Fürstenberg kann mehr! – Interview mit der Spitzenkandidatin der Linken für die SVV, Andrea Johlige
In der Links der Havel ist ein Interview mit mir erschienen, das ich euch natürlich nicht vorenthalten will.
Andrea Johlige ist seit 2014 Mitglied des Brandenburger Landtages. Sie wohnt mit ihrem 17-jährigen Sohn und vier Katzen in Fürstenberg. Bevor sie Politikerin wurde, war die Medienfachwirtin und Fotografin selbstständig mit einer Werbeagentur und einem Buchverlag. Sie ist unsere Spitzenkandidatin für die Stadtverordnetenversammlung (SVV) und kandidiert auch für den Kreistag Oberhavel.
Du hast viele Jahre im Havelland gelebt. Nun lebst du in Fürstenberg. Warum eigentlich?
Das ist nicht ganz einfach zu beantworten. Während der Corona-Pandemie habe ich hier ein Haus gekauft, eigentlich, um es zu sanieren und als Ferienhaus zu nutzen. Ich habe einiges von Firmen machen lassen, aber auch vieles selbst gemacht – Treppen schleifen, Türen erneuern und solche Sachen. Deshalb war ich eigentlich immer, wenn irgendwie Zeit war, hier. Und irgendwann schoss mir beim Reinfahren in die Stadt durch den Kopf: Endlich wieder zu Hause. Und da dachte ich dann, Moment mal, du wohnst ja eigentlich woanders… Es dauerte dann schon noch eine Weile, aber dann war klar: Speckgürtel adé – ich will in Fürstenberg leben. Und ganz ehrlich: Das war genau die richtige Entscheidung. Ich habe mich selten in meinem Leben so wohl gefühlt.
Du bist Medienfachwirtin, warst selbstständig, warum bist du dann irgendwann in die Politik gegangen?
Zur Wende war ich 12, ich habe die Zeit erlebt, wo alles zusammengebrochen ist. Meine Eltern waren gleich Anfang der 90er arbeitslos, haben nie wieder Arbeit gefunden. Wir alle in meinem Alter – ich stamme aus Dessau – sind weggegangen, um irgendwie Fuß zu fassen. Ich habe erlebt wie Viele verzweifelt sind, weil alles, was sie vorher erlebt haben, auf einmal nichts mehr wert war. Das alles hat mich geprägt und ich fand immer: Wir als Wende-Generation haben eine ganz besondere Verantwortung. Wir hatten die Chance in diesem neuen Land Fuß zu fassen, aber wir haben auch miterlebt, wie vielen anderen genau diese Chance nicht gegeben wurde. Und das hat mich dann auch in die Politik getrieben. Ich wollte denen eine Stimme geben, die keine eigene hatten. Als es die Chance gab, hauptamtlich in die Politik einzusteigen, habe ich recht spontan ja gesagt. Ich wollte immer die Welt ein bisschen besser machen. Und manchmal gelingt mir das sogar.
Du bist seit 2014 Landtagsabgeordnete. Warum jetzt Kommunalpolitik in Fürstenberg?
Ich mache seit 2008 Kommunalpolitik, einige Jahre als Gemeindevertreterin, 15 Jahre als Kreistagsabgeordnete im Havelland und fast zehn Jahre als Vorsitzende meiner Kreistagsfraktion. Kommunalpolitik ist nah dran am Leben. In der Landespolitik entscheiden wir in der Regel richtig große Sachen: ein Haushalt von mehr als 11 Milliarden Euro, Gesetze zu Bildung, Polizei oder Kommunen. Aber in der Regel setzen wir nur einen Rahmen. In der Kommunalpolitik wird es konkret: Soll der Solarpark errichtet werden oder nicht? Wo wird die Kita gebaut? Muss der Investor auch bezahlbaren Wohnraum errichten? Das sind die Fragen, die kommunalpolitisch stehen und das ist viel mehr an der Lebenswirklichkeit der Menschen als das, was Landespolitik entscheidet. Und oft wird erst in der Kommune klar, was das Land mal wieder entschieden hat und das ist nicht immer gut.
Und dann kommt dazu: Ich kann meinen Schnabel nicht halten. Wo ich lebe, möchte ich auch mitreden und vor allem mitmachen. Fürstenberg ist so eine tolle Stadt, aber es gibt auch vieles, was angepackt werden muss. Das Müllgrundstück in der Straße nach Steinhavelmühle ist ein Schandfleck von dem auch noch erhöhte Brandgefahr ausgeht, da muss dringend was passieren. Oder die Burg steht leer und ein Nutzungskonzept ist nicht in Sicht. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis jemand auf die Idee kommt, auch noch dieses Gebäude einem Investor zu verkaufen, statt es öffentlich zu nutzen. Mitzuhelfen, dass sich da was bewegt, darauf habe ich Lust.
Wie nimmst du Politik in Fürstenberg wahr?
Mein Eindruck ist, dass einiges ganz schön festgefahren ist und nicht alle Chancen für die Stadt genutzt werden. Warum gibt es keine grundsätzliche Verständigung, was man als Stadt von Investoren will, um sicherzustellen, dass sie sich an den Folgekosten bspw. für soziale Infrastruktur beteiligen? Es fehlt an einem Plan für die Stadtentwicklung, das Tourismusmarketing erscheint mir verbesserungswürdig, und wie die Stadt mit den Herausforderungen der Energiewende umgehen will, steht völlig in den Sternen. Also ich glaube, es muss vor allem konzeptionell was getan werden. Und das nicht allein aus der SVV heraus, sondern unter Beteiligung der Menschen, die hier leben.
Und konkret, was willst du in der SVV erreichen?
Das sind viele Sachen. Ganz kurz: mehr bezahlbaren Wohnraum, endlich eine Ortsumfahrung für die B96, einen barrierefreien Bahnhof mit zweitem Zugang Richtung Festwiese, mehr Investitionen in die soziale Infrastruktur, eine weiterführende Schule, Ausbau von Rad- und Fußwegen, mehr bezahlbaren Wohnraum… es gibt unglaublich viel zu tun und da möchte ich mittun. Es kommt aber auch darauf an, ein neues Miteinander in der SVV und mit der Verwaltung zu finden. Wenn alle gemeinsam an einem Strang ziehen, dann klappt es auch. Ich bin da gern die, die die notwendigen Kontakte in die Landesebene knüpft – weil ohne diese wird es nicht gehen.