Ein paar Gedanken von mir zum Ausgang der Wahl in Brandenburg
Zuerst einmal zu uns selbst als Partei Die Linke:
Wir sind krachend gescheitert und konnten den seit 2009 anhaltenden Trend der zunehmenden Marginalisierung der Partei nicht stoppen. Im Gegenteil, mit knapp 3% der Wählenden sind wir auf einem Tiefpunkt angekommen, den wir selbst wohl vor 3 Wochen noch nicht für denkbar hielten. Zu den Ursachen von außen komme ich später, hier mal ein paar Thesen zu uns selbst:
- Wir wussten schon lange, dass unsere Wahlerfolge auf Image beruhten – das Image der Partei für soziale Gerechtigkeit, für Frieden, für Antifaschismus, für den Osten und auch für Humanität in der Migrationspolitik. Wir galten als unbequem, auch mal radikal (wenn es sein muss) und standhaft im Kampf für unsere Ziele. Dieses Image hat uns lange getragen und auch heute noch gibt es sowas wie ein Echo davon in der Bevölkerung. Was wir aber verloren haben ist einerseits die Glaubwürdigkeit und andererseits die (gefühlte) Gestaltungsmacht. Das Narrativ, Die Linke sei Teil des „Parteienkartells“ hat hier voll zugeschlagen – vor allem übrigens, weil es nicht nur von außen, sondern eben auch von innen über Jahre kommuniziert wurde. Dass dies nachweisbar Unsinn ist, hat uns die vermeintliche Sicherheit gegeben, es würde sich nicht festsetzen in den Köpfen. Ich fürchte, hier liegt unsere größte Fehleinschätzung. Und das übrigens nicht nur in Brandenburg sondern bundesweit. Ggf. ist dieses Narrativ in Brandenburg noch etwas stärker zum Tragen gekommen, weil wir hier zehn Jahre lang regiert haben.
- Das führt zum nächsten Punkt. Auch wenn wir natürlich in der Regierung alles getan haben, dieses Brandenburg wirklich besser zu machen, waren unsere Erfolge viel zu selten in der Lebenswirklichkeit der Menschen tatsächlich spürbar. Das Ziel, deutlich zu machen, warum es eben nicht egal ist, wer regiert, haben wir viel zu selten erreicht. Zumal wir es viel zu selten kommunikativ herausgestellt haben.
- Die Strategie, den enge Schulterschluss zur Zivilgesellschaft, zu Vereinen, Verbänden und Initiativen zu suchen, gerade auch seit 2019 in der Opposition, war richtig. Was wir unterschätzt haben ist, dass dies zwar wichtig und notwendig war und ist, jedoch eine viel zu geringe Output-Wirkung hat. Verkürzt kann man sagen: In der Zivilgesellschaft in Brandenburg hatten wir kein Problem, hier hätten wir sehr sicher die 5%-Hürde trotz Konkurrenz von SPD und Grünen übersprungen. Was ich auch persönlich unterschätzt habe ist, dass diese Zivilgesellschaft in Brandenburg sehr klein ist und augenscheinlich nur über ein sehr geringes Mobilisierungspotential verfügt. Insofern war diese Arbeit total wichtig, nur für eine Wahlmobilisierung war sie weder geeignet noch erfolgreich.
- Das bedeutet dann aber auch, dass diese Arbeit fortgesetzt werden muss, so schwer das ohne parlamentarische Verankerung möglich ist. In dem nun vorhandenen Wissen, dass es eben nicht geeignet ist, uns sicher über 5% zu bringen.
- Klar ist auch: Wir waren im Parlament die soziale Kraft, die Fraktion, die immer und immer wieder gerechte Löhne, bezahlbare Mieten, starke Kommunen, gute soziale Infrastruktur, bessere Bildung usw. angesprochen hat. Nur angekommen ist die Botschaft bei der Bevölkerung nicht. Schlicht auch, weil wir es nicht vermocht haben, eigene Kommunikationswege in die Gesellschaft zu finden. In der Wahrnehmung weiter Teile der Gesellschaft sind unsere vielen guten Taten schlicht nie angekommen. Das hat auch mit unserer social-media-Kompetenz zu tun. Aber auch nicht nur. Vielmehr dürfte unsere Öffentlichkeitsarbeit zwar in dem engen Kreis politisch Interessierter und Engagierter angekommen sein, darüber hinaus sind wir aber nur selten gekommen.
