Tag 1 in Genf: Erste Einschätzungen zum Stand der Friedensverhandlungen und Besuch beim Human Rights Council

Tag 1 in Genf: Erste Einschätzungen zum Stand der Friedensverhandlungen und Besuch beim Human Rights Council

Aktuell findet in Genf die zweite Runde der Friedensverhandlungen zu Syrien statt. Diese Friedensgespräche sind eine große Chance, einen Friedensprozess in Syrien einzuleiten und damit erste Schritte auf dem Weg zu gehen, den fürchterlichen Bürgerkrieg zu beenden. Ich bin für drei Tage nach Genf gereist, um vor Ort einen Eindruck vom Stand der Friedensgespräche zu bekommen und gleichzeitig mit NGOs und Refugee-Organisationen ins Gespräch zu kommen. Hier mein Bericht vom ersten Tag.

Um 4 Uhr heute Morgen ging es los in Richtung Flughafen Schönefeld, kurz nach 9 Uhr landete ich in Genf. Mittags ging es dann zum ersten Termin: Treffen mit Alan Hassaf, einem Vertreter des Kurdish National Council in Syria (KNC), also dem Kurdischen Nationalrat. Wir trafen uns in einem kleinen Restaurant in der Nähe des Hotels, in dem die Vertreter der syrischen Opposition untergebracht sind.

Mit Alan habe ich mich intensiv zur Situation in Syrien, zur Struktur, zum Stand und zum Ziel der Verhandlungen ausgetauscht.

Zur aktuellen Situation in Syrien schätzt Alan ein, dass es derzeit etwas ruhiger geworden ist. Ca. 70% der Kampfhandlungen sind eingestellt, was die Menschen vor Ort in die Lage versetzt, sich endlich mal wieder aus dem Haus zu trauen und sich um lebensnotwendige Dinge kümmern zu können. Auch waren an den vergangenen Freitagen seit Monaten mal wieder Demonstrationen möglich. Dies liegt unter anderem an der zwischen Russland, USA und weiteren Staaten vereinbarten Waffenruhe, die in den meisten Regionen überwiegend eingehalten wird. (In dem Zusammenhang habe ich Alan gefragt, wie er die Rolle von Russland einschätzt. Er sagte, er glaube, die weitgehend erreichte Waffenruhe sei ein wichtiger Schritt zu den nun stattfindenden Gesprächen gewesen. Dass nun auch seit 14.3. Russland keine Angriffe mehr tätige, sei ein Signal an Assad, dass die Verbindung zwischen Assad und Russland schwächer geworden ist. Gleichzeitig sind russische Flugabwehrraketen, Flugzeuge und Truppen weiter im Land.)

Nichtsdestotrotz ist die Lage insgesamt sehr schwierig, vielerorts existiert kein Gesundheitssystem, die Versorgung ist zusammengebrochen und vor allem in den eingeschlossenen Kurdengebieten (Grenzen zu Türkei und Irak sind zu, auf der anderen Seite ist der IS) ist die Lage dramatisch, die Preise steigen und viele sind zur Flucht gezwungen, weil unter diesen Umständen kaum noch ein Leben in den kurdischen Gebieten möglich ist. Deshalb ist es gut, dass die internationale Gemeinschaft darauf drängt, dass humanitäre Hilfe ermöglicht werden soll.

Alan ist aktuell optimistisch, was die Verhandlungen angeht, auch weil Waffenruhe und Zugang für humanitäre Hilfe bereits vereinbart werden konnten. Dennoch ist es ein steiniger Weg.

Die aktuelle zweite Verhandlungsrunde zu Syrien wird durch den UN-Vermittler Staffan De Mistura mit der syrischen Regierung auf der einen und der syrischen Opposition auf der anderen Seite geführt. Es sind keine direkten Verhandlungen, der UN-Gesandte spricht jeweils mit einer der beiden Parteien und übermittelt diesen die Positionen der jeweils anderen.

Dabei gestaltete sich bereits die Frage, wer die syrische Opposition vertritt, als schwierig. Ca. 100 unterschiedliche oppositionelle Gruppen haben ein hohes Verhandlungekommitee mit 33 Vertretern der Opposition gebildet. Diese haben dann wiederum 16 Delegierte bestimmt, die die Gespräche mit der UN führen. Dabei gibt es bereits innerhalb dieser oppositionellen Gruppen starke Differenzen in der Frage, wie ein befriedetes Syrien verfasst sein soll. Einig sind die sich eigentlich nur in einer Frage, dass eine Übergangsregierung bis zu den demokratischen Wahlen, die die UN spätestens nach 18 Monaten fordert, von Assad unabhängig sein muss.  Konflikte gibt es jedoch innerhalb der Opposition in der Frage der Verfasstheit des künftigen Staats. Es gibt Strömungen in der Opposition, die eine Dezentralisierung nur der Verwaltung anstreben, bei einer Zentralisierung der politischen Gewalt soll es jedoch bleiben; andere Strömungen wünschen sich eine föderale Dezentralisierung bei möglichst viel Entscheidungsgewalt innerhalb der geografischen Regionen. Dahinter steht die Angst, dass eine Diktatur durch die nächste abgelöst werde könnte. Vor allem der Kurdische Nationalrat verficht deshalb die Position des Föderalismus.

