Rede zum Antrag „Abschiebungen auf Landesebene“
Die AfD hat beantragt, dass der Vollzug von Abschiebungen künftig Landesaufgabe sein soll, die CDU hat zu der Debatte einen Entschießungsantrag mit ähnlichem Anliegen eingebracht.
Ich habe zur Ablehnung beider Anträge im Namen der Fraktion DIE LINKE und der SPD-Fraktion gesprochen. Die Rede ist hier dokumentiert:
„Seit dem 1.1.1997 obliegt die Zuständigkeit für den Vollzug ausreisepflichtiger abgelehnter Asylsuchender nach der landesinternen Verteilung den Ausländerbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte. Das ist auch richtig, denn bei den kommunalen Ausländerbehörden liegen ebenfalls die Zuständigkeiten für alle ausländer- und asylrechtlichen Entscheidungen, sofern nicht das Bundesamt zuständig ist. Das sind bspw. die Aussetzung von Abschiebungen, also die Erteilung von Duldungen, ebenso wie der Widerruf oder die Verlängerung einer Duldung.
Die Zuständigkeit für Abschiebungen soll nach dem Willen der Antragsteller und mit dem vorliegenden Entschließungsantrag nun auch der CDU, auf die Landesebene verlagert werden. An dieser Stelle will ich einschieben: Frau Richstein, wir können jetzt gern in jeder Landtagssitzung über eine zentrale Rückführungseinrichtung und die Ausweitung des Sachleistungsprinzips diskutieren. Dazu ist alles gesagt, ich verweise auf das Protokoll der vergangenen Landtagssitzung.
Aber zurück zur geforderten Zuständigkeitsverlagerung: Bisher ist mir keine gescheite Begründung dafür über den Weg gelaufen. Was das Ziel der Antragsteller ist, ist klar: Effektivität. Aber würde dieses Ziel durch die Verlagerung der Zuständigkeit wirklich erreicht? Die Asylsuchenden, über die wir hier reden, wohnen in den Landkreisen und kreisfreien Städten. Sie sind den Ausländerbehörden persönlich bekannt, auch ihre Lebensumstände, also familiäre Bindungen, Arbeits- und Ausbildungsstätten, gewöhnlicher Aufenthalt, bereits aufgetretene Probleme usw. sind vor Ort bekannt. In der Regel hat eine Beratung zur freiwilligen Ausreise stattgefunden und die MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde kennen die SozialarbeiterInnen in den Heimen, die handelnden Akteure vor Ort können also Hand in Hand arbeiten.
Wenn man die Zuständigkeit des Vollzugs der Abschiebung auf die Landesebene verlagert, ändert sich vor allem eines: die handelnden Akteure sind in der Regel nicht miteinander bekannt. Die Landesbehörde ist also erst einmal damit beschäftigt, nachdem die zuständige Ausländerbehörde mitgeteilt hat, dass hier ein abgelehnter Asylsuchender ist, der abgeschoben werden soll, die Lebensumstände, den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Asylbewerbers und seiner Familie zu ermitteln usw. Dann muss von Landesebene aus die Abholung vor Ort und die zwangsweise Rückführung organisiert werden. Auch das wird nicht ohne Rückkopplung mit den handelnden Akteuren vor Ort abgehen und einen hohen Aufwand der Koordination erfordern. Im Endeffekt wird damit das Ziel der Effektivität bei Abschiebungen, selbst wenn man sich in diese Logik hinein begeben will, nicht erreicht. Es besteht die Gefahr, dass die Belange der Geflüchteten bei den Maßnehmen nicht mehr oder deutlich weniger als bisher berücksichtigt werden können. Und es wird eben gerade keine Entlastung der Akteure vor Ort erreicht, wie es im Antrag der CDU versprochen wird, im Gegenteil, der Abstimmungsbedarf seitens des Landes wird so hoch sein, dass die Akteure vor Ort mehr belastet werden, als aktuell.
Ich hätte nicht geglaubt, dass ich der CDU irgendwann mal einen Vortrag über Subsidarität halten muss, gerade weil wir ja aktuell regelmäßig über die Aufgabenübertragung vom Land auf die Kommunen reden und die CDU dabei nicht müde wird genau dieses Prinzip zu betonen und einzufordern. Aber ich tue es natürlich gern, und für die AfD ist es ja auch nicht schlecht, darüber mal was zu erfahren.
Das Subsidiaritätsprinzip legt eine Rangfolge staatlich-gesellschaftlicher Maßnahmen fest und bestimmt die prinzipielle Nachrangigkeit der nächsten Ebene. Das heißt, die jeweils größere gesellschaftliche oder staatliche Einheit soll nur dann, wenn die kleinere Einheit dazu nicht in der Lage ist, aktiv werden und regulierend oder kontrollierend oder helfend eingreifen. Aufgaben, Handlungen und Problemlösungen sollten so weit wie möglich vom Einzelnen, von der kleinsten Gruppe oder der untersten Ebene einer Organisationsform unternommen werden. Nur wenn dies nicht möglich ist, mit erheblichen Hürden und Problemen verbunden ist oder der Mehrwert einer Zusammenarbeit offensichtlich ist und diese eine allgemeine Zustimmung erfährt, sollen sukzessive größere Gruppen, öffentliche Kollektive oder höhere Ebenen einer Organisationsform subsidiär, das heißt unterstützend, eingreifen. Hilfe zur Selbsthilfe soll aber immer das oberste Handlungsprinzip der jeweils übergeordneten Instanz sein.
Genau das tun wir als Land: Das Land unterstützt bereits jetzt die kommunalen Ausländerbehörden vor allem bei der Passbeschaffung und wenn nötig auch bei weiteren organisatorischen Maßnahmen. Eine Zuständigkeitsverlagerung lehnen wir allerdings ab. Auch wenn Sie den Kommunen die Kompetenz für diese Aufgabe absprechen wollen, so gibt es keinerlei Nachweis, dass eine Zuständigkeitsverlagerung die Aufgabenerfüllung hinreichend verbessern würde. Defizite sind im bundesweiten Vergleich auch nicht zu erkennen.
Im Jahr 2015 wurden 780 ausreisepflichtige Personen aus Brandenburg abgeschoben, 1536 haben das Land über die sogenannte freiwillige Ausreise verlassen. Diese Zahlen zeigen: Der Vorrang der sogenannten freiwilligen Ausreise gegenüber zwangsweisen Rückführungen ist erfolgreich. Und er ist human, weil die psychischen Belastungen für die Geflüchteten wesentlich geringer sind als bei zwangsweisen Rückführungen. Die sogenannte freiwillige Ausreise ist aber auch für die anderen beteiligten Akteure, für die MitarbeiterInnen in den Ausländerbehörden und die beteiligten PolizistInnen mit wesentlich weniger Aufwand und Belastung verbunden. Und deshalb werden wir an der Maxime, alle anderen Möglichkeiten auszuschöpfen bevor eine zwangsweise Rückführung erfolgt, auch weiterhin festhalten.“