Rede zum Antrag „IT-Sicherheit in Brandenburg stärken“
Auf der Tagesordnung stand ein Antrag der Koaltionsfraktionen „IT-Sicherheit in Brandenburg stärken“ Drucksache 7/6215 vom 06.09.2022
Meine Rede dazu ist hier als Video verfügbar.
Den Text der Rede dokumentiere ich hier anhand der vorläufigen stenografischen NIederschrift:
„Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach einem schweren Cyberangriff hat der Landkreis Anhalt-Bitterfeld im Sommer 2021 den Katastrophenfall festgestellt – ein Katastrophenfall aufgrund eines Cyberangriffs: ein in Deutschland bislang einzigartiger Vorgang. Infolge des Angriffs lag die Verwaltung des Landkreises mit rund 157 000 Einwohnern für zwei Wochen praktisch still. Es konnten keine Bescheide mehr erstellt, keine Sozial- und Unterhaltsleistungen mehr ausgezahlt werden. Das Digitale traf auf das wirkliche Leben.
Angriffe auf die digitale Infrastruktur haben immer häufiger Auswirkungen auf die reale, physische Welt. Ob Krankenhäuser, ob Strom- oder Gasleitungen oder ob Behörden angegriffen werden – durch die zunehmende Vernetzung aller Lebensbereiche werden wir alle zukünftig noch häufiger Opfer von Cyberattacken werden. Wir sind verletzlich geworden.
Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie stellen in Ihrem Antrag zu Recht fest, dass im Zuge des Krieges in der Ukraine die abstrakte Bedrohungslage verschärft wurde. Wie wir seit dem Wochenende wissen, reicht aber auch ein physischer Angriff auf einen Kabelkanal aus, um die Deutsche Bahn über Stunden umfassend lahmzulegen.
Solche Geschehnisse haben das Potenzial, das Vertrauen der Bürger empfindlich zu beeinträchtigen. Ja, sie stellen die grundsätzliche Leistungsfähigkeit des Staates infrage. Genau deshalb müssen sich Staat und Gesellschaft dieser Herausforderung stellen.
Es braucht eine gute Vorbereitung, um im Ernstfall einen Angriff schnell erkennen und darauf reagieren zu können. Das ist Kernaufgabe des Staates, des Landes und damit auch des Innenministeriums. Wir gehen davon aus, dass sich das Innenministerium dieser Aufgabe auch stellt; denn nur wenn es Pläne für den Ernstfall gibt, können Schäden minimiert und schnellstmöglich behoben werden. Dazu gehören eine schnelle Erkennung von Angriffen und eine rasche Reaktion darauf.
Wir stellen aber auch fest, dass es noch große Defizite gibt. Gerade die Kommunen haben bei der Umsetzung der digitalen Verwaltung noch immer Probleme, insbesondere bei der Absicherung von digitaler Infrastruktur. Sicherheitsexperten weisen darauf hin, dass gerade kommunale Verwaltungen aus verschiedenen Gründen anfälliger für Hackerangriffe sind. Neben dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld hatten auch Kommunen in Brandenburg bereits damit zu kämpfen. Dabei sind es gerade die kommunalen Behörden, die im Alltag der Menschen besonders präsent sind. Systemausfälle dort haben schnell unmittelbare Folgen für den Einzelnen, beispielsweise in Potsdam oder Angermünde.
Deshalb kommt es darauf an, digitale Prozesse richtig zu entwickeln, in gute Lösungen zu investieren und dabei von Anfang an Sicherheit mitzudenken. Bisher wurde leider meist erst gehandelt, wenn der Schaden eingetreten ist. Das hat bei den Kommunen vor allem zwei Gründe: Personal und Finanzen.
Wenn man in Ihren Antrag schaut, findet man darin den allgegenwärtigen Hinweis, dass das Innenministerium „im Rahmen der personellen und finanziellen Gegebenheiten“ handeln solle. Da fragt sich aber die aufmerksame Abgeordnete: Welche personellen und finanziellen Ressourcen meinen Sie eigentlich? Zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrags lag der Entwurf des Landeshaushalts für das kommende Jahr ja noch gar nicht vor. Meinen Sie den Umfang der finanziellen Ressourcen für 2022 oder für 2023?
Fakt ist – das erkennt man, wenn man sich den Entwurf zum Einzelplan 03 des Innenministeriums anschaut -, dass die Regierung auf diesem Gebiet nicht mehr, sondern weniger Geld ausgeben möchte.
Angesichts dessen kann man sich schon fragen, welche inhaltlichen Fortschritte Sie mit diesem Antrag – der in weiten Teilen recht unkonkret ist – eigentlich erreichen wollen, wenn die Regierung gleichzeitig die Haushaltsposten zusammenstreicht.
So soll im Haushalt der Ansatz für Beraterleistungen im Rahmen der Digitalisierung von 500 000 Euro auf 0 gesetzt werden. Ebenso wird die bisher mit 100 000 Euro veranschlagte Durchführung von Informationsveranstaltungen im kommunalen Bereich auf 0 reduziert. Die Ausgaben für Digitalisierungsprojekte werden um etwa 2 Millionen Euro gekürzt – trotz des geltend gemachten Finanzbedarfs der Kommunen und der Defizite bei der Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes, worüber wir in den vergangenen Wochen ja ausführlich beraten haben.
Meine Damen und Herren, bei Bürgermeistern und Landräten ist der Wunsch nach kompetenter Hilfe groß, auch jenseits von Katastrophenfällen oder zur Vorbereitung auf solche Vorfälle. Deshalb schlagen wir vor, darüber nachzudenken, ein landesweites Cyber-Hilfswerk, wie es auch der Chaos Computer Club angeregt hat – analog zum Technischen Hilfswerk -, durch die Einbindung ehrenamtlicher IT-Spezialisten für den Notfall zur Verfügung zu stellen.
Und, meine Damen und Herren, die Kommunen brauchen Hilfe. Gerade kleine Verwaltungen können die großen Herausforderungen nicht stemmen. Deshalb bitte ich Sie herzlich, diesen Antrag zum Anlass zu nehmen, auch noch einmal über die entsprechenden Haushaltsposten nachzudenken. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.“