Besuch in Küstrin-Kietz - Vom Lost Place zur Abschiebeinsel?

Besuch in Küstrin-Kietz – Vom Lost Place zur Abschiebeinsel?

Ich habe mich am Mittwoch mit dem Ortsvorsteher von Küstrin-Kietz, dem Bürgermeister der Gemeinde Küstriner Vorland und der Bürgerinitiative gegen das geplante Ausreisezentrum getroffen. Außerdem habe ich das Gelände besichtigt. Eine ausführliche Fotodokumentation folgt unten.

Aber ersteinmal zur Vorgeschichte: Im März wurden Pläne des Landkreises Märkisch Oderland und des Landes Brandenburg bekannt, auf einer Oderinsel im Küstrin-Kietz ein Ausreisezentrum für Flüchtlinge zu schaffen. Bis heute sind die Pläne recht vage, einiges ist aber auch schon bekannt. Ich habe unter anderem zwei Kleine Anfragen dazu an die Landesregierung gerichtet, die hier und hier nachzulesen sind. In den Medien wird das Vorhaben wahlweise „Alcatraz“ oder „Abschiebeinsel“ genannt, was beides nicht ganz der Wahrheit entspricht. Ein „Alcatraz“ wird es nicht, weil es keinerlei Rechtsgrundlage dafür gibt, Menschen dort einzusperren. Eine „Abschiebeinsel“ wird es auch nicht, weil es wenig praktikabel ist, von dort aus abzuschieben. Dafür wäre eine Einrichtung im Flughafenumfeld wesentlich sinnvoller.

Wozu also will das Land so eine Einrichtung? Das ist schnell erklärt. Es gibt ausreisepflichtige Personen bei denen die Ausreisepflicht aus verschiedenen Gründen nicht durchgesetzt werden kann und darf, bspw. wegen Abschiebestopps in das Herkunftsland, fehlenden Papieren oder anderen Abschiebungshindernissen. Diese Menschen sollen dort untergebracht werden. Vorher wird ihnen eine Wohnsitzauflage erteilt, wenn vorhanden die Arbeitserlaubnis entzogen und dann werden sie dorthin umgesiedelt. Schön weit weg von der Zivilisation sollen sie so lange mürbe gemacht werden, bis sie einer „freiwilligen“ Ausreise zustimmen. Dafür ist das Gelände auch wirklich gut geeignet: da ist wirklich nichts außer die Grenze zu Polen (wobei es aufenthaltsrechtliche Probleme geben dürfte, wenn sie diese Grenze überschreiten), im Ort Küstrin-Kietz, der in einer Entfernung vom Gelände ist, gibt es nur einen Bäcker, sonst keine Einkaufsmöglichkeiten o.ä.

Die Gemeindevertretung Küstriner Vorland hat sich einstimmig gegen das Vorhaben ausgesprochen und auch als Linke haben wir uns sowohl im Kreis als auch im Land gegen das Vorhaben positioniert. Weil es aber immer besser ist, sich auch vor Ort einen Eindruck zu verschaffen, habe ich mich mit dem Ortsvorsteher, dem Bürgermeister und der Bürgerinitiative getroffen. Die Argumente der Akteure vor Ort sind klar: die Gemeinde würde hier viel lieber andere Vorhaben verwirklichen, es fehlt bisher aber am Geld, die Einrichtung wird für die Gemeinde nichts bringen, die untergebrachten Menschen haben keine Chance sich dort zu versorgen und sind quasi im Niemandsland, Integrationschancen sind null (aber ja auch nicht gewollt, wenn man sich den Zweck der Einrichtung vor Augen hält), Konflikte und Probleme sind vorprogrammiert (davor warnt auch die Gewerkschaft der Polizei).

Ich war mir mir den Gesprächspartnern einig, dass dieses „Ausreisezentrum“ unbedingt verhindert werden muss und wir haben verabredet, dazu im Gespräch zu bleiben und einige Maßnahmen und AKtivitäten besprochen, die jetzt in Angriff genommen werden.

