Rede zum Antrag der AfD zum Verbot der Klimaaktivist*innen der Letzten Generation

Rede zum Antrag der AfD zum Verbot der Klimaaktivist*innen der Letzten Generation

Die AfD hat einen Antrag auf Verbot des Bündnisses „Letzte Generation“ eingebracht. Er wurde abgelehnt.

Das Video meiner Rede dazu ist hier verfügbar.

Meine Rede dokumentiere ich hier auch textlich, zitiert nach der vorläufigen stanografischen Niederschrift:

„Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Ich hatte es fast schon vermisst: Die AfD hat mal wieder ein Feindbild entdeckt, das als linksextremistisch identifiziert wird und deshalb dringend verboten werden muss. Das passt auch gut, weil die Klimaaktivistinnen und -aktivisten derzeit mediale Aufreger sind.

So geht es in Ihrem Antrag denn auch munter durcheinander: Autonome, Antifa, RAF, Letzte Generation, Ende Gelände werden – übrigens bar jeglicher Kenntnis über die einzelnen Bewegungen – munter in einen Topf geworfen, es wird kräftig umgerührt, und fertig ist ein Antrag: Alles terroristisch und linksextremistisch, alles muss verboten werden.

Deshalb versuche ich einmal, ein bisschen Luft rauszunehmen. Im Kern geht es um die Störung der Abläufe im öffentlichen Verkehr. Das ist ohne Zweifel ein Problem, aber schon bevor es Klimaaktivistinnen und -aktivisten im Straßenverkehr gab, gab es Staus, fehlende Rettungsgassen, Tote und Verletzte im Straßenverkehr durch vorsätzliche Raserei, hohes Verkehrsaufkommen, Baustellen und, ja, auch durch angemeldete und unangemeldete Demonstrationen. Und nach meiner Erfahrung steht man in Berlin eigentlich immer irgendwo im Stau – egal, ob da gerade eine Demonstration stattfindet oder nicht.

Im Stau stehen ist ärgerlich, und wenn er bewusst hervorgerufen wurde, erst recht. Allerdings ist das Wesen von Protesten nun einmal, dass mit ihnen Aufmerksamkeit erregt werden soll. Und so sind bei der Wahl einer Protestform in der Regel die wichtigsten Fragen: Wie kann ich am meisten Aufmerksamkeit erregen? Und: Wie kann ich am besten mein Ziel erreichen?

Der Protest- und Bewegungsforscher Simon Teune von der FU Berlin drückt es so aus – ich zitiere -: „Nur die Störung führt dazu, dass geltende Regeln und Prioritäten in Frage gestellt werden.“ Das habe für die Frauenrechts- und die Anti-Atomkraft- Bewegung gegolten, „und das gilt auch heute für die Klimagerechtigkeitsbewegung. […] Proteste stören, irritieren und bisweilen nerven sie auch“. Die Störung sei vor allem Ausdruck der Dringlichkeit einer anderen Politik und einer anderen Haltung zur Klimakrise. Und, meine Damen und Herren, eine demokratisch verfasste Gesellschaft muss Protest auch aushalten, wenn er unbequem ist. Die Aktionsformen der Klimaaktivisten sind nicht die, die ich wählen würde, aber darum geht es auch gar nicht. Nur weil mir eine Protestform vielleicht nicht gefällt, ist sie noch lange nicht extremistisch oder gar terroristisch.

Rechtswidriges Verhalten, etwa in Form von Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, aber auch gegen Regelungen der Straßenverkehrsordnung, sind vielleicht Ordnungswidrigkeiten, aber in der Regel kein Verbrechen. Hier zu differenzieren ist für einen Rechtsstaat unabdingbar. Bisher ist auch in der Rechtswissenschaft strittig, ob das sogenannte Klimakleben strafbar ist. Einig ist man sich jedoch, dass eine präventive Verbringung friedlich demonstrierender Menschen in Polizeigewahrsam nach Normen von Polizeigesetzen, die für Terrorverdächtige geschaffen wurden, rechtswidrig ist. Wenn einige bürgerliche Politiker genau das fordern, ist das Wasser auf die Mühlen der AfD, die dann fast folgerichtig von Klimaterroristen spricht.

Meine Damen und Herren, ich möchte auf eines hinweisen: Die Debatten, die hierzu gerade geführt werden, sind gefährlich für den Rechtsstaat. Der Protest wird genutzt, um einen Grundtrend der Sicherheitspolitik seit den Anschlägen des 11. September 2001 – Vorbeugen um jeden Preis – fortzuführen. Strafparagrafen und Maßnahmen zur Freiheitsbeschränkung werden immer weiter ausgeweitet, die grundgesetzlichen Sicherungen des klassischen Strafrechts werden umgangen, es wird keine Frage mehr nach Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz gestellt.

Meine Damen und Herren, das ist ein ganz gefährlicher Weg und versperrt den Blick auf die Gefahren, die unsere Gesellschaft wirklich bedrohen. Das ist neben dem Klimawandel auch der menschenfeindliche Extremismus von rechts. Denn die größte Gefahr für unsere Demokratie geht nach wie vor vom Rechtsextremismus aus, und dieses Problem zu bekämpfen, meine Damen und Herren von der AfD, haben Sie zu einem guten Teil höchstselbst in der Hand. Ihren Antrag lehnen wir ab. – Herzlichen

Dank für die Aufmerksamkeit.“