Rede zum LINKEN Antrag "Bau des Ein- und Ausreisezentrums am BER stoppen"

Rede zum LINKEN Antrag „Bau des Ein- und Ausreisezentrums am BER stoppen“

Seit Monaten kämpfen wir als LINKE gegen den Bau des Ein- und Ausreisezentrums am BER. Dazu haben wir einen Antrag eingebracht, den ich sehr zum Lesen empfehle, da wir in der Begründung alles aufgeschrieben haben, was aktuell zu den asylpolitischen Fehlsteuerungen, Unregelmäßigkeiten und vergaberechtlichen Problemen wissen.

Die gesamte Debatte ist hier verfügbar. Meine Rede zur Einbringung gibt es hier und meine Rede zum Abschluss der Debatte hier.

Meine Rede zur Einbringung dokumentiere ich hier, zitiert nach der vorläufigen stenografischen Niederschrift:
„Wir brauchen kein Ausreisezentrum, sondern ein Willkommenszentrum. Dieser Satz stammt nicht von mir, sondern von Marianne Ballé, die in diesem Jahr die Hauptpreisträgerin des Bandes für Mut und
Verständigung ist. Sie hat die Chance genutzt, dieses Thema während der Preisverleihung aufzugreifen, wie übrigens auch ein anderer Preisträger, nämlich die Initiative „Wir packen’s an“.
Uns liegt zum Ein- und Ausreisezentrum am BER ein offener Brief vor, den mittlerweile mehr als 80 Organisationen, die sich gegen den Bau dieses Zentrums wenden, unterschrieben haben. Und uns liegt eine Petition mit 18 155 Unterschriften vor, die dem Petitionsausschuss und den Koalitionsfraktionen heute Morgen übergeben wurde. Meine Damen und Herren, man kann mit Fug und Recht sagen: Die
Zivilgesellschaft in Brandenburg lehnt das Projekt ab.
Und – ich möchte ergänzen – auch die Jugendorganisationen von SPD und Grünen lehnen das Projekt ab, und natürlich auch der Linken -, und das aus guten Gründen.
Asylpolitisch ist es eine falsche Weichenstellung. Das Projekt zielt auf Abschottung, Abschreckung und vor allem auf die Effizienz von Abschiebungen. Es geht eben nicht um Aufnahme und Einreise, im Gegenteil, es gibt nicht einmal Plätze für einen fachlich sicher sinnvollen kurzfristigen Aufenthalt nach der Einreise. Stattdessen reden wir über eine massive Kapazitätsausweitung für Ausreisegewahrsam und Flughafenasyl
sowie ein Abschiebeterminal mit den bundesweit besten Bedingungen für Sammelabschiebungen. Allein das müsste – liebe Grünen-Fraktion – schon reichen, alles dafür zu tun, das Projekt zu verhindern.
Auch ich rede mit Initiativen. Diese haben mir mitgeteilt, Sie hätten ihnen versichert, dass Sie alles dagegen getan hätten, dass dieses Projekt komme. Aber leider gibt es die Koalitionsräson. Da kann ich nur sagen: Sie selbst haben es durch Ihre Zustimmung im Koalitionsausschuss im November 2021 erst zur Koalitionsfrage gemacht. Und wie wir der Presse entnehmen durften, haben Sie ein weiteres Mal zugestimmt, im Oktober 2022. Insofern entspricht es zumindest nicht ganz der Wahrheit, dass Sie in der Koalition alles dafür getan hätten, dieses Projekt zu verhindern. Es ist eine Frage der Setzung politischer Prioritäten und des Willens. Ihre Aktivitäten jetzt sind eher weiße Salbe – weil deutlich geworden ist, wie stark der Gegenwind aus der Zivilgesellschaft ist.
Ich habe heute auch Zeitung gelesen. Ihre Landesvorsitzende Julia Schmidt hat uns mitgeteilt, dass es nur wegen der Intervention der Grünen dort jetzt Räumlichkeiten für eine unabhängige Rechtsberatung geben soll. Ich kann nur sagen: Wenn man die Planungen kennt, weiß man, dass die Räumlichkeiten von vornherein vorgesehen waren.
Eine weitere Nebelkerze, die Sie mal wieder geworfen haben, war, dass Sie verhindert hätten, dass es dort eine Abschiebehafteinrichtung gibt. Die war dort nie geplant. Zumindest nach all den Planungen, die wir kennen, gab es seitens des Innenministeriums diesen Versuch nicht. Insofern haben Sie bisher gar nichts erreicht.
Aber, meine Damen und Herren, neben den asylpolitischen Fragen gibt es bei dem Projekt diverse weitere Probleme. Da reden wir über die massive Überdimensionierung. Wir reden über Kapazitätserweiterungen, die bis heute vom Innenministerium nicht hinreichend dargelegt und begründet wurden. Und auch den im Haushalt für das Projekt vorgesehenen Personalaufwuchs – bereits ab 2023 19 Stellen und ab 2024 22 Stellen, obwohl die Eröffnung erst 2025 sein soll – konnte das Innenministerium nicht begründen.
Wir reden über extreme Kosten und fehlende Wirtschaftlichkeit: Baukosten in Höhe von 155 Millionen Euro – nach Schätzungen des Investors selbst – und 470 Millionen Euro Kaltmiete für Bund und Land in 30 Jahren, Steigerungen nach dem Verbraucherpreisindex nicht eingerechnet. Herr Vida nannte das im Ausschuss eine „obszöne Rendite“; da kann ich mich nur anschließen.
Bis heute haben Sie keine Wirtschaftlichkeitsprüfung vorgelegt, aber der Haushaltsgesetzgeber soll im Dezember die Kosten freigeben – was für ein Irrsinn bei dieser Extrembelastung für den Landeshaushalt über Jahrzehnte!
Und, meine Damen und Herren, wir reden über eine absolute Intransparenz von Anfang an. Das galt schon in der letzten Wahlperiode, als Frau Lange als damalige Innenstaatssekretärin die Planungen so lange vor dem Parlament und dem Koalitionspartner verheimlichte, bis ihr eigenes Haus ihr sagte: Wenn Sie jetzt nicht endlich das Ministerium der Finanzen informieren, drohen persönliche haftungsrechtliche Konsequenzen. Das kann man nachlesen, wenn man Akteneinsicht nimmt.
Aber in dieser Wahlperiode hat Herr Stübgen genauso weitergemacht. Ich habe das schon im Ausschuss gesagt: Sein Handeln bei diesem Projekt ist von Vertuschen, Tricksen und ja – das sage ich, auch wenn Sie mich jetzt wieder verklagen wollen, Herr Innenminister -, auch Lügen gekennzeichnet, beispielsweise bei der Aussage, dass dem Investor die Grundstücke schon gehört hätten und man deswegen mit ihm habe
bauen müssen; das ist nachweislich falsch.

