Bildungsreise mit dem kommunalpolitischen forum nach Brüssel

Bildungsreise mit dem kommunalpolitischen forum nach Brüssel

Vom 19. bis 22. März war ich mit dem kommunalpolitischen forum Brandenburg e.V. in Brüssel. Das kommunalpolitische forum bietet in jedem Jahr eine Bildungsreise für Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker an. Dabei sollen die vor Ort Aktiven die Chance bekommen, sich anzuschauen, wie bestimmte kommunalpolitische Themen in anderen Ländern bearbeitet werden. Die diesjährige Fahrt hatte einen etwas anderen Schwerpunkt: Im Mittelpunkt stand die Europäische Union und es ging vor allem darum, Verständnis für die Auswirkungen europäischer Politik auf die Kommunalpolitik vor Ort zu entwickeln und aufzuzeigen, wie europäische Politik beeinflusst werden kann und wird.

Am Sonntag konnten wir nach der Anreise ein wenig die Stadt erkunden. Abends traf ich mich individuell mit dem Leiter des Brüsseler Büros der rosa-luxemburg-stiftung, Martin Schirdewan, zu einem Abendessen. Neben der Arbeit der Stiftung waren aktuelle Entwicklungen der europäischen Politik Thema des Austauschs.

Unser erster Termin am Montag war im Brüsseler Büro des Städte- und Gemeindebunds. Klaus Nutzenberger, der Leiter des Büros, zeigt uns auf, wie dieser kommunale Spitzenverband in Brüssel die Interessen der deutschen Kommunen vertritt. Dabei geht es neben der Interessenvertratung auch um die Informationssammlung und -aufbereitung über Prozesse in der europäischen Politik, um die Meinungsbildung der Kommunen in Deutschland zu ermöglichen. Der Verband versucht, die europäische Politik im Sinne der Kommunen zu beeinflussen.

Herr Nutzenberger sieht die EU aktuell vor einigen Herausforderungen. Er nannte die Krise des Euro, die Migration und die notwendige Demokratisierung. Für die Kommunen sei jedoch vor allem der Prozess der Digitalisierung, der von der EU vorangetrieben wird, von Bedeutung. Dabei betonte er, dass dies nicht nur eine Frage der Infrasturktur sei, sondern auch der Personalschulung. Dazu ist auch die Frage zu beantworten, was mit staatlicherseits gesammelten Daten passiert. Hier gibt es wohl aktuell die Debatte, ob diese Daten der Allgemeinheit kostenfrei zugänglich gemacht oder wirtschaftlich verwertet werden. Ich persönlich sehe beides sehr kritisch, da in den vergangenen Jahren immer stärker Daten auf allen Ebenen gesammelt werden – durch Unternehmen aber auch durch den Staat. Dabei ist aber immer auch das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf informationelle Selbstbestimmung berührt und es bsteht die berechtigte Sorge, dass dieses immer weiter ausgehöhlt wird. Wir haben noch weitere Themen diskutiert, bspw. Fragen des Energiebinnenmarkts, der Verkehrspolitik aber auch ganz praktische Fragen wie die Einführung der Biotonne in den Kommunen.

Der nächste Termin war ein Treffen mit Wolfgang Baumann, dem stellvertretenden Leiter des Büros des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands. Er machte deutlich, dass die Interessenvertretung für das deutsche Sparkassensystem immer wichtiger wird, da sich die EU-Bankenpolitik vor allem an börsennotierten Banken orientiert. Obwohl das deutsche Bankensystem mit seinen drei Säulen – öffentlich-rechtliche Lokalbanken, Genossenschaftsbanken und privatwirtschaftliche Unternehmen – sich in der Finanzkrise besser behauptet hat als andere Systeme, seien vor allem die Lokal- und Genossenschaftsbanken der EU-Kommission ein Dorn im Auge. Umso wichtiger sei es, bei den Institutionen Verständnis für die öffentlich-rechtliche Sturktur und die Gemeinwohlorientierung der Sparkassen zu wecken und eine differnzierte Regulierung zu fordern.

Diese Skulptur symbolisiert di europäische Integration. Sie wiegt 9,5 Tonnen und hängt an einem einzigen Aufhänger.