Im Kern ist das ein völlig irrsinniges Vorhaben des Innenministers Stübgen und des Landrats Schmidt, die im aktuellen Überbietungswettbewerb der größten Niedertracht im Umgang mit Flüchtlingen unbedingt gewinnen wollen.

Hinzu kommt das Konstrukt. Es handelt sich um eine Landesliegenschaft, das Land soll das Gelände dem Landkreis übertragen, dieser baut dort Container auf und vermietet diese dann ans Land. Dies scheint den Grund zu haben, dass der zuständige Landesbetrieb BLB nicht willens oder nicht in der Lage ist, das Vorhaben schnell umzusetzen. Der Landkreis will das Vorhaben unbedingt, weil er sich seit Jahren bei der Unterbringung von Geflüchteten vor senen Pflichten gedrückt hat und seinen Aufnahmeverpflichtungen nur unzureichend nachgekommen ist. Nun scheint es Absprachen zu geben, dass die hier untergebrachten Menschen auf das Aufnahmesoll des Landkreises angerechnet werden würden – damit müsste Märkisch Oderland also weniger Menschen aufnehmen und versorgen.

So, und nun zu den versprochenen Eindrücken vom Gelände. Es handelt sich um eine ehemalige militärische Liegenschaft, die seit mehr als 30 Jahren brach liegt. Das Gelände ist riesig und umzäunt. Weite Teile stehen unter Denkmalschutz, der Rest unter Naturschutz. Einzig eine ebene Fläche ist davon ausgenommen und genau da sollen die Container für die Ausreiseinrichtung errichtet werden. Zwar war davon die Rede, dass auch ein Teil der Bestandsgebäude genutzt werden könnte für Gemeinschaftseinrichtungen u.ä., das veranschlagte Finanzvolumen von 10 Millionen Euro dürfte dafür aber zu gering sein. Das dürfte selbst für Entsorgung und Beräumung, Medienanschlüsse und Errichtung der Container plus sanitären Anlagen recht niedrig angesetzt sein. Die Versprechungen des Landkreises, dass die Gemeinde ja später etwas davon hätte, wenn hier Arbeiten durchgeführt wurden, ist insofern auch ein Placebo.

Hier die Fläche für die Einrichtung:

Die Gemeinde selbst hat seit vielen Jahren immer wieder Versuche gestartet, das Areal zu entwickeln. Ideen wie ein deutsch-polnisches Begegnungszentrum oder ein Gewerbegebiet sind bisher am Geld gescheitert. In den 90er Jahren gab es erste zaghafte Ansätze, so wurde ein Bootsanleger gebaut, an dem bis heute kein Schiff angelegt hat und auch ein Naturlehrpfad wurde angelegt, den man aber nicht gehen kann, weil das Gelände gesperrt ist.

Die ehamligen Kasernen stammen noch aus der Kaiserzeit und wurden zuletzt durch die Sowjetarmee genutzt. Seitdem erobert sich die Natur das Gelände zurück und die Gebäude verfallen zusehens.

Wie man gut auf den Bildern sehen kann, ist dieses Gelände nicht geeignet, hier ohne umfassende Beräumung und Sanierung ernsthaft eine Einrichtung für Unterbringung von Menschen zu errichten. Bleibt deshalb zu hoffen, dass es sich bei diesen irrsinnigen Plänen um wahltaktische Manöver und nicht um ernsthafte Planungen handelt. Leider schätze ich die Akteure so ein, dass es ihr voller Ernst ist. Deshalb bleibt jetzt nur noch: Kräfte bündeln von den Akteure vor Ort bis zur Landesebene, Öffetlichkeit organisieren und Druck aufzubauen auf die künftigen Koalitionspartner im Land, um diese Planung abzuwenden.