- Hinzu kommt: Wir waren nicht mehr erlebbar. In den Städten vielleicht noch ein wenig, aber im ländlichen Raum sind wir kaum noch vorhanden und damit vor Ort auch nicht mehr spürbar. Nun kann man sagen: Andere Parteien auch nicht. Das stimmt zwar, das macht es aber auch nicht besser. Zumal unsere mediale Präsenz in der Landespresse zwar vorhanden ist bzw. nun leider war, dies kompensiert aber augenscheinlich nicht die schwierige Wahrnehmung der Partei über die bundesweite Presse. Wir wissen schon lange, dass die Landesebene in der politischen Wahrnehmung der Bevölkerung unwichtig ist. Politik wird vor allem über den Bund und über die kommunale Ebene wahrgenommen. Im Bund ist in der Regel Zerstrittenheit, Uneinigkeit und Unklarheit in den Positionen rüber gekommen. Auf der lokalen Ebene spielen wir in diesem Gemeinden maximal eine Nebenrolle und auch hier gelingt es zu selten, mit unseren Themen durchzukommen. Was wir vor Jahren bei Schwächeln der Bundesebene vor Ort ausgleichen konnten, gelingt damit nicht mehr.
- Wir haben zu den gesellschaftlichen Großkonflikten keine einheitliche Position und da, wo wir sie haben, stehen wir in Opposition zur gesellschaftlichen Mehrheit. Das betrifft nicht nur die Landesebene. Ein Großkonflikt ist gerade die Haltung zu Krieg und Frieden, hier vor allem Ukraine-Russland und Israel-Gaza-Iran. Zwar sind wir einig, dass wir Frieden wollen, aber sowie es etwas tiefer geht, ist der Konflikt da. Das betrifft übrigens nicht nur die Partei Die Linke sondern die gesellschaftliche Linke insgesamt. Ähnlich war es bei dem Umgang mit Corona oder auch der Frage des Klimaschutzes. Grundsätzlich sind wir irgendwie einig, aber wenn es konkret wird, fehlt die programmatische Tiefe und wir eiern rum. Das rächt sich, weil wir zu den wichtigen gesellschaftlichen Fragen keine einheitliche Position haben. Bei aller Pluralität sind wir beliebig und das merken die Menschen. Und da, wo wir einig sind, bspw. bei der Frage der Humanität in der Flüchtlingspolitik oder dem konsequenten Antifaschismus, sind wir ins der gesellschaftlichen Minderheit. Das ist nicht schlimm, auch diejenigen, die das so sehen wie wir brauchen eine Partei, die sie repräsentiert. Da unser Image aber insgesamt ist, uneinig zu sein, kann die Klarheit in diesen Fragen die Unberechenbarkeit an anderen Stellen nicht kompensieren.
Das sind meine Gedanken zu unseren eigenen Problemen. Ich will aber auch noch ein paar Sachen zu anderen Akteuren aufschreiben.
