Rede zum Antrag der Freien Wähler zur Einführung einer Geldkarte für Asylbewerber

Rede zum Antrag der Freien Wähler zur Einführung einer Geldkarte für Asylbewerber

Die Abgeordneten der BVB/Freie Wähler haben einen Antrag „Pilotphase zur Einführung einer Geldkarte für Asylbewerber“ eingebracht. Die AfD hat dazu einen Änderungsantrag eingebracht. Beide Anträge wurden abgelehnt.

Die Debatte dazu ist hier als Video veröffentlicht.

Meine Rede zud er Debatte ist hier nachzulesen:

„Liebe Abgeordnete der Freien Wähler, als ich diesen Antrag las, musste ich echt zweimal auf die Einreicher gucken, weil er irgendwie eher so aussah, als hätte Herr Dr. Zeschmann ihn auf seinem Schreibtisch liegen lassen.

Es ist nämlich keine zwei Monate her, da haben wir hier über einen Antrag der AfD beraten, der forderte, Geflüchteten künftig nur noch Sach- statt Geldleistungen zu gewähren. Darin forderte die AfD unter anderen eine Chipkarte, „mit der ausschließlich die vorgesehenen Sachleistungen abgerufen werden können“. Nun springen die Abgeordneten der Freien Wähler auf den Zug auf und fordern eine
Geldkarte, die so konzipiert ist, „dass Überweisungen, Online-Einkäufe bzw. die Inanspruchnahme
kostenpflichtiger Internetportale sowie Barabhebungen auf die Höhe des notwendigen täglichen Bedarfs entsprechend dem AsylbLG beschränkt werden können.“ Kein Wunder, dass Sie dafür Beifall von der AfD bekommen, denn im Grunde geht es um das Gleiche.

Werte Abgeordnete der Freien Wähler, stigmatisieren und diskriminieren, das ist der Kern Ihrer Forderung. Es ist stigmatisierend und diskriminierend, Menschen abzusprechen, selbstbestimmt über das wenige ihnen zur Verfügung stehende Geld entscheiden zu können. Es ist stigmatisierend und diskriminierend, hierfür extra eine Karte zu erfinden, die deren Inhaber als Zugehörige zu einer bestimmten Menschengruppe, in dem Fall der der Geflüchteten, kennzeichnet. Und es ist stigmatisierend und diskriminierend – und nebenbei auch chauvinistisch -, als Landtagsabgeordnete darüber entscheiden zu wollen, wofür Menschen ihr Geld ausgeben, oder festlegen zu wollen, ob sie ihr Geld bar bekommen oder damit im Internet einkaufen dürfen.

Und ja, meine Damen und Herren, es ist ihr Geld. Es steht ihnen zu, weil es ein Existenzminimum gibt, das einem Menschen zusteht, der in unserem Land lebt. Das hat im Übrigen etwas mit der Würde des Menschen zu tun, die – leider muss ich in dieser Debatte daran erinnern – unantastbar ist. Ihr Antrag, meine Damen und Herren von den Freien Wählern, tastet die Würde des Menschen an.

Meine Damen und Herren, es ist aber auch eine Debatte, die den Eindruck erweckt, als würden wir über riesige Summen an Geld reden. Deshalb nenne ich noch einmal die Bedarfssätze, über die wir reden: Bedarfsstufe 1 – Alleinstehende und Alleinerziehende -: 182 Euro notwendiger Bedarf und 228 Euro persönlicher Bedarf, also 410 Euro monatlich; Bedarfsstufe 2 – Paare -: 369 Euro monatlich pro Person. Kinder und Jugendliche erhalten weniger: zwischen 278 und 364 Euro pro Person im Monat. Diese Sätze liegen deutlich unter denen des Bürgergelds. Man kann davon ausgehen, dass die Menschen, die von diesem Geld Lebensmittel, Hygieneartikel, Sachen zum Anziehen, Fahrkarten für den Bus usw. kaufen müssen, kaum eine Chance haben, davon auch nur wenige Euro zurückzulegen, geschweige denn, Schlepper zu bezahlen, wie es in dem Antrag auch behauptet wird.

Die Realität ist vielmehr, dass diese Bedarfssätze gerade ausreichen, um die Existenz zu sichern. Sie reichen aber nicht aus, um die Teilhabe an der Gesellschaft zu sichern. Damit sind wir beim Bekenntnis zur Integration. Darüber reden wir hier alle gern. Integration funktioniert aber gerade nicht über Stigmatisierung und Diskriminierung, sondern vor allem durch kulturelle Teilhabe, und deshalb ist die Einführung einer solchen Bezahlkarte das wirklich Dümmste, was man tun kann, wenn man Integration will.

Meine Damen und Herren, der richtige Weg wäre stattdessen, endlich dafür zusorgen, dass sich die Menschen in unserem Land ein eigenständiges Leben aufbauen können, dass es ausreichend Sprachkurse gibt und dass die unsinnigen Arbeitsverbote aufgehoben werden. Und wenn man schon mit den Vertreterinnen und Vertretern der Sparkassen im Land redet: Eine sinnvolle Maßnahme wäre es, dass jeder Mensch in unserem Land, egal, welchen Status er hat, ein kostenloses Girokonto bei den Sparkassen eröffnen kann.

Das würde nicht nur Asylsuchende, sondern auch andere Menschen, die kein Konto bekommen, vor Stigmatisierung schützen, und es würde tatsächlich helfen, Bürokratie in den Kommunen abzubauen, indem Barauszahlungen nicht mehr notwendig sind.

Letzte Bemerkung. Der große Fehler in der Migrationsdebatte ist derzeit, dass sich
inzwischen nahezu alle Parteien die Agenda von der AfD diktieren lassen. Damit verleihen Sie den Rechtsextremisten von der AfD eine Wirkmacht, die sie sich noch vor zwei oder drei Jahren hätten träumen lassen. Mit der Bezahlkarte helfen Sie den Kommunen nicht, Sie bauen dadurch keine
Bürokratie ab, und es kommt dadurch auch kein Mensch weniger nach Deutschland.
Im Gegenteil, Sie erschweren die Integration, bauen Bürokratie auf und tasten die
Würde der geflüchteten Menschen an. – Wir lehnen diesen Antrag ab.“