Verrenkungen der Zählgemeinschaft – Antrag gegen das Kohlekraftwerk in Arneburg abgelehnt
Auf der Fahrt zur Kreistagssitzung habe ich mir Gedanken gemacht, was der Zählgemeinschaft bestehend aus CDU, SPD, FDP und Bauern+ dieses Mal einfallen wird, um unseren Antrag abzulehnen. Beantragt hatten die Fraktion DIE LINKE und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dass der Kreistag sich gegen die Pläne des Energiekonzerns RWE ausspricht, im benachbarten Arneburg (Landkreis Stendal, Sachsen-Anhalt) ein Steinkohlekraftwerk zu errichten.
Unsere Argumentation für den Antrag könnte man folgendermaßen zusammenfassen: Steinkohlekraftwerke sind eine Sackgassentechnologie. Sie helfen weder den notwendigen Übergang zu nachhaltigem Wirtschaften und nachhaltiger Energiegewinnung zu ebnen, noch sind Steinkohlekraftwerke klimafreundlich, auch nicht wenn sie modern sind. Im Gegenteil, selbst modernste Kraftwerke erreichen nur einen geringen Wirkungsgrad von maximal 45%, der Rest wird als Wärme an die Umwelt – in dem Fall über die Rückleitung des Kühlwassers an die Elbe und über die Kühltürme an die Luft abgegeben – und sie verpesten die Luft: 9 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr sind für Arneburg zu erwarten. Damit sorgt das Kraftwerk weiterhin für Klimaschäden. Da kann man immer weiter versuchen schönzureden, aber es bleibt dabei: Kohlekraftwerke führen in die klimapolitische Sackgasse.
Es braucht zur Bewältigung der durch den Klimawandel zu erwartenden Krisen eine völlig andere Strategie. Die Stromversorgung muss dezentralisiert und die Großkraftwerke müssen durch kleinere und daher flexiblere Einheiten mit Kraft-Wärmekopplung bis hin zu virtuellen Kraftwerken ersetzt werden. Damit ist nicht nur eine effizientere Nutzung der Energieressourcen verbunden, sondern eine bessere Einbindung dieser Kraftwerke in die Nutzung der regenerativen Energieträger. Für einen Verbund dezentraler, kleiner Kraftwerke mit Windkraftanlagen, Solaranlagen und Biogasanlagen usw. ist das Netz so nachzurüsten, dass Einspeisung und Verbrauch im Gleichgewicht sind.
Dadurch würde sich das geplante Kraftwerk in Arneburg erübrigen. Durch dieses Kraftwerk wäre eine Landschaft betroffen, die mit großflächigen Schutzgebieten (Internationale Vogelschutzgebiete, Biosphärenreservate, Naturschutzgebiete, Naturparks) und einem freien Flusslauf der Elbe für Natur und Gesundheit steht. Hier eine Industriezone zu schaffen, bestehend aus einem Großkraftwerk für Steinkohle mit ausgebautem Hafen, einer CO2-Abscheidungsfabrik und deren Pipeline zu einem CO2-Endlager in der Altmark, würde bedeuten, die wertvolle Natur der Altmark aber auch der angrenzenden Havelregion den Profitinteressen von RWE zu opfern.
Inhaltlich sind sicher nicht alle, wohl aber einige Kreistagsabgeordnete der Zählgemeinschaft unserer Meinung, doch, wie sollte es anders sein, die Zählgemeinschaft hat ein weiteres Mal geschlossen einen Antrag der Opposition abgelehnt – nicht weil sie gute Argumente hatte, sondern weil es einfach ums Prinzip geht. So waren wir eigentlich nur noch gespannt, was die Begründung sein würde. Nun, da brauchte es Verrenkungen, doch sie sind der Zählgemeinschaft gelungen (wobei wir auf die “Ent”-renkungen gespannt sein dürfen…).
Vom Redner der SPD hörten wir, der Kreistag habe über die Errichtung des Kraftwerks nicht zu entscheiden (was stimmt, nur hatten wir das auch nicht beantragt) und es würde bei der Bevölkerung der Eindruck erweckt, wir könnten die Kraftwerkspläne verhindern, würden wir dies hier beschließen. Das muss man sich mal vorstellen: Gewählte Abgeordnete weigern sich, zu einem Projekt Stellung zu nehmen, das in wertvolle Naturräume des eigenen Landkreises eingreift, das die Luft auch im Havelland verpestet und das Projekten wie der BuGa oder der Entwicklung eines sanften Tourismus entgegensteht, mit der Begründung, man wolle keine falschen Erwartungen wecken. Die Bürgerinnen und Bürger der Havelregion haben ganz klare Erwartungen: Sie erwarten die Unterstützung der Politik für ihren Einsatz gegen die Kraftwerkspläne.
Die angeblich nicht vorhandene Zuständigkeit ist in diesem Zusammenhang aber die größere Verrenkung: Wer, wenn nicht der Kreistag soll denn RWE und der Gemeinde Arneburg mitteilen, dass das Kraftwerk nicht gewollt ist? Wer sonst, als die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählten Vertreter sollten hier eine Zuständigkeit besitzen?
Weitere Verrenkungen sahen wir bei der CDU, die mitteilte, man solle ersteinmal die Energieprojekte im eigenen Kreis bereden, bevor man sich um andere kümmere. Es mag der CDU entgangen sein, gerade DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen beschäftigen sich intensiv mit Projekten in Wustermark (Gaskraftwerk) oder Dallgow-Döberitz (Solarpark). Unklar blieb aber, wieso dies eine Begründung zur Ablehnung unseres Antrages sein sollte.
Und auch die FDP ließ sich nicht lumpen: Es gäbe doch gar kein Projekt, da könne man auch nichts beschließen.
So haben wir wieder eindrucksvoll bewiesen bekommen, dass die Zählgemeinschaft selbst heftigste Verrenkungen nicht scheut, nur um keinem Antrag der Opposition zustimmen zu müssen. Ich denke ernsthaft darüber nach, ob wir beim nächsten Mal den Antrag stellen sollten, dass der Kreistag sich dafür ausspricht, dass der Sommer warm wird. Die Gegenargumentation ist schon klar: Der Kreistag ist nicht zuständig