Bleiberecht für Opfer rechter Gewalt

Bleiberecht für Opfer rechter Gewalt

Endlich ist er da: Der bundesweit erste Erlass, der Opfern rechter Gewalt ein Bleiberecht sichern soll. Dabei geht es nicht, wie die AfD gleich tönte, um die Aushebelung des Aufenthaltsrechts. Das Ziel ist, vollziehbar Ausreisepflichtigen, die Opfer einer rechten Gewaltstraftat geworden sind, zu einem Bleiberecht zu verhelfen, indem auf der Grundlage des geltenden Rechts alle Ermessensspielräume genutzt werden.

Gerade angesichts der steigenden Zahl von rassistisch motivierten Gewalttaten auch in Brandenburg – allein 2016 wurden bis einschließlich September 70 Körperverletzungen in Brandenburg registriert – ist dies ein starkes Bekenntnis des Landes, Opfern rassistischer Gewalt beizustehen. Gerade diejenigen, die nach der Flucht vor Krieg und Gewalt unseres besonderen Schutzes bedürfen, werden viel zu oft zu Opfern rechter Gewalt. Unsere vordringliche Aufgabe ist es, solche Taten zu verhindern. Ich möchte nicht, dass irgendjemand in Brandenburg in Angst leben muss. Dazu braucht es eine handlungsfähige Polizei und eine entschlossene Justiz. Und gleichzeitig wissen wir, dass die Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden allein solche Taten nicht immer verhindern können.

Wir müssen konstatieren, dass die anhaltende Hetze der vergangenen Monate gegen Geflüchtete durch Pegida, AfD und Co einerseits dafür gesorgt hat, dass die Hemmschwellen bei den Tätern sinken und sie sich als Erfüllungsgehilfen des vermeintlichen Volkswillens fühlen. Die Täter sprechen den Opfern das Recht ab, hier bei uns zu leben, und leiten daraus für sich die Berechtigung zu gewalttätigen Angriffen ab.
Und andererseits hat diese Hetze dazu geführt, dass gesellschaftliche Grundwerte des Zusammenlebens zunehmend in Frage gestellt werden und es in Teilen der Bevölkerung mehr oder weniger heimliche Zustimmung und Rückendeckung für rassistische Gewalt gibt.
Dieses Klima in Teilen der Gesellschaft müssen wir aufbrechen und darum kämpfen, dass völlig klar ist: Wer solche Taten begeht, bekommt weder Beifall noch Zustimmung, sondern er begibt sich außerhalb des gesellschaftlichen Konsens.

So lange wir rassistische Gewalttaten nicht verhindern können, müssen wir dafür sorgen, dass diejenigen, die Opfer rassistischer und fremdenfeindlicher Gewalt wurden, besonderen Schutz genießen. Ihnen muss jede nötige und mögliche medizinische, psychologische und sozialpädagogische Hilfe offen stehen. Und dazu gehört, dass den Tätern darf nicht die Genugtuung gegeben werden, dass sie ihr Ziel erreichen. Dazu gehört auch, dass die besondere Situation des Opfers, die erst durch eine solche Tat entstanden ist, besonders berücksichtigt wird. Besonders berücksichtigt gerade dann, wenn es darum geht, ob sie in Deutschland bleiben dürfen oder nicht.

Damit ist dieser Erlass auch ein Signal an Rassisten, dass Gewaltstraftaten in Brandenburg geächtet werden und den Opfern nach einem solchen Angriff besonderer Schutz zuteil wird. Ich bin sehr froh und auch ein wenig stolz, dass es uns gelungen ist, eine solche Regelung zu schaffen. Bundesweit ist Brandenburg damit Vorreiter. Wir werden die Umsetzung des Erlasses konstruktiv begleiten und die Ergebnisse dokumentieren und darüber berichten.

 

Zur Vorgeschichte:

Im April ergriffen Bündnis 90/Die Grünen die Initiative für eine solche Regelung. Die Regierungsfraktionen DIE LINKE und SPD zeigten sich dem Anliegen aufgeschlossen und so beschloss der Landtag mit den Stimmen von Grünen, LINKEN und SPD, bei Enthatung der CDU und Gegenstimmen der AfD, dass die Landesregierung aufgefordert wird:

1. die gesetzlichen Möglichkeiten des Aufenthaltsrechts zu nutzen, um Opfern rechter Straftaten vorübergehend ein Bleiberecht einzuräumen.
2. gegenüber den Kommunen darauf hin zu wirken, dass diese bei Opfern rechter Gewaltstraftaten von den Möglichkeiten der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen und Duldungen auf der Grundlage des Aufenthaltsgesetzes Gebrauch machen.
3. im Ausschuss für Inneres und Kommunales bis zum Ende diesen Jahres einen Bericht vorzulegen, der darlegt, in welchem Umfang im Land Brandenburg diese Möglichkeiten angewendet worden sind.

Das Ergebnis dieses Beschlusses ist der nun veröffentlichte ermessenslenkende Erlass des Innenministeriums. Hier sind die Verfahrensregeln festgelegt, die die Ausländerbehörden anhalten, Ermessensspielräume konsequent zu nutzen und bspw. Staatsanwaltschaften und Beratungsstellen (wie bspw. Opferperspektive e.V.) zu beteiligen. Der Erlass selbst ist übrigens im Vorfeld mit dem Verein Opferperspektive abgestimmt worden und dessen Anregungen wurden aufgenommen.

 

Im Landtag habe ich dazu für meine Fraktion geredet. Die Rede ist hier dokumentiert.