Herr Stübgen, Sie haben auch im Parlament gemauert und die Öffentlichkeit so lange im Unklaren gelassen, bis Journalistinnen und Journalisten recherchiert und Akteneinsicht genommen und die Ergebnisse online gestellt haben. Alles, was wir über dieses Projekt wissen, ist Recherchen einzelner Abgeordneter und Journalisten zu verdanken und nicht etwa der Aufklärung durch den Innenminister.
Sogar die Koalitionspartner wurden über den Tisch gezogen, nämlich als Sie mit Herrn Seehofer einen Letter of Intent mit verbindlichen vertraglichen Regelungen und Verpflichtungen für das Land unterzeichnet haben, von dem auch die Staatskanzlei nur aus der Pressemitteilung erfahren hat. Es gab danach auch ein bisschen Ärger, das kann man bei der Akteneinsicht nachlesen.
Meine Damen und Herren, wir reden bei dem Projekt auch über massive vergaberechtliche Verstöße. Es gab für das Projekt niemals eine Ausschreibung, obwohl sie, zumal bei einem Projekt dieser Größe, notwendig gewesen wäre. Die Begründung dafür – der Investor habe die Grundstücke gehabt und deshalb habe man mit ihm bauen müssen – stimmt nachweislich nicht.
Es gab auch eine massive Einflussnahme auf das Bauprojekt, was ebenfalls vergaberechtliche Pflichten ausgelöst hätte. Dadurch werden dem Land weitere Kostenrisiken entstehen. Das vergaberechtliche Gutachten, das dazu erstellt wurde, wird uns aus fadenscheinigen Gründen bis heute vorenthalten.
Und, meine Damen und Herren, es bleibt die Frage: Warum dieser Investor? – Sie alle wissen, worüber ich da rede. Selbst der Innenminister sagte im Ausschuss, dass er den Investor nur für hinreichend seriös halte.
Im Kern ist mein Fazit: Es ist absolut fahrlässig, der Landesregierung mit dem Haushalt für dieses Projekt einen Freibrief zu erteilen. Neben den asylpolitisch falschen Weichenstellungen, die man sicherlich unterschiedlich bewerten kann, ist das ein Finanzskandal mit Ansage.
Ich prophezeie Ihnen: Wenn Sie das Projekt nicht stoppen, wird sich irgendwann, in dieser oder einer der nächsten Legislaturperioden, ein Untersuchungsausschuss damit beschäftigen, und auch der Landesrechnungsrechnungshof wird Interesse daran haben. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass auch die
Korruptionsstaatsanwaltschaft sich dafür interessieren wird.
Meine Damen und Herren, jede und jeder von Ihnen hat die Aufgabe und die Pflicht, Schaden vom Land abzuwenden. Das Projekt wird dem Land massiv schaden und den Landeshaushalt massiv belasten. Wir haben Ihnen auf sechs Seiten Begründung aufgeschrieben, was wir durch viele, viele Recherchen derzeit alles wissen, damit niemand von Ihnen später sagen kann, er habe von nichts gewusst. Jetzt freue ich mich auf die Debatte und die Zustimmung zu unserem Antrag. – Herzlichen Dank.“

