Denk ich an Europa in der Nacht… – Gedanken zum Aufstieg des Rechtspopulismus in Europa
Für die Zeitung der LINKEN in Teltow-Fläming habe ich mir Gedanken zu den Ursachen des Aufstiegs des Rechtspopulismus und der Eindämmung desselben gemacht. Dieser Artikel soll hier natürlich nicht vorenthalten werden.
Denk ich an Europa in der Nacht…
… bin ich um den Schlaf gebracht? Zumindest ist das nicht ausgeschlossen, wenn man sich damit beschäftigt, wohin Europa sich gerade politisch entwickelt. Der Aufstieg des Rechtspopulismus hat viele europäische Länder fest im Griff und es zeigt sich, dass kaum ein Land davor gefeit ist.
In Italien werden Roma durch die Regierung aus rechtsradikaler Lega und Fünf-Sterne-Bewegung systematisch verfolgt. In Polen hat die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) die Unabhängigkeit der Justiz untergraben. Die Regierung kann nun Richter entlassen und durch eigene Parteianhänger ersetzen. Und in Ungarn hat die Koalition aus Fidesz-Partei und christdemokratischer Volkspartei die Grundfeiler der Demokratie geschleift: das Wahlrecht, die akademische Freiheit und auch das Versammlungsrecht wurden systematisch beschränkt. In Österreich wird die Mindestsicherung vor allem für Familien und Migranten gekürzt. In Dänemark werden soziale Errungenschaften zurückgenommen und die Umweltstandards aufgeweicht. Und nach Finnland und Norwegen, wo Rechtspopulisten bereits in der Regierung sitzen, ist mit dem Erstarken der von Neonazis gegründeten Schwedendemokraten auch Schweden vom Rechtstrend betroffen.
Auch vor Deutschland macht diese Entwicklung nicht Halt. Der Aufstieg der AfD scheint kein Ende zu nehmen und deren Positionen haben sich bis tief in das konservative Lager gefressen. Gleichzeitig ist – wie in anderen europäischen Ländern auch – in Deutschland ein Verfall der Sozialdemokratie zu beobachten, von dem die Parteien links der Sozialdemokratie nicht profitieren können.
Wo aber liegen die Ursachen für den Aufstieg des Rechtspopulismus?
In vielen Ländern ist über Jahre der Wohlfahrtsstaat geschliffen worden, wurden soziale Errungenschaften abgebaut, konnte Arbeitslosigkeit nicht verhindert werden und ist die Schere zwischen Arm und Reich weiter aufgegangen. Soziale Probleme haben sich über Jahre aufgebaut und wurden durch neoliberale Politikkonzepte befördert. Armut, Arbeitslosigkeit und Ängste in der Bevölkerung vor sozialem Abstieg wurden ignoriert, während Profitinteressen von Banken und Konzernen Vorrang hatten. Die Vorgänge um die Bankenrettungen, wo selbst in Zeiten knapper Kassen Milliarden zur Verfügung gestellt wurden, um das Bankensystem zu stabilisieren, und gleichzeitig der Bevölkerung der betroffenen Länder unzumutbare Härten durch Sozialleistungs- und Rentenkürzungen aufgebürdet wurden, haben das Vertrauen in die Europäische Union und die nationalen Regierungen nachhaltig erschüttert.
Hinzu kam: Die zunehmende Komplexität der militärischen Konflikte in der Welt haben ein Gefühl der Unsicherheit und des nicht mehr Verstehens, was nach dem Wegfall der Blockkonfrontation auf dieser Welt eigentlich los ist, hervorgebracht. Kriege und Auseinandersetzungen sind durch soziale Medien und mediale Berichterstattung viel „näher“, als früher und werden deshalb stärker wahrgenommen.
Zu diesen beiden Entwicklungen, also sozialen Verwefungen und der Angst vor kriegerischen Auseinandersetzungen kam eine dritte Entwicklung: die zunehmende Migrationsbewegung nach Europa. Waren erstere der Nährboden für Rechtspopulismus, waren die Geflüchteten, die nach Europa kamen, der Katalysator. Bestehende soziale Problemlagen wurden sichtbarer und erfahrbarer, Kämpfe um Arbeitsplätze vor allem im Niedriglohnsektor wurden härter und Ängste vor sozialem Abstieg verstärkt. Und auch die militärischen Auseinandersetzungen und Kriege traten stärker ins Bewusstsein, ebenso wie deren Komplexität und Unübersichtlichkeit.
Gleichzeitig hatten Rechtspopulisten nun ein erfahrbares und verständliches Angriffsziel. Es war ein leichtes, die in der Bevölkerung verankerten Unsicherheitsgefühle zu nutzen und Migration zum Fokus der Auseinandersetzung und zum alles überdeckenden Thema zu machen. Der Aufstieg des Rechtspopulismus wurde auch durch demokratische politische Kräfte befördert, die glaubten, den Rechtspopulismus zu stoppen, wenn sie die Positionen übernehmen und sich selbst zu eigen machen. Dass diese Strategie scheitert und im Gegenteil, den Rechtspopulismus stärkt, sollte inzwischen klar sein, dennoch können wir genau das aktuell im Handeln der CDU/CSU und hier vor allem bei Heimat-Horst Seehofer beobachten.
Was aber tun, um Rechtspopulismus zurück zu drängen? Meine feste Überzeugung ist, dass dies nur gelingen wird, wenn die sozialen Verwerfungen eingedämmt und die Kriegslogik durchbrochen wird. Deshalb ist eine linke Politik, die auf friedliche Konfliktbearbeitung in der Außenpolitik und konsequentes Eintreten für den Sozialstaat für alle zielt, die richtige Antwort. Dazu gehört, Humanität zu verteidigen. Migration ist nicht das Problem, das Problem ist die Politik des Westens, die Ausplünderung der Welt durch internationale Konzerne, Kriege und Umweltverschmutzung. Deshalb ist es unsere Aufgabe als LINKE in Deutschland und als europäische Linke, nicht den gleichen Fehler zu machen wie das bürgerliche Lager und den Rechtspopulisten hinterherzulaufen, sondern konsequent für Frieden, soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit für alle Menschen einzutreten.
Die Autorin ist Sprecherin für Asyl-, Flüchtlings-, Migrations- und Integrationspolitik der Fraktion DIE LINKE im Brandenburger Landtag