowohl Konfliktpotenzial als auch mangelnde Integration beinhaltet. Bei aller Verantwortung in dieser für den Landkreis nicht einfachen Situation, in der sehr schnell sehr viele Plätze zur Unterbringung von Asylsuchenden geschaffen werden müssen, haben wir in der Abwägung entschieden, dass es hier bessere Lösungen, bspw. die Verteilung auf zwei Standorte gegeben hätte. Und es fehlt hier die perspektivische Alternativlösung, wie sie in Dallgow-Döberitz gefunden wurde. Wir haben uns deshalb (mehrheitlich) enthalten. Gleichzeitig werden wir natürlich daran arbeiten, dass nun, da der Beschluss gefasst ist, das Beste daraus gemacht wird und wir werden all jene unterstützen, die sich in Schönwalde für die dort untergebrachten Flüchtlinge engagieren.
Interessant war in diesem Zusammenhang auch, dass der Landrat behauptete, die Petition der Initiative „Jugend für Asyl“, die seinem Büro heute morgen zugegangen ist, nicht zu kennen sondern nur aus der Zeitung davon erfahren zu haben. Diese Petition will, dass im Havelland eine menschenwürdige Unterkunft für Asylsuchende geschaffen wird. Da kann ich nur sagen: Mails lesen soll helfen!
Und dann gab es eine Premiere: Mehr als ein Jahr nach der Wahl hatte die AfD erstmals drei Anträge eingebracht. Der erste beschäftigte sich mit der anstehenden Kreisgebietsreform. Hier sollte der Kreistag ein Bekenntnis zur Eigenständigkeit des Havelland beschließen. Wir waren überrascht, wie mit diesem durchaus populistischen Ansinnen umgegangen wurde. Wird uns in diesem Kreistag jeder noch so sinnvolle Antrag um die Ohren gehauen, werden die absurdesten Begründungen hervorgeholt, um unseren Anträgen ja nicht zustimmen zu müssen und ist der Zählgemeinschaft nicht das kleinste auf uns zugehen zu entlocken, so konnten wir beobachten, wie die Zählgemeinschaft aus SPD, CDU, FDP und Bauern bei diesem AfD-Antrag ganz anders agierte. Zwar wollte man dem Antrag nicht zustimmen, doch wurde mehrmals betont, dass der Antrag ja in die richtige Richtung ginge. Keiner sagte auch nur ein Wort dazu, dass es sich hier um einen (auch noch aus anderen Landkreisen abgeschriebenen) Schaufensterantrag handelte, der ein reines Aufspringen auf einen vermeintlichen „Volkswillen“ bedeutete. Im Gegenteil, der Landrat bot sogar an, man könne darüber ja noch mal reden und eine gemeinsame Position finden. Oh ja, einen solchen Umgang mit unseren Initiativen haben wir uns schon oft gewünscht. Sehr interessant, dass es diesen bei der AfD gibt und sehr bedenklich, wenn man sich anschaut, um was für eine Partei es sich dabei handelt… (Zum Vergleich kann man ja noch mal auf die vergangene Kreistagssitzung verweisen.)
Die zwei weiteren Anträge der AfD beschäftigten sich (das ist jetzt keine Überraschung, oder?) mit dem Thema Asyl. Dort wurde einerseits gefordert, im Landkreis eine Quote für die Gemeinden festzulegen, wie viele Asylsuchende dort unterzubringen sind und im zweiten Antrag ging es darum, in der Nähe von Schulen nur Familien in möglichst kleinen Unterkünften unterzubringen – mit Verweis auf die Kriminalität alleinreisender Männer. Auch hier wurde vor allem sachlich argumentiert, den Grünen und mir war es jedoch vorbehalten, auf die dahinter stehende Intention des Schürens von Vorbehalten und Ängsten hinzuweisen. Ich habe deutlich gemacht, dass wir als LINKE keinem Antrag der AfD zustimmen werden, so schöne Sachen auch teilweise drin stehen mögen. In diesem Fall auch, weil die Intention das Schüren von Ängsten in der Bevölkerung und nicht den Abbau derselben im Blick hat. Vor allem aber, weil die bundes- und landesweite Entwicklung dieser Partei inzwischen offensichtlich ist: hin zu einer rechtsnationalen Partei, die vor allem versucht, durch das Schüren von Ressentiments parteipolitisch Kapital zu schlagen. Ich habe heute frei geredet, weshalb ich hier meine Reden nicht dokumentieren kann. Einen Teil will ich aer aus dem Gedächtnis wiedergeben: „Die AfD versucht zu suggerieren, dass durch die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften die Kriminalität steigt. Sie wissen es besser: Auch die AfD weiß, dass dem gerade nicht so ist. Was aber steigt, ist die rassistisch motivierte Kriminalität. Und genau diese wir durch solche Anträge befördert.“
Schlussendlich stand noch unser Antrag zur Übertragung von Kreistagssitzungen per Livestream. Wir hatten dies vor allem mit verbesserter Teilhabe und Information für alle BürgerInnen, Schaffung von barrierefreien Angeboten für ältere Menschen und Menschen mt Behinderungen und Transparenz begründet. Die geneigten LeserInnen dieses Blogs werden ahnen, was das Ergebnis war: Richtig, der Antrag wurde abgelehnt. Allerdings muss man dem Kollegen Appenzeller von der SPD zumindest bescheinigen, dass er sich Mühe gegeben hat, bei der Begründung der Ablehnung, auch wenn ein Teil der Argumente vorgeschoben war (Aufwand, Kosten…), waren einige zumindest bedenkenswert (Datenschutz) wenn auch, bei politischem Willen auch lösbar.
So bleibt von dieser Sitzung ein fahler Beigeschmack. Zwar war die Debatte in weiten Teilen deutlich sachlicher, als wir das in der letzten Zeit gewohnt sind, scheint mit der Umgang mit der AfD ein Feld, zu dem wir das Gespräch mit den anderen demokratischen Fraktionen wohl noch einmal suchen müssen.