Rede im Landtag zum Antrag "Verbrechen gegen die Menschlichkeit an Yezidinnen und Yeziden sowie anderen Minderheiten im Nordirak wirksam verhindern und ahnden"

Rede im Landtag zum Antrag „Verbrechen gegen die Menschlichkeit an Yezidinnen und Yeziden sowie anderen Minderheiten im Nordirak wirksam verhindern und ahnden“

Mit Vian Dakheel Saeed, der einzigen Yezidischen Abgeordneten im irakischen Palament.

Heute behandelte der Landtag angesichts des Besuchs einer yezidischen Delegation den Antrag „Verbrechen gegen die Menschlichkeit an Yezidinnen und Yeziden sowie anderen Minderheiten im Nordirak wirksam verhindern und ahnden“.

Meine Rede kann hier angeschaut werden.

 

Der Text der Rede ist hier dokumentiert:

„Liebe Vian Dakheel Saeed, lieber Sohn des Mir, lieber Baba Sheich, liebe jesidische Delegation,

auch ich freue mich sehr, Sie in Brandenburg begrüßen zu dürfen. Und ich freue mich sehr, dass wir hier gemeinsam den Genozid durch den Islamischen Staat an den Eziden im Shingal thematisieren und einen Beitrag zu leisten, dass dieser international geächtet wird.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

am vergangenen Freitag habe ich in einer Flüchtlingsunterkunft Assad getroffen. Assad ist Ezide aus dem Shingal. Er ist verheiratet, hat vier Kinder und hat als Maler 50 Dollar am Tag verdient. Es ging ihm gut. Er war glücklich.

Dann kamen die Mörder des islamischen Staats. Sie töten an einem Tag 1000 Menschen und nahmen 3000 Menschen gefangen. Darunter auch Assads Frau und seine Kinder. Assad konnte vor dem sicheren Tod ins Gebirge flüchten. Essen und Wasser gab es dort nur dann, wenn Hilfsflugzeuge etwas abgeworfen haben.

Assad hatte Glück, im Sommer 2015 schaffte er es nach monatelanger Flucht nach Deutschland und wurde als Flüchtling anerkannt. Seine Frau und seine Kinder konnten irgendwann dem IS entkommen und leben jetzt in einem Flüchtlingslager im nordirakischen Dohuk.

Assad hat den Traum, dass seine Kinder sicher aufwachsen und er endlich wieder mit seiner Familie zusammen sein kann. Aber: Die Wartezeit bei der deutschen Botschaft in Ankara liegt bei etwa zwei Jahren bis zu einem Termin. Im Generalkonsulat in Erbil dauert es noch länger. Damit werden seine Frau und die Kinder wohl noch mehrere Jahre auf sich allein gestellt sein. Dabei wäre es so einfach, wenn die Bundesregierung den Familiennachzug nicht verzögern und ausreichend Personal in den Botschaften und Konsulaten einstellen würde. Bereits in unserem Beschluss im Dezember hatten wir das thematisiert. Geändert hat sich nichts.

Im Gegenteil: Auch bei den Eziden ändert das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aktuell seine Entscheidungspraxis und spricht einer deutlich steigenden Zahl weder die Anerkennung als Flüchtling noch subsidiären Schutz zu.

Im Dezember haben wir uns auch dazu bekannt, auf Bundesebene ein Programm zu initiieren, das Frauen und Kindern, die den Fängen des IS entkommen konnten, eine sichere Zuflucht in Deutschland geben soll. Sollte dies scheitern, wollen wir ein eigenes Aufnahmeprogramm in Brandenburg ggf. mit anderen Bundesländern auflegen. Auch hier ist noch nicht viel passiert und offen gestanden macht mich das unzufrieden, weil ich weiß, dass Tausende Frauen und Kinder im Nordirak dieser Hilfe dringend bedürfen.

Deshalb hoffe ich, dass die Planungen für das Programm nun recht schnell anlaufen. Bestimmte Dinge müssen gemacht werden, egal ob es vom Bund oder vom Land getragen wird. Dazu gehört die Gewinnung von Kommunen, die bereit sind, Personen aufzunehmen, und von Trägern, die sich der Betreuung und Versorgung widmen. Und dazu gehört auch, Partner zu finden für die Sicherstellung der Traumabehandlungen und die begleitende Forschung.

Wir werden die Verbrechen des IS im Irak nicht ungeschehen machen können. Mit unserem Beschluss heute machen wir aber klar, dass wir weiteren Handlungsbedarf sehen. Wir wollen, dass die Verbrechen an den Eziden konsequent geahndet werden. Wir bekennen uns aber auch dazu, dass ein interreligiöser Dialog mit den in Deutschland lebenden Eziden gestartet wird. Das können und müssen wir auch in Brandenburg tun. Dazu gehört Information über das Ezidentum ebenso wie Dialog darüber, welche Bedürfnisse in Brandenburg lebende Eziden bei der Ausübung ihrer Religion haben und wie wir sie bei der Stärkung ihrer Gemeinschaft unterstützen können. Gerade im Hinblick auf das geplante Aufnahmeprogramm wird dieser Diskurs wichtig sein und deshalb müssen wir jetzt anfangen ihn zu führen.

Und es ist noch etwas wichtig: Die Hilfe vor Ort. Da kann jeder von uns etwas tun. In der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak wurden bei 5 Millionen Einwohnern 2 Millionen Flüchtlinge aus dem Irak aber auch aus Syrien aufgenommen.

Hier kann mit wenig Geld viel bewirkt werden. Deshalb werbe ich dafür, es nicht nur bei der Aufforderung an die Bundesregierung zu belassen, vor Ort Hilfe zu unterstützen, sondern selbst etwas zu tun. Ich unterstütze bereits zwei Hilfsprojekte in Flüchtlingslagern im Nordirak und in Syrien und wer von Ihnen mittun möchte, ist herzlich eingeladen, Informationen gebe ich gern.

Sorgen wir gemeinsam dafür, dass die Eziden in Deutschland und in den kurdischen Gebieten eine Lebensperspektive bekommen.“