Meine Rede zum Abschluss der Debatte stelle ich hier ebenfalls zur Verfügung:

„Herzlichen Dank für die Debatte. Herr Bretz, tatsächlich bin ich jemand, der sich sehr gern von Sachargumenten überzeugen lässt – allein das hat mich nicht überzeugt.
Die Fragen sind weiterhin offen. Es steht weiterhin die Frage der Überdimensionierung und des angeblichen Bedarfs im Raum. Es steht weiterhin die Frage der überbordenden Kosten im Raum – ich erwähne es noch mal: Nach der Planung im Haushalt werden es über 315 Millionen Euro für 20 Jahre und eine halbe Milliarde Euro für 30 Jahre, und da ist das Personal noch gar nicht eingerechnet. Der Minister hat auch heute wieder keine Transparenz in das Projekt gebracht.
Allein der Disput zu der vergaberechtlichen Frage hat gezeigt, dass da noch einiges im Dunkeln ist. Herr Minister, ich würde sehr gerne die Grundbücher einsehen – allein ich darf es als Abgeordnete nicht. Insofern müssen wir uns auf Informationen von Journalistinnen und Journalisten verlassen, die sie gesehen haben. Sie können für uns da aber gern etwas Licht ins Dunkel bringen – ich bin gespannt.
Insofern bin ich tatsächlich nicht überzeugt – im Gegenteil, nachdem ich vor allem die Redebeiträge der Koalition gehört habe, in denen zumindest Frau Gossmann-Reetz und Herr Lakenmacher mit keinem einzigen Wort auf diese Probleme eingegangen sind. Ich sage es noch einmal: Wir sind der Haushaltsgesetzgeber, und wir als Abgeordnete haben alle die Aufgabe, Schaden von diesem Land abzuwenden. Und Sie sind auf all die offenen Fragen eben nicht eingegangen.
Für mich wäre das Fazit eher, zu sagen: Wer einen Minister mit so einem Projekt mit so vielen Fragen, Unregelmäßigkeiten und vergaberechtlichen Problemen weiterlaufen lässt, möchte eigentlich, dass der Minister irgendwann darüber stolpert.
Ein letzter Satz zu Frau Schäffer: Frau Schäffer, ich bin mir immer nicht so ganz sicher, ob Sie mir leidtun oder ob ich von Ihrer Fähigkeit zum Verbiegen beeindruckt bin. Wissen Sie, Herr Bretz: Ich saß auch einmal in so einer Koalition und weiß, wie schwer das oft ist.
Ich weiß aber auch, dass man Grundsätze hat. Ich kann zumindest für mich sagen, dass ich keinen meiner Grundsätze in der letzten Wahlperiode in der Koalition verletzt habe. Ich bin mir nicht sicher, ob das noch auf alle Grünen zutrifft, nachdem Sie sie gezwungen haben, diesen Dingen zuzustimmen. Liebe Grüne! Die Worte höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Ich bin gespannt.
Und ich hoffe sehr, dass Sie nach der zweimaligen Zustimmung im Koalitionsausschuss doch noch etwas tun können und wenigstens einen qualifizierten Sperrvermerk hinbekommen.
Ich verspreche, dass ich an dem Projekt dranbleibe – das wird auch niemanden wundern. Ich werde mit absoluter Sicherheit nicht nachlassen und weiterhin sehr genau beobachten, welche Ungereimtheiten und vergaberechtlichen Probleme es gibt. Insofern werde ich Ihnen da keine Ruhe lassen. Ich bin sehr gespannt auf die Wirtschaftlichkeitsprüfung, Herr Lakenmacher, ich freue mich darauf. – Herzlichen
Dank.“