Sommer, Wolken, Sommertour… Besuch beim linke Bürgermeister André Stahl in Bernau
Auch gestern war ich – bei nicht ganz so gutem Wetter wie in den vergangenen Tagen – unterwegs im Land. Mein Weg führte mich nach Bernau bei Berlin zum linken Bürgermeister André Stahl. Die Stadt Bernau, nah an Berlin gelegen, ist stark wachsend. Aktuell hat sie etwas über 40.000 Einwohner*innen, derzeit sind jedoch ca. 4.000 Wohneinheiten im Bau und weitere in Planung, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die Stadt in wenigen Jahren recht nah an die 50.000-Einwohner-Grenze kommt.
Im Rathaus angekommen sprachen wir vor allem über die Problematik der Erschließungsbeiträge. Die Stadt hat das Bernauer Modell bei dem Ausbau der Sandpisten entwickelt. Hierbei werden Anwohnerstraßen, die bereits existieren, jedoch nie grundhaft ausgebaut wurden, also meist auch nicht richtig befestigt sind, lediglich befestigt. Es erfolgt also kein grundhafter Ausbau, keine aufwändige Planung, sondern nur eine „erweiterte Instandhaltung“, also das Aufbringen einer geeigneten Deckschicht sowie eine einfache Entwässerung. Dadurch entsteht keine Beitragspflicht für die Anwohner*innen und die Straßen werden in der Regel auch nicht verbreitert, weshalb der Siedlungscharakter erhalten bleibt.
Auf Landesebene wird dieses Modell immer wieder positiv hervorgehoben, weil es für die Anwohner*innen keine hohen Kosten verursacht. Für die Stadt entstehe dabei ca. 100 Euro pro Straßenmeter Kosten. Allerdings ist noch nicht klar, wie lange diese so „erweitert instandgehaltenen“ Straßen halten und welche Folgekosten für die Instandhaltung entstehen.
Die Erschließungsbeiträge sind in vielen Städten und Gemeinden ein anhaltendes Ärgernis, vor allem dann, wenn die Straßen schon seit Jahrzenten existieren, jedoch nie grundhaft ausgebaut wurden, wodurch dann beim Straßenausbau bis zu 90% der Kosten auf die Anwohner*innen umgelegt werden. In den kommenden Monaten wird sich der Landtag (erneut) mit dieser Problematik intensiv befassen. Dabei ist das Meinungsbild der Fraktionen durchaus gespalten. Während die AfD die Erschließungsbeiträge ganz abschaffen will (was wohl eine eher populistische Forderung mit unabsehbaren Kosten für das Land ist), sind sich wohl alle anderen Fraktionen einig, dass es eine grundsätzliche Lösung zumindest für die Straßen geben muss, die seit Jahrzehnten existieren und genutzt werden, jedoch nie grundhaft ausgebaut wurden (also die sogenannten Sandpisten). Man könnte auch hier die Beiträge (wie auch schon bei den Straßenbaubeiträgen, also den Beiträgen, die entstanden sind, wenn ausgebaute Straßen saniert werden mussten) abschaffen und durch das Land übernehmen. Auch das wäre extrem teuer. Man kann auch darüber nachdenken, die Ausbaustandards zu senken, um die Kosten für die Anwohner*innen gering zu halten. Auch weitere Lösungen wie die Herausnahme der Entwässerungskosten sind denkbar.
Vor einer vollständigen Abschaffung der Erschließungsbeiträge warnt André Stahl, weil zu erwarten ist, dass der Druck der Anwohner*innen auf die Städte und Gemeinden, die Straßen auszubauen, exorbitant steigen wird, wenn keine Kosten für die Anwohner*innen mehr entstehen. Dies ist nach der Abschaffung der Straßenbaubeiträge bereits in einigen Orten zu beobachten und verschärft die innergemeindlichen Kämpfe um die investiven Mittel. Den Stein der Weisen hat niemand bisher gefunden, jedoch nutze ich meine Sommertour auch dafür, Ideen zu sammeln, wie das Problem gelöst werden kann und das Bernauer Modell kann zumindest bei einigen Straßen eine geeignete Lösung darstellen.
Im Gepräch ging es außerdem um die dynamische Entwicklung in der Stadt und ihrem Umland, mit der die Investitionen in die Infrastruktur nicht immer mithalten können. Von dieser Entwicklung konnte ich mir danach selbst ein Bild machen. André Stahl zeigte mir mit einem gewissen Stolz das im Bau befindliche neue Rathaus der Stadt sowie diverse Bauprojekte in der Stadt – Straßen, mehrere Projekte des Geschosswohnungsbaus, Schulen, Kitas, ein Parkhaus am Bahnhof, eine riesige Parkanlage usw. Zwischendrin hab ich ihn irgendwann gefragt, wie er bei so vielen Projekten eigentlich den Überblick behält. Und das meinte ich durchaus ernst, es ist schier unglaublich, was in dieser Stadt zeitgleich alles entsteht. Eine solch dynamische Entwicklung gibt es meines Wissens in keiner anderen Stadt in Brandenburg, außer vielleicht Potsdam und das ist nun wirklich deutlich größer.
Ganz am Ende zeigte er mir noch eine riesige Ruine der ehemaligen Heeresversuchsanstalt, in der weitere 2.000 Wohneinheiten entstehen sollen. Auch hierfür gibt es bereits einen Investor und so ist davon auszugehen, dass die Entwicklung auch in den kommenden Jahren anhalten wird.
Herzlichen Dank für die tollen Einblicke! Ich komme gern wieder und schaue mit spätestens im kommenden Jahr beim Brandenburg-Tag, der in Bernau stattfindet, an, was aus den vielen Projekten geworden ist.