Tiefpunkt politischer Kultur – von Brunnenvergiftern und Hitler-Stalin-Relativierungen

Alle diskutieren darüber, ob die Strategie der LINKEN, Joachim Gauck nicht zu wählen, die richtige war. Was haben wir als LINKE nicht alles für Gründe gefunden, weshalb das ganz sicher nicht geht. Einer, der immer wieder zu hören war: Joachim Gauck ist ein NS-Relativierer. Ich will hier weder diesen noch alle anderen Gründe bewerten. Über unser Auftreten in den letzten Wochen werden wir sicher noch zu reden haben und die Analyse unserer Strategie steht ebenfalls noch aus. Aber an einer Stelle muss ich mich gleich zu Wort melden, weil ich finde, das geht so nicht.

Die politische Kultur einer Partei sagt etwas über deren Zustand aus. Und das genutzte Wort, zumal gegenüber den Medien, sollte und alle mehrmals zum Nachdenken anregen, bevor wir es erheben. Gerade von einem Medienprofi wie Diether Dehm erwarte ich das und gehe davon aus, dass er nicht unbedacht einem Journalisten einen O-Ton gibt.

Als ich las, dass Diether Dehm den Kandidaten Gauck als “Brunnenvergifter” (nachzulesen hier) bezeichnet habe, hielt ich das für eine nicht gerade gelungene Äußerung, hielt ihm aber noch zu Gute, er könnte sich einfach unbedacht in der Tinlage vergriffen haben. (Ich muss politisch denkenden Menschen vermutlich nicht erläutern, dass das hier verwendete Schimpfwort in der langen Tradition der Hetze gegen Juden steht und sich schon deshalb in der politischen Kommunikation der LINKEN verbietet.) Als ich dann allerdings in der Welt den Ticker zur Bundespräsidentenwahl las und zur Uhrzeit 17.30 Uhr vordrang, stellte ich fest, dass Diether Dehm diese politische “Kultur” wohl nicht unbedacht gewählt, sondern dies bei ihm System hat, antwortet er doch als Kommentar zum Stimmverhalten der LINKEN: „Was würden sie tun, wenn sie die Wahl hätten zwischen Hitler und Stalin?“ (nachzulesen hier, 17.30 Uhr, 2. Seite)

Ja hallo? Die Wahl zwischen Hitler und Stalin? Ich erspare mir hier, die Verbrechen beider detailliert aufzuführen, den LeserInnen dieses Blogs sind sie sicher bekannt. Ich erspare mir auch die Frage, welcher der beiden Kandidaten mit welcher der beiden Vergleichpersonen assoziiert werden sollen. Und offen gestanden war mein Entsetzen über diesen Vergleich so groß, dass ich fast glauben wollte, er sei so nicht geäußert worden. Nur leider steht er eben in einer Reihe mit dem Zitat oben.

Deshalb bleiben mir nur folgende Feststellungen:

1. Dieser Vergleich zweier Kandidaten für das Präsidentenamt, die sicher beide nicht als links zu bezeichnen, jedoch einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet sind, mit zwei Diktatoren und Massenmördern der Geschichte zeugt von Geschichtsvergessenheit, mangelndem Maß im politischen Wort und dem notwendigen Respekt vor der Demokratie in diesem Land.

2. Für einen Bundestagsabgeordneten der LINKEN ist diese Form der politischen Auseinandersetzung unwürdig und bedarf mindestens einer Entschuldigung gegenüber den betroffenen Präsidentschaftskandidaten.

3. Die Partei, deren Landesvorsitzender Diether Dehm ist, und die Fraktion, der er angehört, sollte eine deutliche Antwort auf diesen Tiefschlag politischer Kultur finden und sich ausdrücklich davon distanzieren.

4. Eine Auseinandersetzung um die politische Kultur, die wir im Umgang mit unserer Mitbewerbern pflegen, sollte unbedingt stattfinden. Ich persönlich möchte in keiner Partei sein, in der die Relativierung von Nazismus und Stalinismus Bestandteil der politischen Auseinandersetzung ist.

Ergänzung: im Morgenmagazin wurde der o-Ton ebenfalls nochmal gezeigt http://www.zdf.de/ZDFmediathek/kanaluebersicht/aktuellste/446#/beitrag/video/1080204/Linke-enthalten-sich-im-drittem-Wahlgang (bei ca. 52 Sekunden geht das Statement los)