Rede im Landtag zum Bleiberecht für Opfer rechter Straftaten

Rede im Landtag zum Bleiberecht für Opfer rechter Straftaten

Heute fand im Landtag eine Debatte zum Bleiberecht von Opfern rechter Straftaten statt. Dazu lag ein Antrag der Grünen und ein Antrag der Koalitionsfraktionen vor. Meine Rede dazu ist hier dokumentiert:

„Anrede,
im vergangenen Jahr hat die rassistische und fremdenfeindliche Gewalt auch in Brandenburg erschreckende Ausmaße angenommen. Gewalttaten gegen Geflüchtete, Flüchtlingsunterkünfte und auch gegen UnterstützerInnen von Geflüchteten haben sich im Vergleich zu 2014 vervierfacht und im Vergleich zu 2013 verzehnfacht. Besonders erschreckend ist, dass im Jahr 2015 23 schwere Körperverletzungen und 19 Körperverletzungen gegen Geflüchtete registriert wurden.
Diese Zahlen zeigen: Gerade diejenigen, die nach der Flucht vor Krieg und Gewalt unseres besonderen Schutzes bedürfen, werden viel zu oft zu Opfern rechter Gewalt. Unsere vordringliche Aufgabe ist es, solche Taten zu verhindern. Ich möchte nicht, dass irgendjemand in Brandenburg in Angst leben muss. Dazu braucht es eine handlungsfähige Polizei und eine entschlossene Justiz. Und gleichzeitig wissen wir, dass die Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden allein solche Taten nicht immer verhindern können.
Wir müssen konstatieren, dass die anhaltende Hetze der vergangenen Monate gegen Geflüchtete durch Pegida, AfD und Co einerseits dafür gesorgt hat, dass die Hemmschwellen bei den Tätern sinken und sie sich als Erfüllungsgehilfen des vermeintlichen Volkswillens fühlen. Die Täter sprechen den Opfern das Recht ab, hier bei uns zu leben, und leiten daraus für sich die Berechtigung zu gewalttätigen Angriffen ab.
Und andererseits hat diese Hetze dazu geführt, dass gesellschaftliche Grundwerte des Zusammenlebens zunehmend in Frage gestellt werden und es in Teilen der Bevölkerung mehr oder weniger heimliche Zustimmung und Rückendeckung für rassistische Gewalt gibt.
Dieses Klima in Teilen der Gesellschaft müssen wir aufbrechen und darum kämpfen, dass völlig klar ist: Wer solche Taten begeht, bekommt weder Beifall noch Zustimmung, sondern er begibt sich außerhalb des gesellschaftlichen Konsens.
Anrede,
so lange wir rassistische Gewalttaten nicht verhindern können, müssen wir dafür sorgen, dass diejenigen, die Opfer rassistischer und fremdenfeindlicher Gewalt wurden, besonderen Schutz genießen. Ihnen muss jede nötige und mögliche medizinische, psychologische und sozialpädagogische Hilfe offen stehen. Und dazu gehört, dass den Tätern darf nicht die Genugtuung gegeben werden, dass sie ihr Ziel erreichen. Dazu gehört auch, dass die besondere Situation des Opfers, die erst durch eine solche Tat entstanden ist, besonders berücksichtigt wird. Besonders berücksichtigt gerade dann, wenn es darum geht, ob sie in Deutschland bleiben dürfen oder nicht.
Es ist darauf hinzuweisen, dass es bereits gesetzliche Regelungen gibt, die Opferzeugen unter besonderen Schutz stellen. Bspw. mit dem §60 Abs. 2 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes der Schutz vor Abschiebung für die Dauer des Strafverfahrens gewährt. Außerdem sind bereits jetzt die Ausländerbehörden gehalten, die besondere Situation abgelehnter AsylbewerberInnen vor einer Rückführung genau zu prüfen, was eine Duldung aus dringenden humanitären und persönlichen Gründen zur Folge haben kann. Und auch im Härtefallverfahren kann die Tatsache, dass eine Person Opfer eines Verbrechens wurde berücksichtigt werden.
Denn es kann nicht sein, dass beispielweise das Aufenthaltsrecht der Opfer in Gefahr gerät, wenn sie infolge einer Gewalttat ihre Beschäftigungs- oder Einkommensgrundlage verlieren, etwa wegen psychischer oder physischer Verletzungen und Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit. Denn für die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels ist in der Regel der Nachweis ausreichenden Einkommens eine grundlegende Voraussetzung.
Inwiefern die bestehenden Regelungen im Aufenthaltsrecht ausreichen oder nicht, will ich abschließend nicht beurteilen. Das geltende Aufenthaltsrecht bietet Möglichkeiten zum Verbleib in Brandenburg für besonders schwerwiegende Fälle.
Auch ist es aufgrund einer jüngeren Gesetzesänderung möglich, die Aufenthaltserlaubnis für Opfer von Menschenhandel auch über die Beendigung des Strafverfahrens hinaus zu verlängern, wenn humanitäre und persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit hier erfordern.
Bisher habe ich nicht den Eindruck, dass die Ausländerbehörden in Brandenburg hier die bestehenden Spielräume nicht nutzen würden. Dennoch sind wir angehalten, darauf hinzuwirken, dass alle Regelungen zum Wohl der Opfer ausgenutzt werden.
Mit der im Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen geforderten Berichterstattung im Ausschuss können wir außerdem feststellen, ob es in der Praxis tatsächlich zu Problemen kommt und ob diese in der mangelnden Anwendung bestehender Rechts oder in Ermangelung gesetzlicher Regelungen entstehen. Damit kommen wir in die Lage festzustellen, ob es auf Landesebene Handlungs- und Regelungsbedarf gibt und worin dieser besteht. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zum Entschließungsantrag der Koalition.“
Vor dieser Klärung halte ich eine Beschlussfassung im Sinne des vorliegenden Antrags nicht für geboten.