Zur SPD:
Die Strategie, die Wähler zu erpressen, hat erneut funktioniert. Die Zuspitzung Woidke oder Faschismus hat aber einen hohen Preis gekostet: Es hat die kleinen Parteien aus dem Parlament gespült und die AfD gestärkt. Denn auch die AfD hat von dieser Polarisierung profitiert. Bereits 2019 hatten wir diesen Effekt. Die SPD gewinnt auf Kosten der anderen demokratischen Parteien und die AfD wird nicht geschwächt. Das war 2019 irgendwie verkraftbar, es hat aber augenscheinlich nicht zu einem Umdenken bei der SPD geführt. Das Jubeln der SPD-Anhänger mag erst einmal verständlich sein, immerhin ist die AfD nicht stärkste Kraft in Brandenburg. Das ist aber nur ein symbolischer Sief, denn parlamentarisch ist es in Brandenburg völlig egal, wer stärkste Kraft ist. Dass diese Strategie aber dazu geführt hat, dass alle kleinen Parteien aus dem Parlament gespült wurden, hat nicht nur symbolische Auswirkungen sondern auch parlamentarische. Die AfD hat damit eine Sperrminorität und kann Verfassungsänderungen oder auch Verfassungsrichterwahlen blockieren. Gleichzeitig hat . durch das Ausscheiden von Linken und Grünen – die Zivilgesellschaft kaum noch einen parlamentarischen Ansprechpartner. Diejenigen, die im Januar für die Demokratie gekämpft haben, stehen jetzt weitgehend alleine da. Und auch all die, die sich für eine humane Flüchtlingspolitik und Antifaschismus oder auch für Klimaschutz einsetzen, sind nicht mehr repräsentiert. Teile der SPD werden jetzt aufheulen und sagen: Aber wir sind doch für Toleranz und Weltoffenheit und auch für eine humane Flüchtlingspolitik. Mag sein, aber das Handeln ist ein anderes. Gerade in der Flüchtlingspolitik hat die SPD einen Paradigmenwechsel vollzogen und mit Bezahlkarte, Abschiebeinsel, Kürzungen bei der Integration und Abschiebedrehkreuz am BER deutlich bewiesen, dass es ich schon lange nicht mehr um Humanität oder Integration geht. Im Gegenteil, auch die SPD hat versucht, Wähler vom rechten Rand zurückzugewinnen, indem sie der AfD und ihren Forderungen hinterher läuft. Fakt ist: Ein ganzes politischen Spektrum ist nicht mehr repräsentiert, weil auch ein guter Teil aus diesem Spektrum sich von Woidke hat erpressen lassen. Ein hoher Preis. Auch für die Demokratie insgesamt.
Zur CDU:
Die Strategie, der AfD Wähler abzujagen, indem man im Wettbewerb um die größte Schäbigkeit in der Flüchtlingspolitik versucht, die AfD nicht nur nachzuahmen sondern sie mindestens einzuholen ist gescheitert. Es hat sich (erneut) gezeigt: Diesen Wettbewerb um die größte Schäbigkeit gewinnt immer die AfD. Und schlimmer noch: Die CDU konnte nicht nur keine Wähler vom rechten Rand zurückgewinnen, sie hat die AfD faktisch gestärkt, indem sie deren Themen groß gemacht hat. Wenn die AfD behauptet, Flüchtlinge seien das größte Problem, das es gerade gibt, winken viele Wähler ab. Wenn auch die CDU und ihr Innenminister dies wider den Tatsachen behaupten und über Monate eine Flüchtlingskrise herbeireden, die es gar nicht gibt, dann glauben das sehr viel mehr Menschen. Und wählen, wer am konsequentesten dagegen vorgeht. Die CDU und in Teilen auch die SPD haben das Flüchtlingsthema erst zum wahlentscheidenden Thema gemacht. Und damit der AfD den Weg gebahnt.
Zum BSW:
Das BSW ist angetreten, um die AfD zu schwächen, zumindest war das bei der Gründung zu hören. Nun, auch diese Strategie ist gescheitert. Das BSW hat die gesellschaftliche Linke weiter gespalten und die Partei Die Linke faktisch kannibalisiert. Mit unklarer Programmatik, in der Bevölkerung populären Forderungen, einer vermeintlich klaren Haltung zur Friedensfrage, dem Spirit des Neuen und Unangepassten und einem Personenkult, der kaum zu übertreffen ist, haben sich zumindest kurzfristig breite Wählerschichten erschlossen. Ob dies dauerhaft so sein wird, ist zu bezweifeln, vor allem wenn das BSW in Landesregierungen eintreten muss. Hier wird sehr schnell klar werden, dass auch das BSW nur mit Wasser kocht. Konnten die Kandidaten im Wahlkampf noch versteckt werden (mir ist es im ganzen Wahlkampf nicht gelungen, einem leibhaftigen Kandidaten des BSW zu begegnen, selbst zu einer Podiumsdiskussion mit BSW erschien jemand, der gar nicht kandidiert hat…), wird das im Parlament nicht mehr möglich sein. Und dort wie in der Regierung geht es dann eben nicht um Krieg und Frieden sondern um Themen wie Bildung, Kommunen oder Finanzen. Da wird dann ein Teil der Black Box sehr schnell erleuchtet werden.
