Rede zu zwei Anträgen der AfD zur Flüchtlingspolitik

Rede zu zwei Anträgen der AfD zur Flüchtlingspolitik

Zwei Anträge der AfD zur Flüchtlingspolitik standen auf der Tagesordnung:

Entwicklungshilfe an die Rücknahme illegaler Migranten koppeln und Abschiebeoffensive einleiten Antrag (AfD) 04.10.2022 Drucksache 7/6398 in Verbindung mit Fehler von 2015 nicht wiederholen – illegale Migration stoppen Antrag (AfD) 04.10.2022 Drucksache 7/6400 Neudruck

Meine Rede dazu ist hier als Video verfügbar.

Außerdem dokumentiere ich den Text meiner Rede hier zitiert nach der vorläufigen stenografischen Niederschrift:

„Man muss für diese beiden Anträge der AfD fast dankbar sein, machen sie doch deutlich, was die AfD tatsächlich will: Es geht Ihnen nicht um die Menschen, die zu uns flüchten müssen, und es geht Ihnen auch nicht um die Menschen in unserem Land, die angesichts der sozialen Verwerfungen durch die massive Steigerung der Lebenshaltungskosten Angst um ihre Existenz haben. Es geht Ihnen um etwas ganz anderes: Es geht um zusätzliche Verunsicherung, um das Anfachen einer Neiddebatte und um die Erschütterung des Vertrauens in staatliches und politisches Handeln.

Das zeigt gleich der erste Antrag zur Entwicklungshilfe sehr deutlich; sie soll nach Ihrem Willen an die Rücknahme illegaler Migranten gekoppelt werden. Übersetzt könnte man auch sagen: Wenn wir schon Geld für „die da“ in Afrika oder sonst wo ausgeben, dann sollen sie uns auch gefälligst wieder Flüchtlinge abnehmen. Das klingt einfach und verkennt bewusst, was das Ziel der Entwicklungszusammenarbeit ist: Bei Entwicklungszusammenarbeit geht es darum, die Lebensbedingungen in allen Teilen der Welt zu verbessern und die sozioökonomischen Unterschiede langfristig abzubauen. Nebenbei bemerkt: Gelingt das, ist das neben der Verhinderung von Kriegen der beste Weg, Fluchtursachen zu beseitigen. Das müsste Ihnen ja eigentlich gefallen.

Nun kann man sich trefflich darüber streiten, ob die bisherige Ausgestaltung der Entwicklungshilfe geeignet ist, um diese Ziele zu erreichen. Darum geht es Ihnen aber auch gar nicht, wie man sieht, wenn man Ihren Antrag weiterliest. Sie schreiben, die Länder hätten ein Interesse, Teile ihrer Bevölkerung an westliche Industrieländer abzugeben. Da kann ich nur sagen: Sie haben bis heute leider nicht verstanden, wie Migrations- und Fluchtbewegungen funktionieren. In der Regel flüchten eben gerade nicht die ärmsten der Armen nach Europa. Im Gegenteil: Nach Europa flieht oftmals die gut ausgebildete Mittelschicht, weil sie sich die teure Flucht leisten kann. Die ärmsten der Armen bleiben in der Regel im Land oder in der Region. Deshalb haben genau diese Länder überhaupt kein Interesse daran, genau diese Menschen zu verlieren. Ihre Grundannahmen stimmen also nicht, und damit wird Ihr Antrag zur Farce.

Der zweite Antrag macht noch deutlicher, worum es Ihnen geht: 2015 darf sich nicht wiederholen. Ich gehe davon aus, dass Sie mit 2015 andere Dinge verbinden als ich. Ich denke da an eine riesige Solidarität in der Bevölkerung und an eine starke Zivilgesellschaft, die Schwächen staatlichen Handelns bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten kompensiert hat. Ich sage Ihnen: Das wiederholt sich gerade. Menschen haben ihre Wohnungen geöffnet, um Tausenden von Flüchtlingen aus der Ukraine ein Obdach zu geben. Erneut kompensiert die Zivilgesellschaft Schwächen staatlichen Handelns. Ich sage aus tiefstem Herzen Danke, dass so viele Menschen bereit sind, anderen zu helfen, wo es notwendig ist.

Aber das meinen Sie ja gerade nicht, wenn Sie sagen: 2015 darf sich nicht wiederholen. – Sie wollen Unsicherheit säen, und genau deshalb vermischen Sie in Ihrem Antrag die aktuellen Fluchtbewegungen, die völlig unterschiedliche Ursachen haben, und genau deshalb erklären Sie, es kämen aktuell vorwiegend Menschen aus Nicht-Kriegsgebieten wie Syrien, Afghanistan oder Irak. Entschuldigung, was bitte sind die Angriffe Erdoğans oder neuerdings auch des Irans gegen die Kurden im Irak? Ist das kein Krieg? Was findet gerade in Syrien statt? Die Lage ist katastrophal. Und in Afghanistan? Ist das jetzt auf einmal ein sicheres Land? Meine Damen und Herren von der AfD, das ist zynisch und das ist durchsichtig. Sie wollen eine Unterscheidung zwischen „guten“ und „schlechten“ Flüchtlingen. Meine Damen und Herren, das ist Rassismus in Reinkultur!

Sie brauchen diese Erzählung, um den Eindruck zu erwecken, die meisten Menschen kämen, weil sie ein bisschen mehr Wohlstand auf Kosten Deutschlands wollen und nicht etwa, weil sie vor Ort nicht mehr leben können. Und die Narrative in Ihrem Antrag gehen noch weiter: Sie versuchen zu suggerieren, die Preiskrise würde die Bevölkerung in Deutschland nicht so belasten, wären hier nur nicht so viele Ausländer. Dass das völliger Blödsinn ist, wissen Sie selbst, aber es passt in Ihre Strategie.

Meine Damen und Herren, besonders zynisch wird Ihr Antrag mit dem letzten Satz der Begründung. Da muss selbst der urchristliche, solidarische und zutiefst humanistische Satz „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ für Ihren Versuch herhalten, Menschengruppen aufeinanderzuhetzen. Nein, meine Damen und Herren von der AfD, die Hilfe für Menschen in Not ist gerade der rationale und moralische Kern des Satzes „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, und er wird es bleiben, selbst wenn Sie hier weiterhin Ihr Gift versprühen. – Wir lehnen beide Anträge ab.“