Der Kurdische Nationalrat hat in das hohe Verhandlungskommitee wie auch zu den Delegierten jeweils einen Vertreter entsenden können. Der kurdische Nationalrat ist ein Zusamenschluss von 11 kurdischen Parteien in Syrien, dem Yezidischen Rat Syriens und zivilgesellschaftlichen Gruppen. Für die Legitimation des KNC haben in den Kurdengebieten 625.000 Menschen dafür unterschrieben, dass er an den Verhandlungen teilnehmen kann. Da in dem Gebiet nur noch ca. 1,5 Millionen Kurden leben, ist dies eine sehr starke Legitimation. In der medialen Öffentlichkeit in Deutschland heißt es immer, die Kurden würden bei en Verhandlungen nicht am Tisch sitzen, weil die PYD nicht beteiligt ist. Aus Sicht von Alan genießt der KNC ein höheres Ansehen, weil er die Interessen der vor Ort lebenden Kurden vertritt, während die PYD (die nicht an den aktuellen Gesprächen beteiligt ist) sich auch von den Interessen der PKK leiten lässt.

Wenn also diese oppositionellen Gruppen sich auf eine Position geeinigt haben, kann diese über den UN-Gesandten mit den Vertretern der syrischen Regierung besprochen werden. Aktuell, so Alan, bewegen sich die Gespräche mit der Regierung auf der formellen Ebene. Wichtigster Punkt derzeit ist für die Regierung, wie man die Gespräche zu einer möglichen Übergangsregierung führen kann. Man ist also noch nicht auf der inhaltlichen Ebene der Ausgestaltung angelangt. Demnach sind auch noch alle Fragen rund um eine mögliche Verfassung und ein Wahlgesetz völlig offen.

Die aktuelle Verhandlungsrunde soll bis 24.3. gehen, im April wird dann wohl die nächste folgen. Die UN hat das Ziel, die Gespräche innerhab von sechs Monaten seit Beginn (also seit Januar) zu beenden. Ob das geschafft werden kann, ist völlig offen.

Befragt nach der Rolle der internationalen Gemeinschaft schätzt Alan ein, dass es aktuell ein sehr großes Interesse gibt, den Krieg in Syrien zu beenden. Allerdings bedauert er, dass das Interesse bei der Frage, wie es danach in Syrien weitergeht, eher wenig ausgeprägt ist.

Am Ende des Gesprächs habe ich Alan gefragt, was er sich von der deutschen Linken wünscht. Er sagte sehr klar, er wünsche sich, dass die Linke in Deutschland nicht nur PYD als kurdischen Partner in Syrien begreift sondern den Kurdischen Nationalrat als den Vertreter der Interessen der Menschen vor Ort als Partner anerkennt.

Dieses Gespräch mit Alan habe ich bewusst so ausführlich versucht zu schildern, da dadurch die Konflikte, die aktuell hier in Genf bearbeitet werden, sehr deutlich werden. Die weiteren Stationen kann ich jedoch deutlich kürzer fassen.

Im Folgenden machten wir uns auf den Weg zum Sitz der UN in Genf. Hier ein paar Eindrücke:

Wir besuchten den Human Rights Council, das in der UN tagt. In diesem sitzen Vertreter aller UN-Staaten (wobei heute zumindest ca. die Hälfte de Plätze leer war), die sich zur aktuellen Lage der Menschenrechte austauschen. Heute ging es um den Stand der rassistischen Diskriminierung weltweit. Für Beobachter war das eher wenig erhellend. Redezeit in der Regel zwei Minuten, die Erklärungen zu einzelen Berichten werden emotionslos abgelesen und eigentlich geht es auch nur darum zu entscheiden, ob ein Bericht so wichtig ist, dass er an weitere UN-Instanzen weiter gegeben wird. Sagen wir mal so, es ist gut, das mal erlebt zu haben, aber mein politischer Erkenntnisgewinn hielt sich in Grenzen.

Parallel dazu fanden Side-Evens statt. Dies sind Beratungen, die durch NGOs veranstaltet werden und wo die Menschenrechtssituation oder bestimmte Aspekte davon seitens der NGOs und VertreterInnen der jewiligen Staaten diskutiert werden. Interessanterweise findet dies quasi eine Etage unter dem Human Rights Council statt. Und kurz gesagt: Da tobt dann schon eher das Leben und die Debatte.

In der Folge sind wir noch ein wenig über das UN-Gelände geschlendert, bevor wir ins Hotel zurück gefahren sind. Hier noch die restlichen Eindrücke des Tages.