Wir besuchten außerdem das Europäische Parlament und trafen dort den Europa-Abgeordneten de LINKEN, Helmut Scholz. Er berichtete uns über seine Arbeit und das Funktionieren des Parlaments. Ich führe das hier nicht im Enzelnen aus, das kann man auf diversen Websites nachlesen.

Abends trafen wir uns im Hotel zu einer Gesprächsrunde mit Martina Michels, ebenfalls Abgeordnete des Europäischen Parlaments, und widerum Helmut Scholz. Hier wurden verschiedene Fragen der europäischen Politik, die den Teilnehmerinnen und Teilnehmern unserer Reise auf den Nägeln brannten, diskutiert.

Am Dienstag stand zuerst ein Besuch bei der brandenburgischen Landesvertretung in Brüssel auf dem Programm. Herr Wenig, der Leiter des Büros, berichtete uns sehr anschaulich, wie das Büro die Vertretung der Interessen des Landes organisiert. Dabei geht es neben Informationsbeschaffung und -aufbereitung vor allem auch darum, andere Regionen zu finden, die in der jeweiligen Einzelfrage ähnliche Interessen haben, um diese dann gemeinsam bei den europäischen Institutionen zu vertreten.

Die Landesvertretung wurde 1992 gegründet und hat aktuell 10 Mitarbeiter. Herr Wenig erzählte uns, dass es ca. 300 ähnliche Büros, die die Interessen ihrer jeweiligen Region vertreten, in Brüssel gibt. Diese sehen sich mehr als 40.000 Lobbyisten aus der Wirtschaft gegenüber. Es ist also nicht ganz einfach, für ein Land, sich gegenüber dieser „Konkurrenz“ zu behaupten.

Außerdem berichtete uns Jens Hammerschmidt, der ebenfalls Mitarbeiter der Landesvertretung ist, über die aktuellen Entwicklungen in der Migrationspolitik der Europäischen Union. Hier wurde vor allem die Zukunft des Dublin-Systems diskutiert.

Die nächste Station war ein Besuch beim Europäischen Ausschuss der Regionen. Hier bekamen wir eine Einführung in das komplizierte System der Einflussnahme dieses Gremiums.

Die folgende Stadtführung für unsere Gruppe konnte ich nicht mitmachen, da ich einige Telefonate führen und Mails bearbeiten musste. Die Politik in Brandenburg geht halt auch weiter, wenn ich mal nicht da bin 😉

Mit Andreas Büttner und den Vertretern der Organisation für Arbeiter ohne Papiere.

Für den späten Nachmittag habe ich mich dann individuell zusammen mit Andreas Büttner noch mit Vertretern des Commitee pour les migrants sans-papier, einer gewerkschaftlichen Organisation für Arbeiter ohne Papiere in Belgien verabredet. Es war ein spannender Austausch über die Situation von Geflüchteten und von Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus in Belgien und Deutschland und die Entwicklungen in der europäischen Flüchtlingspolitik. Besonders in Erinnerung wird mir die Aussage eines der Migranten bleiben, der uns eindringlich mit auf den Weg gab: „Hört auf, das Geld in Grenzsicherung zu stecken, das wird nicht helfen. Das einzige, was wirklich gegen Migrationsströme hilft ist, den Menschen vor Ort, also dort, wo ihre Heimat ist, zu helfen und eine Lebensperspektive zu geben.“ Da hat er einfach Recht!

Am Mittwoch fand kein offizielles Programm statt. Und so sitze ich gerade im Hotel und kann diesen Bericht schreiben, während wir auf den Bus warten, der uns zum Flughafen bringt. Eines möchte ich allerdings unbedingt noch erwähnen. Gestern kamen wir an dieser Gedenktafel vorbei. Sie erinnert an die Anschläge in Brüssel vor einem Jahr. Heute jährt sich dieser Tag und auch ein Jahr danach ist diese Bedrohung im Bewusstsein derjenigen, die hier leben und arbeiten tief verankert. In mehreren Gesprächen spielte dieser Tag eine Rolle und ich wünsche mir, dass solche Anschläge, hier und anderswo, endlich der Vergangenheit angehören.

Es war eine spannende Bildungsreise und ich glaube, alle Teilnemerinnen und Teilnehmer konnten Einblicke in die europäische Politik, das Funktionieren der Europäischen Union und die Auswirkungen auf das tägliche Handeln vor Ort gewinnen.