Zu den Grünen:
Die Grünen hatten mit mehreren Problemen zu kämpfen: eine Regierungsbeteiligung, bei der sie in ihrer Kernkompetenz Klima- und Umweltschutz nicht punkten konnten und in der sie diverse Grundpositionen über Bord werfen mussten (bspw. in der Flüchtlingspolitik), eine extrem unbeliebte Bundespartei und deren Handeln in der Ampel, geringe Verankerung außerhalb des Speckgürtels und unbekanntes und unbeliebtes Führungspersonal. Trotzdem hätte ein Einzug ins Parlament knapp gelingen können, auch hier hat die Woidke-Erpressung voll zugeschlagen.
Zu den Freien Wählern:
Schon in den vergangenen Monaten war klar, dass sie vermutlich nicht an die 5%-Hürde herankommen würden. Das liegt aus meiner Sicht auch daran, dass sie sich versuchten als demokratische aber populistische Alternative zur AfD zu gerieren. Gelegentliches Anbiedern an den rechten Rand inklusive. Mit dem Auftauchen des BSW war jedoch ein weiterer Player, der dieses Feld – unideologisch aber populistisch – im Spiel. Und dieser Player hat besser gespielt, auch weil er den Faktor einer neuen Kraft mit charismatischer Führungsperson auf seiner Seite hatte. Für mich etwas überraschend ist jedoch, dass Peter Vida im Wahlkreis so eindeutig gescheitert ist, obwohl wirklich alle davon ausgingen, dass er diesen sicher gewinnt. Auch hier scheint die extreme Polarisierung AfD-SPD eine Rolle gespielt zu haben.
Zur AfD:
Das ist, bei allem Jubilieren über den vermeintlichen Sieg der SPD das Bitterste am Wahlergebnis: Die wahre Gewinnerin der Wahl ist die AfD. Auch wenn die SPD knapp vorn ist, spielt das Wahlergebnis der AfD in die Hände. Alle Akteure außer der Linken und mit einigen Abstrichen der Grünen sind vor der Wahl in ihren Positionen massiv nach rechts gerückt, haben teilweise deren Positionen übernommen oder sogar umgesetzt. Die AfD ist deutlich gestärkt im Parlament, hat die Sperrminorität erreicht. Noch mehr Faschisten im Parlament, noch mehr Gelder für rechtsextreme Mitarbeiter und Propaganda. Und die ungeliebte populistische Konkurrenz BSW muss in die Regierung gehen und die CDU ist deutlich geschwächt und wird den schrillen Tönen der AfD in der Opposition kaum etwas entgegenzusetzen haben. Die politischen Hauptgegner Grüne und Linke sind zumindest im Parlament eliminiert und die Zivilgesellschaft hat einen guten Teil ihrer parlamentarischen Verteidigung eingebüßt, ebenso wie Geflüchtete ihre Fürsprecher im Parlament verloren haben. Die AfD kann und wird ihre Arbeit zur Zersetzung der parlamentarischen Demokratie fortsetzen, und es gibt jetzt deutlich weniger Kräfte im Landtag, die dem entschlossen und konsequent etwas entgegenzusetzen haben.
Das sind meine Gedanken zum Wahlausgang in Brandenburg. Sicher subjektiv gefärbt, unvollständig und nicht völlig frei von einer gewissen Verbitterung. Dennoch hoffe ich, ein paar Denkanstöße geliefert zu haben.